„Das Gehirn braucht den Körper zum Verstehen“
Mit Übungen gegen Stress, Traurigkeit und Mutlosigkeit: Feilnbacher Expertin zeigt, wie‘s geht
Ängstlich, traurig, mutlos – und dann soll ein „Kopf hoch“ oder „Bitte lächeln“ helfen? Kann das so einfach sein? Kann es, sagt Dr. Claudia Croos-Müller. Wie, das zeigt die Neurologin mit ihren Mut-Rezepten für Körper und Geist bei Ihrem Erlebnisvortrag in Bad Aibling.
Bad Aibling – Der Titel des Erlebnisvortrags, den die Bad Feilnbacher Neurologin und Psychotherapeutin Dr. Claudia Croos-Müller am Freitag, 17, November, um 20 Uhr in der Buchhandlung Librano hält, verspricht „Mut-Rezepte – Überlebensfreude in den schwierigen Zeiten“. Mit dabei hat die Medizinerin eine Auswahl an Übungen, die sie für ihre „Body 2 Brain-Methode CCM©“ entwickelt hat. Diese wirken ihren Erkenntnissen nach nicht nur unterstützend bei zahlreichen somatischen und psychischen Erkrankungen, sondern dienen auch der Alltagsbewältigung und als vorbeugende Maßnahme.
Frau Dr. Croos-Müller, was kann man sich unter Ihren Erlebnislesungen vorstellen? Was erwartet die Besucher?
Dr. Claudia Croos-Müller: Bei meinen Vorträgen und Lesungen geht es tatsächlich nicht nur um das Hören, sondern auch um das leibhaftige Erlebnis. Ich arbeite körperpsychotherapeutisch und gebe einen kleinen Einblick beziehungsweise mache an diesem Abend auch viele konkrete Angebote zur Selbstfürsorge und zum Lebensmut. Und ganz wichtig: mit spielerischer Freude, denn unser Gehirn spielt gerne.
Was genau bedeutet „Körperpsychotherapie“?
Dr. Croos-Müller: Das Gehirn braucht den Körper zum Lernen und zum Verstehen. Das beste Beispiel sind Kleinkinder: Sie haben noch kein Sprachverständnis, Ihr Gehirn lernt anfangs ausschließlich durch körperliche Erlebnisse. In der klassischen Psychotherapie überwiegt der Gesprächsanteil, bei körperpsychotherapeutischen Methoden dagegen wird auch die körperliche Ebene mit einbezogen. So wird zum Beispiel nicht nur über Angst und deren Ursachen gesprochen oder Empfehlungen gegeben, sondern es wird geklärt, in welchem Körperteil das Angstgefühl sich am deutlichsten manifestiert und dazu eine ganz konkrete, individuelle, passende Körperübung angeboten und ausprobiert.
„Mut-Rezepte“ – Überlebensfreude in schwierigen Zeiten
Der Erlebnisvortrag „Mut-Rezepte – Überlebensfreude in schwierigen Zeiten“ mit Dr. Claudia Croos-Müller findet am Freitag, 17. November, um 20 Uhr in der Buchhandlung Librano statt. Karten gibt es unter Telefon 08061/3148.
Sie haben die „Body 2 Brain Methode CCM©“ entwickelt. Was genau bewirkt diese Methode und können Sie ein, zwei konkrete Beispiele nennen, die die Wirkung bildlich nachvollziehbar aufzeigen?
Dr. Croos-Müller: Als Beispiel: Die körperliche Manifestation der Angst könnte bei einer Person mit Panikattacken zum Beispiel weiche, zitternde Kniee sein. Eine Empfehlung könnte dann sein, mit beiden Beinen rechts und links im Wechsel fest aufzustampfen oder beide Hände seitlich fest an die Oberschenkel zu drücken. Das hört sich banal an, wirkt aber über die gezielte Körperaktivierung und Berührung auf jene Zentren im Gehirn, die für das Angstgefühl zuständig sind.
Haben Sie selbst eine Lieblingsübung unter der Vielzahl der Angebote? Und wenn ja, warum diese?
Dr. Croos-Müller: Hand aufs Herz, dabei tief einatmen, mich aufrichten und gezielt mit den Augen nach einer Winzigkeit von Schönheit suchen. Diese Kombination führt zu einem ruhigen Herzschlag und zu Blutdruckstabilisierung, zu einer guten Versorgung mit Sauerstoff und insgesamt zu einer emotionalen Beruhigung. Achtsamkeit für Schönheit, wie sie uns zum Beispiel die Natur gerade in unserer Gegend schenkt, hat eine nachweislich heilende Wirkung.
Am Freitag haben Sie auch Ihr neuestes Buch mit dabei. Es trägt den Titel „Halt! Das kleine Überlebensbuch“ und beinhaltet „Soforthilfe bei Krise, Verzweiflung, Ausrastern und Co.“ .Was war der wichtigste Beweggrund für Sie, das Buch zu schreiben? Gab es eventuell sogar einen speziellen Auslöser?
Dr. Croos-Müller: Grundsätzlich ist es mir sehr wichtig, dass Menschen emotionale Stabilität – Resilienz – lernen und trainieren, um mit Krisen fertig zu werden statt unterzugehen. Deshalb hatte ich bereits zu verschiedenen Themen wie Angst und Panik, Burnout, Trauma kleine Selbsthilfebücher mit körperpsychotherapeutischen Angeboten verfasst. Jetzt war es Zeit für das Thema Aggression gegen sich selbst oder andere – Suizidalität und Amokhandlungen. Dazu wird überwiegend, wenn überhaupt, sehr vorsichtig berichtet oder allgemein geschrieben. Dabei ist es viel hilfreicher, solche heimlichen Gedanken im Vorfeld beherzt anzusprechen und für Augenblicke der Verzweiflung – des Verlustes von Selbstkontrolle – vorzusorgen. Und das auch wieder konkret mit kleinen Körperübungen, nicht umsonst gibt es die Redewendung „nimm dich zusammen“. Meine Hände fest zu halten, oder meine Arme um mich zu schlingen und mindestens fünf Minuten so zu verharren und einfach nur sich zu spüren und zu atmen, mag banal klingen, kann aber sehr hilfreich sein, um eben nichts Schädliches im Rahmen einer Affekthandlung zu tun.
In Krisen und Verzweiflung auf das Soforthilfe-Büchlein zuzugreifen, ist vorstellbar. Aber ist ein Mensch bei „Ausrastern & Co“, für das die Übungen auch gedacht sind, noch in der Lage, sich bewusst zu machen, dass ihm das helfen kann? Vor allem, wenn er in diesem Moment alleine ist?
Dr. Croos-Müller: Gerade, wenn man glaubt, alleine zu sein, kann eine derartige Körperübung sehr hilfreich sein. Denn das bedeutet, Verbindung zu sich selbst aufzunehmen. Und dann erkenne ich vielleicht, dass mein Körper durchaus mein Freund und eine zuverlässige Heimat sein kann. Meine große Vision ist: psychomentale Gesundheit für alle auf einfache Art und Weise, erkennen, dass man selbstwirksam sein kann und sich dadurch im Leben geborgen fühlen.
