Vom Koma im Chiemgau zum Neustart auf Zypern
One-Way-Ticket ins Paradies? Ameranger Familie stürzt sich kopfüber ins Abenteuer
Ein Flugticket ohne Rückkehr in ein Land, in dem man noch nie war: Den Entschluss, Bayern den Rücken zuzukehren und auszuwandern, würde Familie Konaté wieder so fällen. Die Hintergründe und wie es ihnen ergangen ist, haben sie uns zwei Jahre später erzählt.
Amerang/Zypern - Der Grund, sich ein anderes Land zum Leben zu suchen, war kein schöner: Johannas Mama Claudine erkrankte schwer an der Lunge, lag sogar im Koma. „Die Ärzte empfahlen uns einen Ort am Meer, damit sie sich erholen und irgendwann wieder ohne Sauerstoffflasche leben kann“, erinnert sich Johanna an den Schicksalsschlag.
Als die Mama auf Reha war, wurden innerhalb der Familie Überlegungen laut, auszuwandern - in ein Land am Meer. Ein konkretes Ziel gab es zu dem damaligen Zeitpunkt nicht. „Malaysia, Singapur, Neuseeland - für uns kam alles infrage“, erzählt Johanna. „Wir wollten in ein sicheres Land, in dem es auch mit Visa klappt. Doch das ist in Asien gar nicht so einfach.“
Instagram-Posts ausschlaggebend
Auf Instagram verfolgen sie schon seit einiger Zeit die Abenteuer einer Familie auf Weltreisen, die auf der griechischen Seite von Zypern ihr Basislager hat. So rückte plötzlich die Insel im Mittelmeer in den Fokus. Sie haben sich erkundigt und waren rasch überzeugt.
Dann ging alles ganz schnell: Im März 2022 kam Claudine aus der Reha, sie haben das Haus in Amerang verkauft, Johanna und ihr Mann Sekou ihren Laden „Konaté - international food and more“ in der Wasserburger Altstadt aufgegeben und Tochter Leonie ihre Friseurlehre abgebrochen.
Am 22. September buchte die Familie ein One-Way-Ticket nach Zypern - ohne jemals zuvor dort gewesen zu sein. „In dem Moment, als wir ankamen und aus dem Flugzeug stiegen, hat es sich schon wie Heimkommen angefühlt. Alles war so positiv und bestärkte uns in unserer doch recht spontanen Entscheidung“, blickt Johanna zurück.
Sie entschieden sich für die griechische Seite der Insel, leben in Kissonerga in der Nähe von Paphos, einer touristischen Stadt im südlichen Teil der Republik Zypern. „Wir wohnen hier in einem kleinen Dorf, mitten unter den Einheimischen und rund um uns Zugang zu den schönsten Stränden. Die Leute sind offen und hilfsbereit. Es war ziemlich einfach, gleich ein Apartment zu finden.“
Inselkoller lässt Stimmung kippen
Weil sie auf Griechisch lediglich Smalltalk beherrschen, kommen sie mit Englisch gut zurecht. Zypern war früher eine englische Kolonie, es gilt Linksverkehr. „Gewöhnungsbedürftig, aber machbar“, resümiert Johanna.
Alles schien zu klappen: Claudine benötigte ob des Klimas und der Meeresluft nach nur zwei Monaten nur noch in der Nacht eine Sauerstoffzufuhr, drei Monate später lebt sie komplett ohne. Ein voller Erfolg für die Familie.
Doch nach einem Jahr setzte bei Johanna der Inselkoller ein: „Wir fanden für Fatou keinen geeigneten Kindergartenplatz. Die zypriotische Pädagogik mit dem Cambridge-System unterscheidet sich stark vom deutschen Kindergarten- und Schulsystem. Ich wusste nicht weiter und wir spielten schon mit dem Gedanken, zurück nach Deutschland zu gehen. Ich war auf der Suche nach Alternativen, als auf einmal ein neuer internationaler Kindergarten in Paphos eröffnete, der uns überzeugte und in dem Fatou einen Platz bekam.“
Ob die Ameranger Familie den Chiemgau vermisst? „Natürlich gibt es einiges, das uns abgeht. Ohne Navi Auto fahren, weil man die Strecke auswendig kennt beispielsweise. Oder der Duft bei einem Waldspaziergang, denn solche Wälder wie in Deutschland gibt es auf Zypern nicht.“
Die Zyprioten kennen außerdem nur zwei Jahreszeiten: Im Februar fällt in den Bergen Schnee, es gibt sogar Skipisten. Am ersten oder zweiten Weihnachtsfeiertag machen wir gerne ein Weihnachtsfrühstück am Strand. Im Meer lässt sich das ganze Jahr über schwimmen, die Temperaturen sind durchgehend moderat sommerlich - deswegen gibt es auch keine Heizungen. Wer leicht friert, dem kann im Winter schon mal fußkalt werden“, betont Johanna grinsend.
Die Familie ist ein großer Fan von exotischen Früchten: „In Bayern fragt man in der Regel beim Nachbarn, ob man Äpfel, Birnen oder Himbeeren sammeln darf. Hier auf Zypern gilt: Was am Boden liegt oder auf verlassenen und öffentlichen Grundstücken wächst, darf genommen werden. Das schätzen wir sehr. Wir sammeln oft beim Spazierengehen Papayas, Avocados, Drachenfrüchte oder Granatäpfel, für die die Insel bekannt ist.“
Freunde und Bekannte kommen ganz einfach zu Besuch. Johanna würde sogar meinen, sie verbringen so öfter und länger Zeit miteinander als in der alten Heimat in Bayern.
Zypern ist zur neuen Heimat von Familie Konaté geworden, sie sehen hier ihre Zukunft - unter anderem, weil sie in Bayern nie tief verwurzelt waren. Auch, wenn Johanna ihren Lebensmittelladen in der Wasserburger Altstadt unheimlich vermisst - sie ist dankbar, dass es dank Nachfolgerin Joyce weitergeht.
Inzwischen hat sich Johanna auf der rund 9000 Quadratkilometer großen Insel Immobilien angenommen: Ankauf, Sanierung, Verkauf. „Im Moment versuche ich es mit einem größeren Neubauprojekt. Mein Traum wäre ‚Bed and Breakfast‘ - in einem Objekt, in dem wir als Familie auch wohnen und ein paar Wohnungen zur Miete mit Buffet oder Frühstück anbieten.“
Erneut auswandern? Auf jeden Fall!
Den Weg des Auswanderns würde die Familie wieder so beschreiten. Ihr Tipp: Einfach machen, ohne große Gedanken zu hegen.
„Je mehr man plant, umso mehr kommen Zweifel auf, dass es schiefgehen könnte. Wir hatten keinen Plan und das war der richtige Ansatz“, unterstreicht Johanna. „Es mag vielleicht naiv klingen, aber es kann ja auch gut gehen. Und wenn nicht, kann man wieder zurück. Nichts im Leben ist in Stein gemeißelt.“ (mb)

