Erfolgsgeschichte seit drei Jahrzehnten
Fit mit 70, 80, 90? Das schaffen diese Feilnbacherinnen auch im Sitzen
Bei ihren Treffen bewegen „nicht nur ihre Klappe“, wie sie selbst augenzwinkernd sagen – und wie ihnen manch einer vielleicht unterstellen mag. Mit dem Hobby, dem diese Feilnbacher Seniorinnen nachgehen, wissen zwar viele nichts anzufangen. Doch ihre Gruppe gibt es seit 30 Jahren.
Bad Feilnbach – Frisbeescheiben, Papprollen, Luftballons, peppige Musik und immer wieder Lachen – all das lässt vermuten, dass sich hier im Heimgarten von Bad Feilnbach eine Gruppe Jugendlicher eingefunden und Spaß miteinander hat. Doch die jüngste Teilnehmerin dieses Treffens ist 71, die älteste 94 Jahre. Sie gehören zu der Stuhlgymnastikgruppe, die Doris Langwieder vor genau 30 Jahren ins Leben gerufen hat – und bei der neben der Bewegung mit immer wechselnden „Handgeräten“ auch Lachen und Spaß Programm sind.
Einfach mal mit Stuhlgymnastik ausprobiert
„Die Doris macht das so leicht und spielerisch mit uns. Aber wie effektiv die Übungen im Sitzen sind, merkt man erst am nächsten Tag“, meinte Dorle Koch bei der kleinen Jubiläumsfeier im Café Moosmühle. Sie selbst ist zu der Gruppe gestoßen, weil ihr eine andere Art von Gymnastik gesundheitsbedingt irgendwann nicht mehr möglich war.
„Da habe ich es einfach mal mit der Stuhlgymnastik probiert. Abgesehen davon, dass jede Bewegung besser ist als gar nichts zu tun hat man in der Gruppe auch eine nette Gesellschaft.“ Die Bad Feilnbacherin und die Übungsleiterin kennen sich schon seit mehr als einem halben Jahrhundert – schon früher haben sie gemeinsam gesportelt, unter anderem bei der Damengymnastik des SV Bad Feilnbach.
Beim SV hatte Doris Langwieders langjähriges ehrenamtliches Engagement einst auch begonnen – und zwar mit dem Kinderturnen für die Kleinsten bis zur Seniorengymnastik in späteren Jahren. Von dort aus wiederum führte sie der Weg zu Sitztänzen, Gedächtnistraining und Stuhlgymnastik. Ihre Gruppe in Au gibt es bereits über drei Jahrzehnten, die kleinere Feilnbacher Gruppe seit 1993.
Gymnastik geht immer – trotz Krücken und Rollator
Die 82-Jährige Übungsleiterin ist heute die einzige, die aus dieser Zeit noch dabei ist. Doch hat sie immer wieder auch über 90-jährige Teilnehmerinnen. Manche kommen mit Krücken, manche mit Rollator, manche haben andere körperliche Einschränkungen. Doch im Sitzen geht viel mehr Bewegung, als mancher denkt. „Dabei gilt immer, jeder macht nur so viel und so lange, wie er kann“ – das ist der Übungsleiterin besonders wichtig.
Und das „Können“ ist ganz unterschiedlich: „Manchmal springst umanand wia mit 20, und manchmal hockst da wia a 90-Jahrige“, meint Ellen Obermüller zu ihrer Platznachbarin Anni Seebacher. Die Teilnehmerinnen motivieren sich auch gegenseitig. Unvergessen auch der Spruch, als einmal eine Turnerin zu ihrer Bekannten meinte: „Wennst ned mitgehst, hoi i di mit‘m Schubkarrn ab“, erinnern sie sich. Maria Kaffl wiederum weiß noch, wie sie früher ihre Nachbarin immer auf dem Weg zur Gymnastik vorbeigehen sah und dachte: „Mei, da werd‘ ich auch mal hingehen.“
Magdalena Polz wurde gar direkt von der Straße weg „angeheuert“. „Ich war noch ganz fremd hier und mit meinem Rollator unterwegs, als mich die Seniorenbeauftragte Petra Haupt vor drei Jahren angesprochen hat, weil sie mich noch nie gesehen hatte. So erfuhr ich von dem Angebot. Ich war auch in Stuttgart schon bei der Gymnastik. Hier in der Gruppe fühle ich mich sehr wohl“, sagt die 94-Jährige, der man ihr Alter absolut nicht ansieht.
Drei Fragen an Übungsleiterin Doris Langwieder
Frau Langwieder, Sie waren Übungsleiterin für Kinderturnen, Damen- und Seniorengymnastik, jetzt bieten Sie seit 30 Jahren Stuhlgymnastik an. Warum ist Bewegung auch im hohen Alter so wichtig?
Doris Langwieder: Sie hilft, die körperliche und geistige Mobilität zu erhalten oder zu verbessern. Sie kann helfen, die Koordination zu erhalten und zu fördern und die Grob- und Feinmotorik auszubauen.
Wie ist die Stuhlgymnastikgruppe in Bad Feilnbach vor 30 Jahren eigentlich entstanden?
Doris Langwieder: Bei einem Seniorennachmittag im Heimgarten hat mich Dr. Wilhelm Krombacher angesprochen und gefragt, ob ich nicht für diese Altersgruppe eine Gymnastikstunde, so wie die vor fünf Jahren in Au (installierte), einrichten könnte.
Was hält Sie selbst so lange Zeit bei dieser Aufgabe?
Doris Langwieder: Wenn ich ehrlich bin: die Teilnehmerinnen, die so motiviert sind, mitzumachen. Und die auch mal sagen, was ihnen nicht so gut gefällt. Halt selbstbewusste, „mündige Bürger“.
Am längsten dabei ist Maria Huber, Seniorchefin der Moosmühle: Seit zwölf Jahren kommt sie Woche für Woche, lässt selten einen Termin aus. Man kennt sich hier zwischen Bad Feilnbach und Wiechs, hat einen kurzen Draht und bleibt auch in Kontakt, wenn es jemandem nicht mehr möglich ist zur Gymnastik kommen. So war die Freude darüber, dass Maria Kolb zur Feier in die Moosmühle kam ebenso groß wie über die Nachricht der Übungsleiterin, dass es einer Mitturnerin nach einem schweren Sturz wieder besser gehe.
Auch die Klosterschwestern machten mit
Doris Langwieder hatte ihre Botschaft für die Feier auf kleine Kärtchen für jedermann geschrieben: „Heute einfach mal nur genießen“. Und so wurden in der lockeren Runde gemeinsam viele Erinnerungen aufgefrischt, etwa an die beliebte Klosterschwester Ulrike, die mit ihrer liebenswürdigen Art und ihrer Fröhlichkeit immer gern gesehen war – und sogar einige ihrer Mitschwestern für die Stuhlgymnastik begeistern konnte.
Beweglich bleiben
Viele frühere Wegbegleiterinnen können heute aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr teilnehmen, viele sind im Laufe der Jahre verstorben. Aktuell sind es acht bis zehn Damen, die die wöchentliche Stunde besuchen. „Man braucht schon eine Aufgabe“, hieß es auch in den „Jubiläumsgesprächen“. „Wennst nix tust, bleibst ned beweglich“, sind sich alle einig und sind sich auch klar darüber: „Es liegt schon auch an einem selber.“
Doch dass sie beweglich sind, sieht man an Heide Falk, die flink vom Stuhl aufsteht, sich bückt und unter dem Tisch ein herabgefallenes Stück Kuchen aufhebt. Aber auch im Sitzen lässt sich genug tun, wie Anni Seebacher auch am Beispiel vom Kletzenbrotteigkneten verdeutlicht: „Des mach ich alles mit den Händen. Die Füß‘ brauch ich dazu nicht.“
Ein Geschenk für Körper und Seele
Die treuen Turnerinnen überraschten Doris Langwieder zum Jubiläum mit einer großen Blumenschale, in deren Mitte die Zahl 30 aus Blüten gebildet war. Und natürlich will man gemeinsam weitermachen: „Du schaffst es immer wieder, uns das Gefühl zu geben, dass es Dir selber auch viel Freude macht. Und dieser Funke springt über. Wir fragen uns, wie Du es schaffst, so unglaublich viel Abwechslung in das Programm zu bringen. Jede Stunde ist fröhlich, und für Körper und Seele jedes Mal ein Geschenk“, brachte es Dorle Koch auf den Punkt.

