Ende von Wechsel- und Distanzunterricht
Nach Corona-Lockdown: Wie Rosenheims Schulen Wissenslücken schließen wollen
Mit dem Wechsel- und Fernunterricht während des Corona-Lockdowns ist nicht jeder Schüler problemlos zurechtgekommen. Um Lerndefizite auszugleichen, hat der Freistaat ein Förderprogramm vorgestellt. Nicht alle Schulleiter sind vom Konzept überzeugt.
Rosenheim – Bayerns Kultusministerium hat seine Vorstellung schon geäußert: Vor allem zweiwöchige Kurse während der Sommerferien sollen mögliche Lerndefizite ausgleichen, die während der Distanz- und Wechselphasen entstanden sind.
In den Schulen soll die Förderung in einer ersten Phase schon nach den Pfingstferien beginnen, wie der Leiter des Staatlichen Schulamts Rosenheim, Edgar Müller, berichtet. Das Gesamtprogramm des Kultusministeriums trägt den Namen „gemeinsam.brücken.bauen“ und soll auch im kommenden Schuljahr fortlaufen.
Konzept mit zwei Säulen
Dabei sei das Schließen von Lernlücken nur eine von zwei Säulen. Ebenso sollen die Schüler in ihrer Sozialkompetenz Förderung erhalten. Wie das genau funktioniert, kann Müller als fachlicher Leiter für die Grund- und Mittelschulen noch nicht sagen. Bislang fehlen zu den Plänen des Kultusministeriums noch die zugehörigen Ausführungsbestimmungen.
Die Lücken erkennen
So oder so müssten die Lehrkräfte zunächst erkennen, mit welchen Lücken die Buben und Mädchen in den Präsenzunterricht zurückkehren. „Erst mal müssen wir den Lernstand einschätzen“, sagt der Schulamtsleiter. Frühestens dann könnten die Lehrer gemeinsam mit den Eltern entscheiden, welche Förderung ihre Kinder tatsächlich benötigen.
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Wobei sich Müller durchaus vorstellen kann, dass nach Monaten des Distanzunterrichts bei vielen Schülern Nachholbedarf besteht. Auch wenn man das bei einzelnen Schülern wohl erst nach den kommenden Ferien beurteilen könne.
Einsatz von Teamlehrern
Mögliche Lücken im Unterrichtsstoff sollen sogenannte „Lernstandserhebungen“ bei den Schülern offenlegen – online, aber auch in analoger Form, wie das bayerische Kultusministerium auf Anfrage schildert. „Die Auswahl des passenden Instruments ist eine pädagogische Entscheidung und muss in Abhängigkeit vom Alter der Lernenden, der fachlichen Situation und den individuellen Voraussetzungen der Schule erfolgen“, heißt es aus der Behörde.
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„Knackpunkt wird das Personal sein“, meint Schulamtsleiter Müller. Geld stelle der Freistaat zwar in Aussicht, doch letztlich gehe es auch darum, geeignete Kräfte zu finden. Hierfür sieht zumindest Bayerns Kultusministerium auch den Einsatz sogenannter Teamlehrer vor, also Personen mit fachlicher Hochschulausbildung, jedoch ohne fachdidaktische Kenntnisse.
Kinder dort abholen, wo sie gerade sind
Das zumindest bedeutet für den Leiter der Rosenheimer Johann-Rieder-Realschule, Wolfgang Forstner, zusätzlichen Aufwand. Er muss den Nachhilfelehrern eine pädagogisch geschulte Kraft zur Seite stellen, die einschätzen kann, ob die Aushilfskräfte bei ihrem Tempo und in ihrem Vorgehen auch tatsächlich richtig liegen.
Vor allem aber will Forstner seine Schüler erst mal ankommen lassen. Das bedeutet mit Beginn des Präsenzunterrichts zunächst ausschließlich Zeit mit dem Klassenlehrer. „Die Lehrkräfte sollen die Chance haben, die Kinder abzuholen, wo sie sich gerade befinden“, sagt der Schulleiter.
Wochenstunden aufstocken
Doch wohl nicht überall finden die Pläne aus dem Kultusministerium bei Schülern und Eltern Anklang. Zumindest eine mündliche Abfrage bei den Abschlussklassen habe gezeigt: Die Schüler hätten kein Interesse an zusätzlichem Unterricht. Auch die laufenden Zusatzangebote der Schule fänden kaum Anklang.
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Von Kursen während der Sommerferien hält Forstner indes nichts. Die Urlaube für die ersten Wochen hätten viele Eltern bereits gebucht und in der Kernzeit der Ferien „muss auch mal Ruhe sein“, findet er. Stattdessen setzt der Schulleiter darauf, die Unterrichtszeit im kommenden Schuljahr um zehn Wochenstunden aufzustocken. Damit will man Defizite in den Kernfächern ausgleichen.
Kinder zunächst ankommen lassen
Auch für den Leiter des Rosenheimer Ignaz-Günther-Gymnasiums geht es zunächst darum, die Kinder im Präsenzunterricht ankommen zu lassen. „Wir schauen dann ganz in Ruhe, was Sache ist, und dann werden wir tätig. Wenn die Schüler erst mal in der Schule sind, wissen wir schon mehr und werden ihnen viele Angebote machen, die sie annehmen können, nicht müssen“, sagt Friedl.
Wichtig sei zunächst, das soziale Miteinander zu stärken. Dazu gehöre auch, gemeinsam mit den Schülern zu feiern – wenn es die Lage wieder zulasse. „Es wäre in meinen Augen ein Fehler, nur noch nach Lücken zu suchen“, sagt der Schulleiter.