Hündin Lana war für Einsatz in Türkei noch nicht bereit
„Ich war emotional dabei“: Rosi Ammelburger aus Bad Endorf über die Arbeit mit Rettungshunden
Fast 40.000 Menschen starben beim Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Aus aller Welt kamen Helfer. In Bad Endorf sitzt Rosi Ammelburger angespannt vorm Fernseher. „Ich weiß, was die Kollegen durchgemacht haben, wie kaputt sie jetzt nach Hause kommen.“ Sie führt seit Jahrzehnten Trümmersuchhunde.
Bad Endorf - „Verspielt, verfressen, neugierig - das sind die besten Voraussetzungen“. Rosi Ammelburger guckt ihre völlig entspannt in der Küche liegende Lana an und grinst. Die junge Border Collie-Hündin ist noch in der Ausbildung zum Trümmersuchhund. Die pausierte während der Pandemie. Sonst wären Rosi Ammelburger und Lana vielleicht gerade auf dem Rückweg aus der Türkei.
Rosi Ammelburger ist in einer regionalen Rettungshundestaffel Mitglied, aber auch bei „@fire“. Diese internationale Katastrophenhilfe-Organisation, komplett aus Spenden finanziert, koordiniert Einsätze ihrer Mitglieder in aller Welt. Keine 24 Stunden nach dem Erdbeben waren 38 ehrenamtliche Einsatzkräfte und drei Rettungshunde in der Stadt Kahramanmaraş pausenlos mit der Suche und Rettung von Verschütteten beschäftigt. „Am Ende der Schicht zum Abschalten in die Badewanne gehen ist nicht. Die ehrenamtlichen Helfer schlafen in der Regel in Zelten ohne Strom und fließendes Wasser.“
Ja, natürlich habe es gekribbelt, gibt Rosi Ammelburger zu. „Ich war und bin emotional schon sehr dabei, weil ich ja weiß, wie es den Kollegen geht.“ Denn nicht nur ihre Hündinnen Tammi, Leska und Lana waren beziehungsweise werden Trümmersuchhunde. Auch Rosi Ammelburger hat eine entsprechende Ausbildung. Sie kümmert sich um die technische Suche, unter anderem mit einem Geophon, während ihre jeweilige Hündin für die biologische Suche mittels Nase zuständig ist.
Nicht nur Hundeführer: Anpacken ist angesagt
Mitte der 1990er Jahre fing Rosi Ammelburger an, sich und ihre Vierbeiner auszubilden. „Ich habe bei Bergtouren gesehen, was die Bergwacht mit ihren Hunden leistet und war fasziniert.“ Also lernte die freie Journalistin und Kamerafrau den Umgang mit Betonbohrer und -säge, lernte wie man unsichere Gebäude oder Trümmerhaufen abstützt, wie sie sich und ihren Hund abseilt. „Wir sind nicht nur Hundeführer, wir packen auch an.“ 12 Stunden dauern die Einsatzschichten. Da müssen Zwei- und Vierbeiner fit sein.
Und beide brauchen mentale Stärke. Die hat Rosi Ammelburger. Ihre Hündinnen auch. Nicht zwingend von Geburt an. „Das kann man prägen“, sagt Rosi Ammelburger. Das funktioniert nicht, wenn das Tier in Watte gepackt und nur auf stillen Feldwegen Gassi geführt wird. Da muss die Gassirunde auch mal an der Hauptstraße oder einer Baustelle entlang führen, darf Bahnhofslärm nicht tabu sein. Alles wohl dosiert, versteht sich. „Im Einsatz müssen die Hunde ja auch Lärm, Dampf und alles mögliche andere ertragen.“
Viele Hunde brauchen Arbeit mit dem Kopf
Sagt mal wieder ein anderer Hundebesitzer, der sieht wie Rosi Ammelburger ihre Lana beim Spaziergang spielerisch trainiert, „Ach, nein, mein Hund soll Hund sein dürfen“, muss sich die Rheinländerin, die seit fast 30 Jahren im Chiemgau lebt, manch einen Kommentar verkneifen. Lana ist ein Border Collie. Border Collies sind intelligente Hunde mit einer schnellen Auffassungsgabe und enorm hoher Arbeitsbereitschaft. Sie brauchen unbedingt eine sinnvolle Aufgabe und viel „Kopfarbeit“, um ausgelastet zu sein. Lanas Vorgängerin Leska war eine freundliche Malinois-Hündin. Für die gilt das Gleiche.
Wie aber übt man in Bad Endorf Trümmersuche? Gar nicht. Klar, das Lieblingsspielzeug in eine Schublade packen und es erst rausrücken, wenn das Tier es bellend anzeigt, das geht. Aber so richtig in Trümmern? Dazu sind Rosi Ammelburger und ihre Kolleginnen und Kollegen bei „@fire“ auf eigene Kosten in halb Europa unterwegs. Geübt wird in Industriebrachen. Neulich waren Rosi Ammelburger und Lana in Wien. „Ach, Wien ist doch so schön!“ schwärmte eine Gassi-Bekanntschaft. „Weiß ich nicht, ich habe nur Trümmer gesehen“, antwortete Rosi Ammelburger und lacht bei der Erzählung.
Stunden als „Opfer“ im Schutt, Kamera im Anschlag
Die Trümmer auch von unten. Denn die Hundebesitzer sind auch „Opfer“, die von den anderen Hunden gefunden werden müssen. „Da liege ich dann auch mal fünf, sechs Stunden im Schutt“, sagt Rosi Ammelburger grinsend. Natürlich mit dem Handy im Anschlag, Videos vom suchenden Hund machen. Die letzte Prüfung für internationale Einsätze, die Lana und Rosi Ammelburger noch in diesem Jahr absolvieren wollen, dauert 37 Stunden am Stück. Kein Zuckerschlecken. Für Tier und Mensch nicht.
Zwei bis drei Jahre dauert die Ausbildung eines Trümmersuchhundes. Bei Lana werden es pandemiebedingt eher vier bis fünf Jahre sein. Ob die beiden dann noch in einen internationalen Einsatz gehen, das vermag Rosi Ammelburger heute noch nicht abzuschätzen. Aber Katastrophen passieren ja nicht nur im türkisch-syrischen Grenzgebiet.
Erinnerungen an Bad Reichenhall
Rosi Ammelburger erinnert sich noch gut an den Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall 2006. Eigentlich sollte sie dort für eine internationale Nachrichtenagentur Filme und Fotos liefern. Tat sie auch. Da sie Hündin Tammi an Bord hatte, gab es aber gelegentlich fliegende Wechsel: Kamera ins Auto, Hund raus und suchen helfen. Deswegen weiß sie nur zu gut: „Ja, es belastet sehr, wenn man weiß, dass man vermutlich niemanden mehr lebend aus den Trümmern holen kann.“ Auch wenn man das im Einsatz ausblenden muss.
Da braucht es ein funktionierendes Umfeld. Da braucht man Partner und Chefs, die mitziehen. Die es mittragen, dass Hund und Mensch innerhalb von Stunden am Flughafen sein müssen. Dass zuhause alles stehen und liegen bleibt. Und die einfach da sind, wenn die Katastrophenhelfer physisch und psychisch erschöpft zurückkommen. So wie sie es seit Sonntag, 11. Februar, aus der Türkei tun. Denn eine Woche nach dem Erdbeben noch Lebende unter den Trümmern zu finden, das grenzt an ein Wunder.

