Winfried Weithofer stürzt sich ins Abenteuer „9-Euro-Ticket“
Es fährt ein Zug nach Nirgendwo: So war die Fahrt mit dem 9-Euro-Ticket von Wasserburg nach Stuttgart
Unser freier Mitarbeiter Winfried Weithofer hat sich mit dem 9-Euro-Ticket von Wasserburg auf den Weg in seine alte Heimat Stuttgart gemacht. So war seine Reise mit der Bahn am Pfingstwochenende.
Wasserburg – Einstieg in Wasserburg, dann weiter nach Rosenheim und München. Von dort aus hatte ich ein Ticket für den Intercity nach Stuttgart. Trotzdem gab es am Donnerstag für die bunte Schar an Reisenden und trotz des viel genutzten Billigangebots der Bahn noch genügend Plätze in den Zügen Richtung Schwabenland.
Züge überfüllt, Toilette nicht nutzbar
Die Rückfahrt am Freitag trat ich nur mit meinem 9-Euro-Ticket an. Einstieg war wieder in Stuttgart Hauptbahnhof über Ulm, Memmingen, München und Rosenheim nach Wasserburg. Allerdings war die Fahrt sehr viel strapaziöser als die Hinfahrt und teilweise sehr chaotisch: Personenschaden, Ausfall eines Stellwerks ¨– vermutlich wegen eines Blitzeinschlags – ein Zug fährt wegen Überfüllung nicht weiter.
Dabei hat alles so beschaulich angefangen: Start in Stuttgart pünktlich um 12.40 Uhr, alles easy. Doch schon in Ulm ist es vorbei mit der Gemütlichkeit: Umsteiger drängen in Massen in den RE 75 Richtung Memmingen, darunter viele Rucksackträger, mutmaßlich mit Neun-Euro-Tickets. Einige müssen jetzt stehen, ich selbst zwänge mich in den Klappstuhl-Bereich, der für Bahnkunden mit Fahrrädern und Kinderwägen gedacht ist. Dafür wäre jetzt sowieso kein Platz mehr.
In dem ganzen Stress, den man so gar nicht haben will, beobachte ich, wie andere mit der Situation in den knallvollen Zügen umgehen, die gefühlt ganze Ewigkeiten nicht von der Stelle kommen: Da sind die fürsorglichen Eltern, die sich um ihre kleinen Kinder kümmern und deren Langeweile vertreiben, ein entnervter, schlecht gelaunter Typ, eine kichernde Gruppe von Jugendlichen, denen die Verzögerungen rein gar nichts auszumachen scheinen.
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Und noch ein Problem kommt hinzu: Wer auf die Toilette muss, hat Pech. Die Gänge sind mit Reisenden und ihrem sperrigen Gepäck blockiert.
Ankunft in Memmingen ist kurz nach 15 Uhr, von dort soll es relativ fix mit dem hellblauen bayerischen Go-Ahead nach München weitergehen. Aber nix da: Hunderte von Reisenden wollen auch dahin, das Gedränge am Bahnsteig wird unheimlich, die Stimmung gereizt. Ein Bahnbediensteter versucht verzweifelt, Leute zum Aussteigen zu bewegen, weil der Zug überladen ist und daher nicht losfahren kann. Irgendwann startet der Go-Ahead dann doch – ich bleibe zurück. Mit Rücksicht aufs Gesamtgewicht. Um halb sechs geht es endlich auch für mich weiter, Gott sei Dank. Draußen wird es dunkel, bei Mindelheim entlädt sich ein Gewitter, Blitze zucken vom Himmel. Mein Nebensitzer will nach einem knallenden Einschlag Funken in der Oberleitung beobachtet haben. Unheimlich. 18.44 Uhr ist München erreicht, Wasserburg ist immer noch 60 Kilometer entfernt. Die nächste Etappe ist mit der U 5 um 19.23 Uhr am Ostbahnhof, dort aber ist auch erst mal Stillstand angesagt. „Da müssen wir jetzt einfach mal warten“, höre ich von Mitfahrern. Die Rede ist von einer Stellwerkstörung in Trudering auf der Strecke nach Grafing. Möglicherweise war’s das Unwetter.
Die BRB-Regiobahn wird schließlich nach Holzkirchen und von da nach Rosenheim umgeleitet, vorher müssen am Ostbahnhof noch zeitraubende Rangierarbeiten vorgenommen werden. Bei diesen Hindernissen kommen schnell ein paar Stunden Verspätung zusammen. Aber es gibt eben höhere Gewalt, und mir ist klar: Aufregung hilft nicht weiter, nimm es hin, wie es kommt.
Ankunft nach elfstündiger Reise
In Rosenheim komme ich um 21.50 Uhr an, leider aber fährt mir der Anschlusszug nach Wasserburg vor der Nase davon, 50 Minuten beträgt der Zeitverlust. 22.40 Uhr geht es dann auf die letzte Etappe nach Wasserburg, kurz nach 23 Uhr hab ich’s endlich geschafft. Nach einer elfstündigen Reise brachte mich die Bahn zurück nach Hause. Normalerweise wäre die Strecke locker in der Hälfte der Zeit zu schaffen gewesen, mit Neun-Euro-konformen Regionalzügen. Auf den Bus in die Stadt hinein will ich mich aber nicht verlassen, meine Tochter wartet mit dem Auto am Bahnhof Reitmehring. Das Abenteuer „9-Euro-Ticket“ ist zu Ende. Alles hat eben seinen Preis.
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