Gymnasium Bruckmühl
Aufsitzen statt nachsitzen: Bruckmühler Schüler wollen Alpen mit Mountainbike überqueren
6200 Höhenmeter in 5 Tagen: Das P-Seminar „Alpenüberquerung mit dem Mountainbike“ der Klasse Q11 des Gymnasiums Bruckmühl hat sich ein ambitioniertes Projekt vorgenommen. Wie sich die Schüler darauf vorbereiten – und was ihnen Angst macht.
Bruckmühl – Fahrradtasche statt Schultasche, Kurvenlage statt Kurvendiskussion, Umleitung statt mathematische Ableitung: Am Montag, 10. Juli, tauschen 15 Schüler des Bruckmühler Gymnasiums die Schulbank gegen den Fahrradsattel ein und machen sich von Mayrhofen im Zillertal auf über die Alpen bis nach Südtirol. „Wir freuen uns total drauf“, sagen Eva Schmid, Tim Naumer und Benjamin Lehle, alle drei 17 Jahre alt, die das Medienteam der Tourengruppe bilden. Unterricht im Sattel und in freier Natur im Rahmen des Projekt-Seminars „Alpenüberquerung mit dem Mountainbike“ der Klasse Q11, das den Schülern wertvolle Unterstützung auf dem Weg in die Erwachsenenwelt bieten soll.
Die Entscheidung am Anfang des Schuljahres, welches Projekt die Gruppe umsetzen will, war schnell getroffen. „Wir waren uns eigentlich schnell einig, dass wir die Alpenüberquerung machen wollen“, erinnert sich Tim Naumer. Andere Angebote wie beispielsweise ein Projekt rund ums Thema Astrophysik oder ein Angebot rund ums Thema Dokumentarfilme stießen dagegen auf deutlich weniger Gegenliebe und Euphorie.
Schnell waren auch die Gruppen eingeteilt, die sich um verschiedene Bereiche der Tour kümmern sollen – von der Routenplanung bis zur Buchung von Übernachtungen auf Hütten und in Jugendherbergen. Für Lehrerin Agnes Pildner (41), die gemeinsam mit ihrem Kollegen Christoph Tafelmeier (30) und einem ehemaligen Lehrer der Schule die Gruppe begleiten wird, ein besonders wichtiges Element der sogenannten P-Seminare, die seit rund zehn Jahren fester Bestandteil der elften Klassen am Bruckmühler Gymnasium sind. „Hier lernen die Schüler ja in der Praxis was es heißt, im Team zu arbeiten und gemeinsam Entscheidungen zu treffen.“
Entscheidungen, die seitens der Lehrkräfte dann auch nicht korrigiert oder beeinflusst werden, außer es handle sich um eine Gefahrensituation, wie Pildner betont und an einem Beispiel festmacht. „Wir Lehrkräfte schreiten zwar ein, wenn eine Abfahrt einfach nicht machbar ist und sagen dann auch „Da fahren wir nicht runter“, so die 41-Jährige. „Wenn aber beispielsweise eine von den Schülern ausgewählte Strecke unvorteilhaft ist und dort drei Stunden das Rad geschoben werden muss, dann wird das Rad eben drei Stunden geschoben.“ Und wie einig war man sich in den einzelnen Gruppen bei den Entscheidungen? „Da gab‘s keine großen Diskussionen oder Streit, das hat super geklappt“, verrät Benjamin Lehle.
Tour startet in Mayrhofen im Zillertal
Herausgekommen ist letztlich eine Tour, die den 15 Schülern physisch einiges abverlangen wird: Die erste Etappe am Montag, 10. Juli, wird nach der Anreise per Bus von Mayrhofen im Zillertal aufs Pfitscher Joch an die Grenze zwischen Österreich und Italien führen, am folgenden Tag geht es dann über das Pfunderer Joch nach Brixen. Die dritte Etappe führt die Teilnehmer dann ins Rifugio Firenze (Regensburger Hütte), die vierte über die Seiser Alm bis nach Bozen. Am Freitag wollen die Elftklässler dann noch den Mendelpass bewältigen, ehe das Ziel, der Kalterer See, erreicht wird. Beendet werden soll die Tour selbstverständlich mit einem Sprung in den See.
Eine Tour, die in Zahlen ausgedrückt noch gewaltiger klingt, noch mehr Ehrfurcht auslöst: Zwischen dem Startpunkt im österreichischen Mayrhofen und dem Ziel Kalterer See in der italienischen Region Südtirol liegen zwar „nur“ 180 Kilometer – dafür aber auch rund 6200 Höhenmeter, die die Gruppe im Sattel überwinden muss. Zum Vergleich: Wer aus dem Jenbachtal bei Bad Feilnbach über die sogenannte Nordroute den gut 1800 Meter hohen Wendelstein erklimmen will, bekommt es mit gerade einmal 1000 Höhenmetern zu tun.
Damit alle Teilnehmer beste Chancen haben, das Ziel zu erreichen, hat die Gruppe bereits zahlreiche Trainingstouren unternommen. So beispielsweise jüngst auf der Eibelkopfrunde bei Bad Feilnbach. „Am Anfang waren schon größere Leistungsunterschiede zwischen den Teilnehmern erkennbar“, verrät Pildner, die Sport und Englisch unterrichtet. „Mittlerweile ist die Gruppe größtenteils aber sehr homogen.“ Schließlich sei das Ziel, dass alle Teilnehmer die Etappen erfolgreich bewältigen können. Der Vorteil: Mit drei Lehrkräften sei es kein Problem, Gruppen mit schnelleren und gemächlicheren Radlern zu bilden. Und wenn wirklich mal bei einem Schüler gar nichts mehr gehe, müsse man halt auf den öffentlichen Personennahverkehr ausweichen, denn, so die 41-Jährige: „Ein Begleitfahrzeug, das unser Gepäck chauffiert oder uns dann abholen kann, haben wir nicht.“
Jede Menge Werkzeug und Ersatzteile im Gepäck
Dabei haben sie dafür aber jede Menge Werkzeug und Ersatzteile. Denn auch zahlreiche Erfahrungen, was auf den Touren in technischer Hinsicht alles danebengehen kann, haben die jungen Mountainbiker auf ihren Trainingstouren bereits gesammelt. „Wir hatten schon einige Platten und eine gerissene Kette“, erzählt Eva Schmid, „und auch ein Schaltauge ist schon mal kaputt gegangen“, ergänzt Benjamin Lehle. Daher kämen alle Räder vor dem Tourstart auch nochmals auf den Prüfstand, wie das Medienteam erklärt. „Die Eltern müssen sogar unterschreiben, dass die Bremsbeläge nochmal erneuert worden sind“, ergänzt Tim Naumer. Und Lehrerin Pildner verrät, dass eine Mutter ihrer Tochter für die Alpenüberquerung sogar ein neues Fahrrad angeschafft habe.
Dass sein Fahrrad auf der Tour schlapp machen könnte und nicht mehr reparabel ist, das ist die größte Angst von Tim Naumer. „Das wäre echt schlimm“, sagt der 17-Jährige. Lehrer Tafelmeiers größte Sorge ist hingegen, dass Schüler dabei sein könnten, die der Übermut packt. „Tatsächlich denke ich dabei vor allem an die, die richtig gut unterwegs sind“, verrät der 30-Jährige. „Wenn die dann eine Abfahrt runterfahren, dürfen sie sich nicht überschätzen.“ Um auch bei etwaigen medizinischen Problemen gerüstet zu sein, haben natürlich auch Erste-Hilfe-Übungen zur Vorbereitung gehört. Zumal „die meisten von uns ja auch gerade den Führerschein machen und da sowieso die Kurse belegen mussten“, wie Naumer verrät. Beruhigend für die Eltern: „Dieser Kurs wird ja schon einige Jahren an der Schule angeboten. Bisher ist noch nie etwas Schlimmeres passiert“, kann Pildner, die selbst schon diese Touren begleitet hat, berichten.
Stichwort P-Seminar: Das steckt dahinter
Das Projekt-Seminar zur Studien- und Berufsorientierung, das sogenannte P-Seminar, ist mittlerweile fester Bestandteil der Oberstufe an Bayerns Gymnasien. Es soll nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus einen „Ankerpunkt für die Studien- und Berufsorientierung“ bieten. Die Schüler sollen dabei in den Bereichen Methodenkompetenz, Sozialkompetenz, Selbstkompetenz und Fachkompetenz wertvolle Erfahrungen sammeln.
Doch was ist es genau, das die Schüler gerade an diesem Projekt so reizt? „Es ist einfach total cool, dass man da mit seinen Freunden tagelang unterwegs ist“, sagt Naumer und bekommt für diese Aussage zustimmendes Nicken von seinen beiden gleichaltrigen Klassenkameraden. „Und es ist natürlich Adrenalin pur“, beschreibt Schmid die große Vorfreude auf die „schon anspruchsvolle“ Route.
Ein weiterer Aspekt für die 17-Jährige: „Ich glaube, dass wir durch so eine Tour noch viel enger zusammenrücken werden.“ Was sich bereits zeigen könnte, wenn die Gruppe am Freitagabend, 14. Juli, wieder in Bruckmühl eintrifft. „Da ist ja dann gerade Volksfest“, weiß Naumer. „Vielleicht können wir da dann sogar noch einen Tisch reservieren und alle gemeinsam hingehen.“
Wann die großen Emotionen kommen könnten
Und es nochmal gemeinsam krachen lassen, bevor die Tour-Teilnehmer wieder in ihre Familien zurückkehren. Und dort dann vielleicht erst begreifen, welch großartige Leistung sie auf den 180 Kilometern vollbracht haben. Denn Lehrerin Agnes Pildner weiß aus Erfahrungen der früheren Touren: „Erst wenn sie es ein bisschen sacken lassen und wieder zur Ruhe kommen, dann werden die großen Emotionen kommen.“


