Vorpremiere in Sachrang
„Ich versuche ein guter Soldat des Kinos zu sein“ - Filmporträt über Werner Herzog
Der Regisseur Thomas von Steinaecker hat einen Film gemacht über einen der größten Filmemacher unserer Zeit, Werner Herzog. Eine der Vorpremieren fand in Sachrang statt, wo Herzog bis zu seinem elften Lebensjahr aufwuchs.
Sachrang – Berlin, Frankfurt, Sachrang: Nein, es geht hier nicht um einen neuen Song (in Abwandlung des Lieds der Sportfreunde Stiller „Rio, New York, Rosenheim“), sondern um die Reihenfolge der Vorpremierenorte für den Film „Werner Herzog - Radical Dreamer“. Wieso ausgerechnet Sachrang?
Ein Schiff über die Berge ziehen
Wer es nicht schon vorab wusste, der wurde spätestens während der Filmvorführung (der Aschauer Heimat- und Geschichtsverein und der Filmclub film//riss als gemeinsame Gastgeber) und beim Gespräch mit Regisseur Thomas von Steinaecker und Jugendfreunden von Werner Herzog gewahr, woher so manche Vision stammt.
Das Unmögliche möglich machen
Ein Schiff über die Berge zu ziehen, „that’s fresh.“ Dieses Bild rührt aus dem Film „Fitzcarraldo“ (1982), bei dem Fitzcarraldo (gespielt von Klaus Kinski) einen Flussdampfer, der als Transportmittel für die Realisierung eines Opernhauses mitten im Dschungel herhalten muss, über die Berge ziehen lässt. Carl Weathers, US-amerikanischer Schauspieler, Nicole Kidman, Robert Pattinson oder Christian Bale: Sie alle haben mit Werner Herzog gedreht. Auch Regisseure wie Chloe Zhao (sie gewann 2021 den Oscar mit Nomadland), Wim Wenders und Volker Schlöndorff loben Herzogs Schaffen; Das Unmögliche möglich, das Unmachbare machbar machen, Mensch im Kampf gegen das scheinbar Unmögliche, das alles ziehe sich wie ein roter Faden durch sein Werk.
Im Film versucht Thomas von Steinaecker, mit Filmausschnitten, sei es in „Nosferatu - Phantom der Nacht“ (1979), eine Hommage an Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm „Nosferatu - eine Symphonie des Grauens,“ in „Königin der Wüste“ (2015“) oder im Dokumentarfilm „Begegnungen am Ende der Welt“ (2007), die vielen Facetten des Filmemachers Herzog zu ergründen. Von Steinaecker präsentiert Herzog beim Drehen auf Lehrgängen mit angehenden Regisseuren auf Lanzarote, er lässt Herzog vor der Kamera über die Dreharbeiten zum Dokumentarfilm Grizzly Man (2005) berichten und Resi mit ihm an den Drehort für „Auch Zwerge haben klein angefangen“ (1970). Herzogs Ehefrau Lena, eine Fotografin, und sein Bruder Luki Stipeti (der Nachname des Vaters) kommen ebenfalls zu Wort. Auch hier wird deutlich: Werner Herzog will mit seinen Filmen auf ästhetische Weise Träume, Visionen, Erinnerungen wahr werden lassen. Dass dies nur dank seines auf dem Boden der Tatsachen haftenden und finanz-erfahrenen Bruders Luki möglich ist, bleibt im Film nicht unerwähnt, ebenso wie gefährlich so mancher Dreh war,
Jugendliche Unbekümmertheit
Dass in den Stromschnellen des Amazonas nie etwas passierte, sei wohl der jugendlichen Unbekümmertheit geschuldet gewesen, bekennt seine erste Ehefrau Antje freimütig vor der Kamera. Werner Herzog selbst zieht Resümee: „Ich versuche ein guter Soldat des Kinos zu sein.“ Dass seine Cutterin seine Filme als Buben-Filme bezeichnete, sorgte für Schmunzeln, ebenso die Ausschnitte aus den „Simpsons“ und aus „Star Wars - Mandalorian.“ Sein Englisch mit einem harten bayerischen Akzent verdient einen Ikonen-Status. Dass Herzog eigens aus den USA für Filmszenen nach Sachrang zurückkehrte, wie im Film zu sehen war, war berührend. Die Oberkaseralm, der Wasserfall bei Sachrang, sein Wohnhaus und die Sprungschanze (statt der Ruine in Sachrang wich Regisseur von Steinaecker hier auf die Schanze in Oberaudorf aus) haben Werner Herzog nachhaltig geprägt. Ebenso das Wandern und Übernachten in freier Natur mit seinen Jugendfreunden und das Skispringen. Als sein bester Jugendfreund von damals, Rainer Stikowski, schwer stürzt, beendet Herzog seine Skispringerkarriere: „Von da an war mir klar, dass ich Filme machen wollte.“ Die Lust am Fliegen, schlussendlich verfilmt in „Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner“ (1974). Regisseur Thomas von Steinaecker stellte sich nach dem Film den Fragen von Georg Antretter, BR-Redakteur aus Sachrang, und des Publikums.
Zwei Jahre lagen zwischen Idee und fertigem Film berichtete der Regisseur freimütig, und dass seine Kritik am Selbstlob Herzogs nicht im Vordergrund stehen dürfe. Gleichwohl habe er, von Steinaecker, großen Respekt vor Herzog. Dass Herzog den ganzen Film durchwegs englisch spricht (durchgängig mit deutschen Untertiteln), sei der Tatsache geschuldet, dass der Film hälftig von deutschen und amerikanischen Fonds gefördert wurde, so von Steinaecker weiter.
In den USA mehr Anerkennung als hier
Dabei lässt er - Gentleman like - Filmausschnitte unerwähnt, in denen Herzog davon berichtet, wie er bei der Präsentation seines Films „Lektionen in Finsternis (1992) auf der Berlinale ausgebuht und bespuckt wurde, und dass Herzogs Werk in Amerika weitaus mehr Anerkennung bekommt als in Deutschland. Im Film sagt Herzog über sich selbst: „Ich sollte aufhören, Filme zu machen, und mich direkt in die Irrenanstalt einweisen lassen.“
Kinostart am Donnerstag, 27. Oktober
Schon dieses Statement von Werner Herzog, abgegeben hinter den Kulissen von „Fitzcarraldo“ (1982), zeigt, dass die hinreichend dokumentierte Entstehungsgeschichte des Klassikers kaum weniger irre ist als seine Hauptfigur, verkörpert von Klaus Kinski, dem Herzog später auch den Film „Mein liebster Feind“ (1999) widmete.
Der offizielle Startschuss für den Film ist Donnerstag, 27. Oktober.