Für jeden Auftritt von Waldkraiburg nach Berchtesgaden
Mit Charme und Schnauzbart: Gustl Schenk (86) beweist unermüdliche Liebe zum Bauerntheater
Gustl Schenk ist jetzt 86 Jahre alt. Für seine Rollen im Berchtesgadener Bauerntheater kann das keine Maßgabe sein. Der Waldkraiburger fährt die 220 Kilometer oft und gerne hin und zurück. Auch wenn die Hüfte des bayerischen Originals nicht mehr so mitmacht, tut der seit mehr als 50 Jahren aktive Stadtrat mit allerlei Schauspielerfahrung alles dafür, um auf der Bühne zu stehen. Früher oft mit den Großen ihres Fachs.
Berchtesgaden/Waldkraiburg - Ein bisschen Zeit hat Gustl Schenk noch. Es ist Freitagabend, um 20 Uhr geht die Vorführung los. Heute wird der „Saisongockl” gespielt. Gustl Schenk schlüpft in die Rolle des bekehrenden Pfarrers, der den jungen Bauersleut das korrekte Eheleben näher bringen will. Die Rolle ist für den überzeugten Schnauzbartträger wie maßgeschneidert. Im 26. Jahr steht er nun schon auf der Bühne des traditionsreichen Berchtesgadener Bauerntheaters, dutzende Male im Jahre. Tausende Kilometer fährt er dafür Jahr für Jahr. Er tut das aus Überzeugung.
Das Bühnenleben ist seine persönliche Erfüllung. Die Kilometer? Sind ihm egal. Theaterspielen ist die große Leidenschaft des immer noch aktiven Lokalpolitikers, der schon lange im Ruhestand ist, aber seit über einem halben Jahrhundert im Waldkraiburger Stadtrat sitzt. Mit 86 Jahren? „Ich bin da der Älteste”, sagt Gustl Schenk und lacht sein ansteckendes Lachen.
Alles begann in Aschau. Dem dortigen Trachtenverein, dessen Mitglieder auch Theater spielen, war eine Rolle weggebrochen. Einer war gestorben, nicht auf der Bühne, sondern im echten Leben. Und der Gustl konnte nicht „nein” sagen, als man ihn fragte, die Rolle zu übernehmen. Also war er drin im Bühnenspiel. Und blieb bis heute. „Alles ein großer Zufall”, sagt Gustl Schenk, während er durch eine kleine Mappe mit alten Fotos blättert. Die Bilder spiegeln sein Leben auf den Brettern wider, die ihm persönlich die Welt bedeuten.
Gustl Schenk hat noch lange nicht genug
„So lange ich noch kann, werde ich weiterspielen”, sagt der Theaterspieler. Mit dem ehemaligen österreichischen Volksschauspieler Max Grießer stand Gustl Schenk schon auf der Bühne bei der „Bernauerin” in Augsburg. Er zeigt die Schwarz-Weiß-Fotos, die ihn mit dem im Jahr 2000 verstorbenen Kufsteiner zeigen. Gustl Schenk war im Augsburger Stadttheater in der Rolle von Kaiser Franz-Joseph zu sehen, war in Mühldorf beim „Häuslschleicha” und der „Grattler Oper” aktiv.
Und irgendwann entdeckte ihn Elisabeth Hölzl-Michalsky. Sie ist das Gesicht Berchtesgadens, wenn es ums Bauerntheater geht. Sie steht seit mehr als 60 Jahren auf der Bühne und leitet das Berchtesgadener Bauerntheater mit einer Hingabe, die ihresgleichen sucht. Den Gustl, nicht nur auf der Bühne ein echtes Original, wollte sie haben, sagt sie. Und weil ihm das Nein-Sagen so schwer fällt, sagte der Gustl mal wieder “ja”.
In sechs verschiedenen Stücken spielt er momentan im Bauerntheater. Die Namen sind nicht schillernd, aber griffig. Man bekommt, was man erwartet. Viel zum Lachen, lustige Momente, skurrile Situationen: „Alles wegen einer Nacht”, “Die lustige Brautnacht”, “Der flotte Jonathan”.
„Mei, das war unglaublich”
Gustl Schenk sagt: „Wenn ich eine Rolle in einem Stück übernehme, bin ich nicht mehr der Gustl, sondern der, den ich spiele.” Den Pfarrer in der lustigen Brautnacht mimt er mit Bravour in liturgischem Gewand und einer Hingabe. Fern ist der Gedanke, der Gottesmann sei kein realer.
2007 stand Gustl Schenk, der mal dritter Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Waldkraiburg war, in einem bayerischen Heimat- und Liebesfilm vor der Kamera - mit Gaby Dohm und Sascha Hehn in den Hauptrollen. Gedreht wurde der Streifen im Bergsteigerdorf Ramsau. Ein echtes Berchtesgadener Heimspiel für den auswärtigen aus dem Landkreis Mühldorf am Inn. Mit dem Film erreichten die Macher ein Millionenpublikum. Und plötzlich war sein Gesicht bekannt. „Mei, das war unglaublich”, sagt er.
Im Griechenland-Urlaub erkannt
„Selbst im Griechenland-Urlaub sprachen mich die Leute auf meine Rolle als Pfarrer an”, sagt Gustl Schenk mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Der markante Bart wippt beim Lachen. Schenk ist ein Hingucker. Die Deutsche Post nahm sein Konterfei für Werbung in Bayern. Gustl Schenk hat daraufhin sogar seine eigene Briefmarke bekommen. Er führt sie in seinem Portemonnaie immer mit sich. Wenn einer bayerisch daherkommt, dann Gustl Schenk. Das ist sein Markenzeichen. Auf der Bühne und im realen Leben.
Und wie geht es weiter für den Senior, der viel zu fidel zum Aufhören ist? Die 110 Kilometer, die er für jeden Auftritt von Waldkraiburg nach Berchtesgaden zurücklegt, nimmt der 86-Jährige weiterhin gern in Kauf. „Autofahren? Das hat mir doch eh nie etwas ausgemacht”, sagt der ehemalige Handelsvertreter. Und wenn das Bühnenstück gegen 22 Uhr endet, weiß er, was er getan hat. Die Rückfahrt nach Hause ist dann nur noch ein Klacks. Wissend, dass er wiederkommt.
kp

