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Bad Feilnbacher gibt nicht auf - Weko-Kollegen schenken ihm Hoffnung

„Ich will arbeiten“: Tom Günther kämpft seit einem Jahr gegen die Folgen einer Corona-Infektion

Zwischen diesen Aufnahmen liegen nur wenige Monate: Tom Günther trainierte jeden Tag. Dann erkrankte er trotz Impfung an Corona. Auch ein Jahr später ist er noch so schwach, dass er Ausflüge nur im Rollstuhl und mit Hilfe seiner Frau Sue schafft.
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Zwischen diesen Aufnahmen liegen nur wenige Monate: Tom Günther trainierte jeden Tag. Dann erkrankte er trotz Impfung an Corona. Auch ein Jahr später ist er noch so schwach, dass er Ausflüge nur im Rollstuhl und mit Hilfe seiner Frau Sue schafft.

„Ich würde so gern wieder arbeiten, meine Hanteln stemmen, auf Bergtouren gehen – einfach leben“, sagt Tom Günther (58) aus Bad Feilnbach. Vor einem Jahr erkrankte er an Corona. Bis heute kämpft er gegen die Folgen der Infektion.

Bad Feilnbach – Tom Günther hat Zeit seines Lebens Sport getrieben. Fast schon exzessiv. Kaum ein Tag verging, an dem er nicht im Fitnessraum war, sich mit 110 breiten und 40 schmalen Liegestützen aufwärmte, ehe er seine Trainingseinheiten begann, Hanteln stemmte, Klimmzüge machte. „Ich bin jede Treppe hoch gejoggt, war immer gesund, stark und fit“, erzählt er. Auch gesunde Ernährung war ihm wichtig: „Viel vegetarische Kost, wenig Fleisch, viel gutes Wasser, wenig Alkohol, niemals zuckerhaltige Getränke, seit 1,5 Jahren sogar Low Carb.“ Meist wurde er weitaus jünger geschätzt, als er tatsächlich war. Bis zu seinem 57. Geburtstag.

Trotz Impfung schwer an Corona erkrankt

Obwohl er alle drei Schutzimpfungen hatte, erkrankte er im Oktober 2022 an Corona. „Ich hatte hohes Fieber, mir ging es zehn Tage lang richtig schlecht“, erinnert er sich. Genesen ist er bis heute nicht: Nach dem Virus machte sich Post Covid bei ihm breit. „Meine größten Probleme sind die totale Erschöpfung und extreme Kraftlosigkeit“, beschreibt er seinen körperlichen Zustand. „Ihm fehlt die Kraft zum Gehen, Stehen, Laufen – überhaupt zum Aktivsein. Treppen sind für ihn kaum mehr zu bewältigen: „Auf einem Weg mit Steigung schaffe ich kaum mehr als zehn Meter.“ Für längere Wege braucht er Krücken oder sogar den Rollstuhl. Hinzu kommen kognitive Aussetzer: „Mir fallen Worte einfach nicht mehr ein. Ich vergesse viele Dinge“, stellt er entsetzt fest, denn er fühlt sich „wie ein Freak, wie ein Waschlappen.“

Tom Günther liebte Bergtouren und war immer stolz auf seine körperliche Fitness. Seit einem Jahr leidet er an Post Covid. Ob er jemals wieder der Alte sein wird, ist nicht klar.

Im April absolvierte Tom Günther eine vierwöchige Rehabilitation. „Dort wurde mein katastrophaler Gesamtzustand diagnostiziert“, erinnert er sich an die Diagnose und sein eigenes Gefühl, wenn er hochbetagte Menschen sah: „70- oder 80-Jährige waren nach einer orthopädischen Operation schneller wieder fit als ich. Ich fühle mich oft, als wäre ich 90.“ Bis heute hat sich Toms Zustand nicht verbessert: Inzwischen wurde ihm eine 50-prozentige Schwerbehinderung bescheinigt. „Wenn ich meine Frau Sue nicht hätte, wäre ich verloren“, schätzt er ihr Mitgefühl, ihre bedingungslose Liebe und ihre uneingeschränkte Unterstützung.

Spirale aus Hoffnung und Enttäuschung

Der 58-Jährige befindet sich in einer Spirale aus Hoffnung und Enttäuschung. Er hat nach zwölf Monaten Genesungskampf keine Geduld mehr mit seinem Körper, der seinen Ansprüchen einfach nicht mehr genügen will und sich nicht auf das Vor-Corona-Niveau trimmen lässt. Doch das Schlimmste für ihn ist, dass er nicht mehr arbeiten kann.

Als die beiden Nordlichter Tom und seine Frau Sue von Hamburg über Sizilien und den Ammersee 2015 nach Bad Feilnbach kamen, suchten die Modedesignerin und der Werbetechniker Arbeit in der Region. Im Weko-Einrichtungshaus fanden sie „neue Traumjobs und ein wunderbares Team“. Sue lebt ihre Leidenschaft fürs Kochen und Backen als Beraterin in der Küchenabteilung aus. Tom kreierte für seine Kunden Wohnideen am Computer. „Wir sind endlich wirklich angekommen“, beschreiben die Beiden ihr Heimatgefühl.

Die Region bietet ihnen alles, was sie lieben: „Berge, Seen, tolle Menschen.“ Die Arbeit macht ihnen Freude. Doch mit Corona kommt für Tom das Aus. „Mein Plan war es nie, mich mit Ach und Krach bis zu Rente zu schleppen und dann nix wie weg“, erinnert sich Tom an seine Pläne. Nein. Er wollte einfach weiterarbeiten, weit über die Rente hinaus, denn: „Ich habe immer gern gearbeitet.“ Jetzt fühlt er sich wie ein Aussätziger: „Ich darf daran nicht mehr teilnehmen. Ich gehöre zu den Vergessenen, bin für die Gesellschaft nicht mehr existent.“

Mit Krankheit in EU-Rente „abgerutscht“

Denn auch wenn er 41 Jahre lang gearbeitet hat, rutscht er nach dem Krankengeld nun in die Erwerbsminderungsrente und bekommt dann nur noch etwa ein Drittel des vor der Corona-Infektion bezogenen Gehaltes. „Weil uns keiner helfen kann, kommen wir Post-Covidler möglicherweise noch in eine wirtschaftliche und soziale Schieflage, obwohl wir immer fleißig gearbeitet haben“, stellt er fest und fragt: „Warum lässt man uns (gefühlt) so allein?“

Er hat nie geglaubt, dass er einmal keine Chance mehr auf Arbeit hätte, doch er schafft es einfach nicht zurück auf den Arbeitsmarkt, denn kein Arzt, kein Heilpraktiker oder Therapeut konnte ihm bisher wirklich helfen. Dabei weiß er seinen Hausarzt immer an seiner Seite. „Ich bin ich bestens aufgestellt, er tut alles für mich, was man derzeit machen kann“, ist er dankbar. Auch seine Physio- und Ergotherapeuten sowie Osteopathen seien „wunderbare und engagierte Menschen“.

Tom Günther weiß, dass die Krankheit „noch zu jung ist, dass es an Erfahrungswerten und Erkenntnissen fehlt“. Trotzdem ist ihm nicht klar, warum es trotz der vielen Betroffenen nur so wenige Studien gibt, dass die Plätze in kürzester Zeit weg sind und man gar keine Chance habe, sich als Studienteilnehmer überhaupt anzumelden. „Wie will unser Land medizinisch vorankommen, wenn es nicht mehr in Studien, Therapien und Praktiken investiert?“ 

Wie viele Betroffene greift Tom Günther nach jedem Strohhalm. Auf eigene Kosten probiert er Behandlungen aus, die ihm andere Post-Covidler empfehlen: Die Atemtherapie hat ihm geholfen, auch auf die Kältebehandlung hat er gut angesprochen. Heilpraktiker, Akupressur, Kneippen, Hypnose, Meditation und autogenes Training hat er ausprobiert, seine ausgewogene Ernährung noch perfektioniert: „Trotzdem bin ich nach einem Jahr immer noch am Anfang“, hält er die erforderliche Geduld für seine Genesung kaum aus.

Die Plasmapherese, bei der krankheitsverursachende Blutbestandteile aus dem Blutkreislauf entfernt werden, soll einige Betroffene in der Genesung vorangebracht haben, hat Tom gehört. Doch eine Behandlung kostet um die 2100 Euro. Es werden mehrere (zwischen zwei und acht) empfohlen. Das kann er sich als EU-Rentner nicht mehr leisten. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen die Behandlung nicht, weil neue Methoden erst auf ihre medizinische Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit geprüft werden, ehe sie in die Leistungskataloge der Krankenkassen aufgenommen werden. 

Werden Post-Covidler nicht mehr gebraucht?

Doch eben weil die Medizin noch nicht soweit sei, müssten die Post-Covidler stärker unterstützt werden, um wieder auf die Beine zu kommen, findet Tom Günther, denn: „Ich habe viele Menschen mit Post Covid getroffen, die alle noch jung sind und arbeiten wollen. Kann unser Land bei dem akuten Fachkräftemangel auf uns verzichten? Werden wir tatsächlich nicht mehr gebraucht?“

Tom hofft auf ein Umdenken, hofft, dass der Staat mit seinem Rentensystem und den Krankenkassen mehr tut, um den geschätzt eine Million Post-Covidlern in Deutschland (offizielle Angaben zu den Zahlen variieren) zu helfen und ihnen den Weg in die Arbeit zu ebnen. Er hat gelernt, seinen Fokus auf die schönen Dinge im Leben zu richten: „Meine liebe Frau Sue, unsere Freunde, unsere Wohnung, die herrliche Gegend.“

Mit einfühlsamen Worten geben ihm seine Weko-Kollegen Kraft für den weiteren Weg der Genesung. Sie haben für ihn gesammelt, damit er sich eine hoffnungsvolle Therapie leisten kann.

Weko-Kollegen geben ihm neue Hoffnung

Tom war und bleibt ein Sportler: „Ich bin lösungsorientiert und schaue nach vorn, auch wenn mir das gerade schwer fällt“, gibt er zu. Er gibt nicht auf, kämpft weiter. Völlig überraschend kamen ihm nun seine Kollegen von Weko zu Hilfe. Als er die Grußkarte von ihnen in den Händen hält, kann er die Tränen nicht mehr zurückhalten. „Du schaffst das Tom!“, machen sie ihm Mut. „Wir malen den Silberstreifen am Horizont für Dich nach, wenn er verblasst.“ Damit er die „Hoffnung nicht aufgibt“, haben die Kollegen für ihn gesammelt. Mit dem Sparschwein „für gute und für schlechte Zeiten“ schenken sie Tom den Grundstock für die Plasmapherese und damit wieder einen Funken Hoffnung, den Weg zurück ins Arbeitsleben zu meistern.

Mehr Unterstützung für Post-Covid-Betroffene gefordert

Die Deutschen Stiftung Patientenschutz hatte die Bundesregierung erst im September wieder dazu aufgefordert, einen Post-Covid-Fonds aufzulegen. Die Versorgung der Patienten mit Langzeitfolgen müsse eine öffentliche Aufgabe werden. Vorstand Eugen Brysch betonte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), dass die notwendigen Mittel dieses Milliardenprogramms nur aus zusätzlichen Steuergeldern bezahlt werden könnten. Das allein im laufenden Budget der Kranken- und Pflegekassen zu machen, werde nicht möglich sein. Schließlich benötigten die Betroffenen jetzt kontinuierliche und effiziente Hilfe. Die Versorgung der Patienten mit Langzeitfolgen sei schlecht und müsse eine öffentliche Aufgabe werden, verlangte Brysch. Mindestens eine Million Menschen seien von schwersten Symptomen betroffen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund pochte auf einen rücksichtsvollen Umgang mit erkrankten Beschäftigten sowie auf eine Perspektive in Betrieben. Wenn eine Rückkehr in die vorherige Tätigkeit nicht mehr möglich sei, sollten Arbeitgeber gemeinsam mit den Beschäftigten prüfen, ob eine andere adäquate Tätigkeit im Betrieb möglich sei oder über die Arbeitsagentur oder der gesetzlichen Rentenversicherung eine Umschulungsmaßnahme in Frage komme, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel gegenüber dem RND. Es müsse auch geprüft werden, ob über die Arbeitsagentur oder die Rentenversicherung eine Umschulungsmaßnahme infrage käme. Die Arbeitgeber seien gefordert, die Situation ernst zu nehmen und für die Betroffenen Wege für eine gelingende berufliche Wiedereingliederung zu eröffnen, so Piel. 

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