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HIV-Schwerpunktpraxis an der Salinstraße in Rosenheim

Facharzt aus Rosenheim: Das solltet Ihr über HIV und Aids unbedingt wissen

Dr. Michael Iberer leitet die HIV-Schwerpunktpraxis an der Salinstraße in Rosenheim
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Dr. Michael Iberer leitet die HIV-Schwerpunktpraxis an der Salinstraße in Rosenheim 

Seit 40 Jahren ist das HIV-Virus, welches zur Immunschwächekrankheit Aids führen kann, bekannt. Erst seit drei Jahren gibt es auch in der Region eine Praxis in Rosenheim. Wir haben mit Dr. Michael Iberer darüber gesprochen, wie der Betrieb dort abläuft, wie das Wissen über die Krankheit in der Region ist und wie eine Behandlung genau aussieht.

Rosenheim - „HIV ist behandelbar! Es ist kein Todesurteil mehr. Ein Leben damit kann ein weitgehend normal sein. Wenn sie ihre Behandlung und Medikation befolgen, sind Patienten nicht ansteckend. Überhaupt: In jedem Fall können Sie vom selben Löffel essen, aus dem gleichen Glas trinken, diese Menschen umarmen, küssen und so weiter. Wenn die Behandlung angelaufen ist, droht auch bei Sex keine Ansteckung mehr“, appelliert Dr. Michael Iberer an unsere Leser. Wir treffen ihn in seiner „Salinpraxis“ nahe dem Salingarten in Rosenheim. „Der wichtigste Punkt ist aber: Trauen Sie sich bitte, zum Arzt zu gehen!“

HIV - Das Kürzel steht für „Humanes Immundefizienz-Virusalso Menschliches Immunschwäche-Virus oder Menschliches Immundefekt-Virus steht genaugenommen für gleich zwei Virenarten. Eine unbehandelte Infektion führt nach einer, von Fall zu Fall unterschiedlich langen aber in der Regel mehrjährigen symptomfreien sogenannten „Latenzphase“ in der Regel zu AIDS, dem „acquired immunodeficiency syndrome‚ also „erworbenes Immundefizienzsyndrom“. Seine Entdeckung jährte sich kürzlich zum 40. Mal. Seit Anfang der 1980er Jahre hat sich dessen Verbreitung zu einer Pandemie entwickelt, welche nach Schätzungen des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) bisher mindestens fast 41 Millionen Menschenleben gefordert hat. „Hierzulande ist es inzwischen gut behandelbar“, betont Iberer, „Die Zahl der Patienten nimmt, auf niedrigem Niveau, zu. Wobei da hineinspielt, dass sich die Zahl schlicht dadurch erhöht, dass kaum noch jemand vorzeitig stirbt und somit die Patientenzahl steigen kann.“

HIV-Schwerpunktpraxis an der Salinstraße in Rosenheim : Vorher musste man nach München

„Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) gibt es derzeit insgesamt 25 HIV-Schwerpunktpraxen, in Form von Medizinischen Versorgungszentren, Gemeinschafts- oder Einzelpraxen, in Bayern. In diesen 25 Schwerpunktpraxen arbeiten insgesamt 39 Ärzte mit einer Genehmigung nach der Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen nach § 135 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur spezialisierten Versorgung von Patienten mit einer HIV-Infektion beziehungsweise Aids-Erkrankung“, erklärt das Bayerische Gesundheitsministerium in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordnete Florian Siekmann (Grüne) über den Stand der Dinge bei HIV-Praxen in Bayern. Von den 13 Praxen in Oberbayern seien zehn in München sowie jeweils eine in den Landkreisen Rosenheim, Starnberg und Traunstein.

„Uns gibt es seit dem April 2020“, berichtet Dr. Michael Iberer, „Davor gab es hier in der Region keine Praxis und die Menschen hier mussten nach München. Wir haben hier daher viele Patienten aus, unter anderem, den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land und immer mehr wechseln von Kollegen in München zu uns.“ Iberer ist Lungenfacharzt und Internist. „Über meine Beschäftigung mit Tuberkulose kam ich darüber hinaus zu einer Spezialisierung als Infektiologe. Dabei wiederum ist die Behandlung von HIV ein wichtiger Punkt. In der Folge habe ich mich an der Uniklinik in Regensburg bei Professor Dr. Bernd Salzberger weitergebildet.“ Dieser gehört, nach Angaben des Klinikums, in seinem Fachbereich zu Deutschlands Top-Medizinern.

Noch immer Unwissen und Vorurteile

„Dann war ich eine Weile am RoMed-Klinikum Rosenheim als Infektiologe tätig“, fährt Iberer fort. „Schließlich ergab es sich, dass ich die Hausarzt-Praxis von Herrn Dr. Bergmaier hier an der Salinstraße übernehmen konnte.“ Diese befindet sich nun unmittelbar am Salingarten. „So konnte hier endlich eine wichtige Lücke geschlossen werden, damit die Betroffenen nicht mehr bis nach München fahren müssen.“ Zudem biete die Tatsache, dass es sich in erster Linie um eine Hausarzt-Praxis handle, einen willkommenen Grad an Diskretion. „Denn wir sind in den 40 Jahren seit der Entdeckung dieser Krankheit schon weit gekommen. Aber es ist damit immer noch ein Stigma damit verbunden.“

„Es ist weiterhin eine schambehaftete Erkrankung und die Betroffenen scheuen sich daher teilweise, zum Arzt zu gehen. Ich muss weiterhin meinen Patienten sagen: Überlegen Sie sich gut, wem in Ihrem Umfeld Sie davon erzählen“, klagt Iberer, „Denn leider sind immer noch viel zu viele Leute nicht so aufgeklärt, wie es gut wäre. In der Folge kann es zu teils drastischer Ablehnung und Stigmatisierungen sowohl im Arbeits- wie auch im privaten Umfeld kommen. All das ist natürlich unbegründet und beruht im immer noch viel zu geringen Wissen über HIV und weiterhin im Umlauf befindlichen Vorurteilen.“

Weiterhin mit Schuldunterstellung behaftet

Allem voran, dass Betroffene selbst schuld an ihrer Erkrankung seien. „Mal abgesehen davon, dass das natürlich eine Unterstellung ist, welche die Bereitschaft der Menschen sich behandeln zu lassen senkt, kommt noch dazu, dass es jemanden auf alle möglichen Arten und Weisen erwischen kann“, gibt Iberer zu bedenken, „Da wäre erst einmal der Fakt, dass unbehandeltes HIV erblich ist. Wir haben hier ein Kind in Behandlung, welches es schlicht von seiner Mutter übertragen bekam. Und es betrifft auch bei weitem nicht ‚nur‘ homosexuelle Menschen oder Drogenkonsumenten. Wir haben auch Fälle, in denen Leute das schlicht als ‚Souvenir‘ aus dem Urlaub in einem Land, in dem die Krankheit massiv in der Bevölkerung verbreitet ist, mitgebracht haben. Dabei darf man nicht vergessen: Bei uns mag HIV vor allem unter homosexuellen Männern verbreitet sein, in anderen Ländern sind vor allem Frauen betroffen.“

Wenngleich es niemandes Schuld sei, wenn er sich eine HIV-Infektion zuzieht, sollte man dann aber eine entsprechende Behandlung wahrnehmen. „Es gibt, wie gesagt, leider immer noch nicht wenige Erkrankte, die sich nicht damit zum Arzt trauen oder es sogar verleugnen. Das ist ein Problem bei den meisten Geschlechtskrankheiten, aber vor allem auch in diesem Fall.“ Auch wenn die aktuelle Generation zweifellos aufgeklärter und offener sei, gäbe es trotzdem weiterhin Wissenslücken und Nachholbedarf. 80 Patienten habe seine Praxis momentan. „Ein Querschnitt durch die Gesellschaft: Alte und Junge, aus allen möglichen Hintergründen. Migranten und Flüchtlinge sind davon übrigens eine verschwindende Minderheit, sie machen gerade mal eine Handvoll aus.“

Krankheit, mit der man bei der richtigen Behandlung so gut wie normal leben kann.“

Ein neuer Patient erhalte erst einmal eine umfassende Diagnostik und einen „Rundum-Check“ auf Infektionen. „Wenn feststeht, in welchem Stadium die Krankheit ist, entscheiden wir gemeinsam die weitere Behandlung“, erläutert Iberer, „Anfangs sehen wir uns noch häufiger, dann immer nur auf kurzen Terminen. Dabei wird dann Blut abgenommen und untersucht sowie die Medikamente eventuell angepasst und neue Rezepte ausgestellt.“ Auch wer nicht direkt hausärztlich bei ihnen in Behandlung sei, könne die Versorgung und Beratung in Abstimmung mit dem Hausarzt erhalten.

Zu den „aktiven“ HIV-Patienten kämen noch etwa 200 „PrEP“-Empfänger. Die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) bezeichnet die Einnahme bestimmter Medikamente durch Menschen aus Risikogruppen. „Die sehen wir alle drei Monate.“ Fast 300 Patienten aus diesem Bereich habe er also. „Dazu noch der hausärztliche Normalbetrieb, sagen wir mal uns wird es nicht langweilig.“ Trotzdem könne bei Bedarf zeitnah, binnen weniger Tage ein Termin organisiert werden. „Um es abschließend noch einmal zu sagen: Es ist inzwischen eine Krankheit, mit der man bei der richtigen Behandlung so gut wie normal leben kann.“

hs

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