Gymnasiastinnen zeigen in Europa ihr Können
Was die Bruckmühler Akrobatik-Gruppe „AkroLaVida“ so außergewöhnlich macht
Für die Schülerinnen ist es mehr als ein Wahlfach. Es ist „wie eine zweite Familie“. Was hinter der Akrobatikgruppe „AkroLaVida“ am Gymnasium Bruckmühl steckt und welche Ehre den jungen Akrobatinnen im Sommer zuteil wird.
Bruckmühl – Kaum ertönen die ersten Klänge der klassisch angehauchten Cover-Version des Metallica-Hits „Nothing else matters“ aus den Boxen in der Gymnasiums-Aula, schon ist der Titel des Songs bei den 24 Schülerinnen im wahrsten Sinne des Wortes Programm. Nothing else matters – nichts anderes zählt jetzt, als die volle Konzentration auf die akrobatischen Elemente, die im Einklang mit der Musik stehen sollen. Jeder Schritt, jeder Handgriff muss sitzen, damit beispielsweise spektakuläre Hebefiguren nicht im Chaos – oder im schlimmsten Fall mit Verletzungen – enden. Doch auch an diesem Übungstag zeigt die Showgruppe „AkroLaVida“ des Bruckmühler Gymnasiums wieder: Hier sind, dem jungen Alter der Akteure zum Trotz, absolute Profis am Werk.
Als Sport- und Mathematik-Lehrer Christian Maier 2014 das Wahlfach Akrobatik, aus dem letztlich auch die Akrobatikgruppe „AkroLaVida“ hervorging, ins Leben rief, ahnte der heute 57-Jährige sicherlich nicht, wie erfolgreich das Unterfangen Jahre später werden würde. Ein Unterfangen, dass Maier und seine Schülerinnen zu verschiedenen Veranstaltungen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus führen sollte.
44 Schülerinnen nehmen derzeit am Wahlfach teil
Aktuell besteht die Akrobatikgruppe aus 44 Schülerinnen ab der fünften Klasse. Auch einzelne Schüler hatten schon zur Gruppe gehört, sich aber nach wenigen Einheiten schnell wieder verabschiedet. Diese sogenannte Basisgruppe trainiert jeden Freitag für eineinhalb Stunden. 24 der 44 Schülerinnen bilden zudem die Showgruppe „AkroLaVida“, die freitags zwei Stunden länger trainiert und oftmals auch am Wochenende zusammenkommt, um am Showprogramm zu feilen. Das liegt von der Musikauswahl bis zur Choreographie bislang ausschließlich in den Händen Maiers, aber: „Ich möchte da hin, dass die Schülerinnen da eingebunden werden und irgendwann selbst diese Auswahl übernehmen.“
Volle Konzentration: So spektakulär sind die Darbietungen der Akrobatikgruppe „AkroLaVida“




Doch was macht das Thema Akrobatik für den 57-Jährigen, der vor diesem Engagement vor allem beim Handball aktiv war, eigentlich aus? „Zum einen bekommen die Teilnehmer ein unglaubliches Gefühl für den eigenen Körper, für die körperlichen Begabungen“, sagt der Gymnasiallehrer. Zum anderen sei es eine hervorragende Schule fürs Leben, denn: „Man lernt Vertrauen zu entwickeln und Verantwortung für andere zu übernehmen.“
Als Beispiel führt Maier Figuren an, bei denen beispielsweise Schülerinnen im Handstand auf den Händen ihrer Mitstreiterinnen balancieren. „Sie wissen, dass sie von ihren Partnerinnen getragen und gehalten werden“, sagt der 57-Jährige. „Und sie wissen, dass sie auch aus einer Höhe von fünf Metern immer gesund herunterkommen.“ Maier: „Das ist fast schon eine existenzielle Erfahrung, die dabei gemacht wird.“ Wie gut das Ganze funktioniert, lasse sich letztlich auch an der Verletzungshistorie ablesen: „Im Vergleich zu anderen Sportarten sind wir nahezu verletzungsfrei.“
Und noch einen dritten Punkt, wieso ihn Akrobatik zu fasziniert, führt der Sport- und Mathe-Lehrer an: „Das ist für mich Kunst, was wir hier machen“, sagt der 57-Jährige. „Letztlich geht es ja um eine Form von Interpretation der Musik mithilfe verschiedener Akrobatik.“ So kommen bei der Showgruppe auch mal Keulen und Feuer zum Einsatz, um den Showeffekt noch zu verstärken.
Maier ist ohne Zweifel Feuer und Flamme für das Wahlfach – doch sind‘s die Teilnehmerinnen auch? „Für mich ist das wie eine zweite Familie“, sagt beispielsweise die 16-jährige Ciara Lorenzin, die die elfte Klasse des Gymnasiums besucht. Sie lässt keine Zweifel daran, dass das Wahlfach mehr als ein einfaches Hobby für sie ist. „Die Gruppengemeinschaft, die wir hier haben, ist wirklich etwas ganz Besonderes.“ Eine Meinung, der sich Teampartnerin Annalena Ellmayer (11), die eine sechste Klasse besucht, nur anschließen kann. „Wir sind hier alle untereinander befreundet.“ Auch die Altersunterschiede würden dabei keine Rolle spielen.
16-Jährige liebäugelt mit einer Zukunft im Show-Bereich
Ciara Lorenzin ist vom Wahlfach sogar so begeistert, dass ihr Berufswunsch in eine ähnliche Richtung geht. „Zum einen würde ich gerne im Gastrobereich etwas machen“, sagt die 16-Jährige, „zum anderen aber auch im Bereich Show“, was sich ja vielleicht sogar kombinieren lasse: „Das würde mir schon sehr gut gefallen.“ Für Annalena Ellmayer sind derartige berufliche Überlegungen hingegen noch Zukunftsmusik. „Darüber habe ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht“, verrät die Elfjährige und lacht.
Gedanken gemacht haben sich beide aber bereits über die kommenden Reisen, die für die Showgruppe „AkroLaVida“ in den kommenden Monaten anstehen. So geht es Mitte Juli für Maier und seine Akrobatinnen zur Eurogymn nach Norwegen, dem größten internationalen Turn-, Tanz- und Gymnastikfestival für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren, zu dem rund 3000 Jugendliche erwartet werden. „Wir wurden als eine von zwölf Gruppen für die Abschlussgala ausgewählt“, erzählt Maier. Eine Ehre, die ihn „sehr stolz“ macht.
Damit jeder Schritt, jeder Handgriff, jede Bewegung perfekt sitzt, dafür wird bei den Teammitgliedern der Schweiß in den kommenden Wochen und Monaten in Strömen fließen. Doch muss Maier beim Training auch mal lauter werden, um noch ein paar Prozente bei seinen Schülerinnen herauszukitzeln? „Sehr, sehr selten“, sagt der 57-Jährige. „Die schätzen unheimlich, was sie hier erleben dürfen.“ Daher müsse er sie eigentlich nie antreiben: „Ich muss da niemanden motivieren – die wollen einfach.“
Dass die Akrobatikgruppe so viel Erfolg haben kann, dafür ist nach Angaben Maiers unter anderem der Umgang der Schulleitung mit der Gruppe verantwortlich. „Wenn wird von dort aus nicht so unterstützt werden würden, dann wäre das alles so gar nicht möglich“, sagt Maier und führt als Beispiel die Turnhalle an, in der auf Anweisung des Landkreises Rosenheim seit rund zwei Jahren Flüchtlinge untergebracht sind. „Das ist natürlich nicht nur für den normalen Sportunterricht, sondern auch für uns eine schwierige Situation“, betont der Lehrer. „Die Schulleitung versucht aber, uns so gut wie möglich zu unterstützen und hat daher auch die Aula fürs Training zur Verfügung gestellt.“ Maier: „Wenn wir nach einem Idealfall suchen, wie Schule sein sollte, sind wir hier in Bruckmühl schon sehr nahe dran.“

