„Die Impfpflicht ist der erfolgsversprechende Weg“
Deutliche Unterschiede zum Impf-Spitzenreiter: Was macht Bremen anders als Rosenheim?
Um die Impfquote in der Region zu erhöhen, setzt die Stadt unter anderem auf Sonderimpftage. Wer will, kann sich den Pieks in den Oberarm im Rathaus, der Volkshochschule oder der Erlöserkirche abholen. Doch reicht das? Und was machen andere Kommunen anders?
Rosenheim/Bremen – Zwischen Bremen und Rosenheim gibt es viele Unterschiede. Neben Lage, Größe und Einwohnerzahl wäre der wohl gravierendste im Moment die Impfquote. Während in Bremen fast 80 Prozent vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind, liegt die Quote in Rosenheim bei 60 Prozent. Diskussionen darüber, warum sich viele Menschen in der Region nicht impfen lassen, hat es in der Vergangenheit zur Genüge gegeben. Interessanter ist es, sich anzuschauen, was der Impf-Spitzenreiter in den vergangenen zwei Jahren anders gemacht hat.
Wie sich die Infektionen verteilen
„Die direkte Ansprache war bei uns ein wichtiger Baustein“, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernard (Linke). Im vergangenen Herbst habe man damit angefangen, zu analysieren, wie sich Infektionen in der Stadt verteilen. „Die Ergebnisse sind nicht überraschend“, sagt Fuhrmann.
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So würden sich in ärmeren Stadtteilen mehr Menschen anstecken als in wohlhabenden. „Uns war dementsprechend klar, dass wir in genau die Stadtteile mit hohen Inzidenzen auch mit Impfangeboten müssen“, sagt der Sprecher. Seit Mai gibt es in den Stadtteilen temporäre Impfzentren, seit Juni sind Impftrucks unterwegs – große Sattelschlepper, die fast jeden Tag an anderen Orten stehen und Impfungen ermöglichen. „Wir bringen die Impfung also quasi bis an die Haustür“, sagt Fuhrmann.
6.000 Menschen an über 60 Sonderimpftagen geimpft
Einen ähnlichen Weg hat Rosenheim eingeschlagen. So hat es in der Stadt über 60 Sonderimpftage gegeben, bei denen circa 6.000 Menschen das Vakzin verabreicht wurde. Geimpft wurde in Bürgerhäusern, in der Volkshochschule und im Impfbus mitten auf dem Max-Josefs-Platz. In der Endorfer Au – einem der Viertel mit vielen sozialschwachen Familien – hat es sogar zwei Aktionen im Bürgerhaus gegeben. „Die wurden sehr gut angenommen“, sagt Anwohnerin Anita Eggart.
Angst, vor der Impfung
Vor den Terminen habe sie Plakate aufgehangen, damit auch wirklich jeder informiert war. Am Ende hätten sich rund 200 Menschen impfen lassen. „Ich glaube nicht, dass man die anderen Anwohner, die bis jetzt noch ungeimpft sind, erreichen kann“, sagt Eggart. Einige hätten Angst, andere würden nicht daran glauben, dass die Impfung etwas bringe.
Skepsis ist nach wie vor groß
Die Skepsis ist auch nach fast zwei Jahren Pandemie noch groß. Nicht nur in Rosenheim, sondern auch in Bremen. „Das Angebot alleine bringt skeptische Menschen nicht zur Impfung“, weiß Lukas Fuhrmann. Also hat man in Bremen eine eigene Info-Kampagne in sieben Sprachen gestartet. „Wir sind direkt auf verschiedene Akteure in den Stadtteilen zugegangen, haben diese in die Impfkampagne eingebunden und darüber Communities erreichen können, die sonst vielleicht verschlossen bleiben“, erklärt der Bremer.
Gesundheitsfachkräfte in Quartieren unterwegs
Zudem habe man Gesundheitsfachkräfte eingestellt, die genau in den Quartieren unterwegs sind, in denen es hohe Inzidenzen gibt. Deren Aufgabe sei es, die Bürger – in mehreren Sprachen – über Corona zu informieren und aufzuklären. Sei es an Infoständen, die Teilnahme an Beratungsterminen, in Kulturzentren oder Cafés.
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„Das ist natürlich aufwendig und kostet nicht nur Ressourcen, sondern auch Geld. Aber es lohnt sich“, sagt der Sprecher. So gelinge, dass der Anspruch, flächendeckende Impfangebote zu machen, tatsächlich umgesetzt werden könne. Zusammengefasst heißt das: Der Impf-Spitzenreiter im Norden setzt auf Kommunikation und niedrigschwellige Impfangebote.
Sonderimpftage abgesagt
Und Rosenheim? Nachdem ein Großteil der geplanten Sonderimpfaktionen aufgrund einer Impfstoffknappheit abgesagt werden mussten, ruhen die Hoffnungen auf dem Impfzentrum. Ab Mitte Dezember soll dort das Vakzin auf 15 Impfstraßen verabreicht werden.
Vorerst kein Streetworker-Einsatz
Den Einsatz von sogenannten Streetworkern, die von Tür zu Tür gehen und über die Impfung aufklären, wie es in der jüngsten Sitzung des Stadtrates vorgeschlagen wurde, soll es vorerst nicht geben.
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„Eine solche Aktion wäre in hohem Maße ineffizient, weil aus Datenschutzgründen nicht bekannt ist, wo es räumliche Cluster Ungeimpfter gibt“, teilt die Rosenheimer Verwaltung auf Anfrage mit. Hinzu komme, dass man in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen mit Direktansprachen gemacht habe.
Gemeint ist die Situation im September, als Oberbürgermeister Andreas März und Landrat Otto Lederer aufgrund der hohen Corona-Zahlen einen Brief an mehr als 5.000 südosteuropäische Bürger geschickt hatten und dafür heftige Kritik erhalten hatten.
Der Schlüssel zum Erfolg
Stattdessen hofft man in Rosenheim auf ein baldiges Greifen der Impfpflicht. „Das ist der erfolgsversprechende Weg“, heißt es aus dem Rathaus. In Bremen arbeitet man im Moment daran, die Impfquote noch weiter zu steigern.