Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Das gibt‘s nur in Kolbermoor

Ausgefallene Wahrzeichen der Stadt: Die Geschichte hinter Kolbermoors einzigartigen Abfallkörben

Das Schmiedeteam: (von links) Michael Ertlmeier, Ryan Thiele, Michael Paul, Andreas Kloster und Hans Reif. Nicht auf dem Bild ist Samuel Deinhart.
+
Das Schmiedeteam: (von links) Michael Ertlmeier, Ryan Thiele, Michael Paul, Andreas Kloster und Hans Reif. Nicht auf dem Bild ist Samuel Deinhart.

Abfallkörbe als Wahrzeichen einer Stadt? Klingt zunächst komisch, hat aber seine Berechtigung. Denn solch besondere Behältnisse finden sich nirgendwo sonst: Jeder von den mittlerweile fast 80 Stück ist ein Unikat. Jeder versteckt einen humorvollen Verweis auf den Ort, an dem er steht. Alle sind handgeschmiedet– und das von jungen Leuten unter der Anleitung von zwei Vollprofis im Schmiedehandwerk: Michael Ertlmeier und Hans Reif.

Kolbermoor – Angefangen hat alles im Jahr 2007. Da brachte Hans Reif zur Schmiedebiennale einen Abfallkorb mit, der mit seinem freundlichen Gesicht geradewegs dazu zwang, ihn zu „füttern“. Bürgermeister Peter Kloo erkannte sofort den möglichen Doppelnutzen: Nicht nur für Sauberkeit in der Stadt zu sorgen, wäre durch solch witzige Abfallkörbe möglich.

Es wäre auch eine Chance, „unseren jungen Rabauken einmal zu zeigen, wie viel Arbeit in so einem Stück Handwerk steckt“, wie es der Bürgermeister damals formulierte. Denn auch in Kolbermoor ging Vandalismus um, dem immer wieder öffentliches Mobiliar zum Opfer fiel. Besser als Strafen sei es da, die jungen „Übeltäter“ einmal produktiv statt destruktiv tätig werden zu lassen, so die Überlegungen. Dagmar Badura, die damalige Leiterin des Bürgerhauses, war sofort mit im Boot, und so startete bereits im Jahr 2008 die erste Schmiedewoche. Mittlerweile wird sie nur noch zu einem kleinen Prozentsatz durch ein Programm der Städtebauförderung, zum überwiegenden Teil aber durch die Stadt finanziert.

Schon seit vielen Jahren sind es auch nicht mehr die „bösen Buben“ die sich einmal im Jahr zum Schmieden für die Stadt zusammenfinden, sondern vielmehr ehrgeizige junge Männer, manchmal auch Frauen. Die Schmiedewoche hat sich mittlerweile zu einer Praktikumsveranstaltung gewandelt, mit der Schüler der Pauline-Thoma-Schule ihre Chancen bei der späteren Arbeitsplatzsuche erhöhen können.

Besondere Qualifikationen

„Schlüsselqualifikationen nachzuweisen“ sei das entscheidende Stichwort, sagt dazu Elisabeth Kalenberg, die Hauptamtsleiterin der Stadt. Damit ist nichts anderes gemeint, als dass die jungen Leute zeigen, dass sie nicht nur die Schulbank drücken können, sondern auch in der Lage sind, echte Arbeitstage durchzustehen. Und das ist nicht nur übertragen, sondern durchaus wörtlich zu verstehen. Acht Stunden stehen ist für jemanden, der sonst nur sitzt, mehr als ungewohnt. Zudem ist es in der Schule möglich, zumindest ab und zu nur noch körperlich anwesend zu sein, geistig aber ganz weit weg. In der Schmiedewoche haben die Schüler zwischen Amboss und Esse dazu keine Chance. Da sind volle Konzentration und ganzer Einsatz gefragt – Schlüsselqualifikationen eben.

Dem Team, das in diesem Jahr beim Schmieden war, konnte man deshalb im Verlauf der Woche die ungewohnte Anstrengung schon ein bisschen anmerken, wenn das auch keiner der vier zugegeben hätte. Zu spannend und interessant fanden Ryan Thiele, Michael Paul, Andreas Kloster und Samuel Deinhart ihr kurzfristiges Berufsfeld. Faszinierend war auch, wie schnell die Vier lernten. Etwas übertrieben gesagt, musste man ihnen Anfang der Woche noch zeigen, wie ein Hammer aussieht. Am Ende aber hämmerten, bohrten und flexten sie so, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Dies ist natürlich auch der Führung durch die beiden Schmiedemeister zu verdanken, die gern mit Jugendlichen arbeiten und sich in ihre „Lehrlinge“ gut hineinversetzen können.

Erst rechnen, dann Konzentration beim Bohren: Andreas Kloster (links) und Michael Paul beim Bau der Rahmen der Abfallkörbe. Im Hintergrund Hans Reif.

Michael Ertlmeier zum Beispiel sagte zu einem der Vier, der zu Anfang noch sehr zaghaft und schüchtern auf das rotglühende Stahlstück einklopfte: „Hau zu, denk einfach an die nächste Matheprobe.“ Und siehe da: Mit einem Mal waren die Schläge kraftvoll und im Takt. Apropos Mathe: Noch eine Erfahrung machten die vier Azubis auf Zeit: Nämlich dass das, was in der Schule gelehrt wird, beileibe nicht nur alltagsfremde Theorie ist. Vor dem Biegen der Abfallkorb-Rahmen war Mathe gefragt, das Rechnen und logische Überlegen, denn nur auf diese Weise lässt sich ein gerades Stahlstück so aufteilen, dass nach dem Biegen auch wirklich ein tauglicher Rahmen dabei herauskommt.

Stählerner Genuss: Pizza mit Salami

Mehr Spaß noch als die Umrahmung machte allen, so berichteten sie am Ende der Schmiedewoche, das sogenannte „freie Schmieden“ – also das Verzieren der Abfallkörbe. Jeder, das ist Tradition, bekommt einen Verweis auf den Ort, an dem er stehen wird. So wurde etwa der Abfallkorb, der vor dem „Milano“ stehen soll, mit einer Pizza versehen – samt geschmiedeter Auflage aus Salami, Peperoni und Pilzen.

Auch das will gelernt sein: Metall effektiv und dabei kraftsparend zu sägen, wie es Michael Ertlmeier (rechts) hier Ryan Thiele zeigt.

Für die vier Jugendlichen war es eine faszinierende Erfahrung, wie aus einem Stück geraden Stahls so viele unterschiedliche Formen entstehen können. Und das Erlebnis, mit der eigenen Hände Arbeit etwas Schönes und Nützliches zu schaffen, ist am Ende wohl noch mehr wert als die Praktikumsbestätigung.

Kommentare