Wahlanalyse und Reaktionen im Stimmkreis Berchtesgadener Land
„Fünf Jahre harte Arbeit und dann noch Flugblattaffäre“: Der Wahlkampf zahlt sich aus – für die konservativen Kräfte
Stimmkreis Berchtesgadener Land – Bis auf Waging am See sind alle Wahllokale ausgezählt. Die Gewinner heißen auch hier im Stimmkreis Freie Wähler und AfD. Sowohl CSU als auch Grüne, SPD und Linke verlieren Wählerstimmen.
Die CSU verzeichnet im Vergleich zur Wahl 2018 einen Rückgang von 4,6 Prozent. Die großen Gewinner des Abends sind zweifellos die Freien Wähler, die insgesamt 23,1 Prozent der Stimmen für sich gewinnen konnten. Vor fünf Jahren lag ihr Ergebnis noch bei 12,8 Prozent. Die SPD verzeichnet einen Verlust von 1,4 Prozent, während auch die Grünen Stimmen einbüßen und im Vergleich zu 2018 5,2 Prozent weniger erreichen. Auffällig ist, dass viele Wähler offenbar zur AfD gewechselt sind, die von 9,8 Prozent auf 14,3 Prozent zulegt. In Freilassing erreicht die AfD sogar 20 Prozent.
Die Gesamtstimmen im Vergleich zum Jahr 2018
| 2023 | 2018 | |
|---|---|---|
| CSU | 38 % | 42,6 % |
| Grüne | 11,2 % | 16,4 % |
| Freie Wähler | 23,1 % | 12,8 % |
| AfD | 14,2 % | 9,8 % |
| SPD | 5,1 % | 6,5 % |
| FDP | 1,8 % | 3,5 % |
| Linke | 1,2 % | 2,5 % |
Kaniber ist führende Stimmkreisbewerberin
Die Wahlbeteiligung im Stimmkreis liegt bei 71,2 Prozent und ist damit nahezu identisch mit der letzten Landtagswahl, bei der sie 71,4 Prozent erreichte. Michaela Kaniber (CSU) führt mit 37,5 Prozent der Stimmen. „Es waren fünf Jahre harte Arbeit, eine Krise nach der anderen. Und dann noch die Flugblattaffäre. Das wird sich auch auf die Verhandlungen über die Koalition auswirken“, sagt sie. Auch Michael Koller (Freie Wähler) kann mit seinen 24,3 Prozent zufrieden sein. In seiner Heimatgemeinde Berchtesgaden erreichte er 36 Prozent.
Franziska Böhnlein (CSU) belegt den Listenplatz Nummer 7 und zeigt sich dankbar über die Chance. „Ich mache auf jeden Fall weiter“, versichert sie. Mit Blick auf das Wahlergebnis erklärt sie: „Da kommt Arbeit auf uns zu, das wussten wir auch. Wir waren viel unterwegs, da machen wir auch weiter.“
Koller freut sich auf die Zeit nach dem Wahlkampf
Die Affäre um Hubert Aiwanger hat den Freien Wählern scheinbar nicht geschadet. Im Gegenteil. Auch im Landkreis Berchtesgadener Land haben sie nochmal deutlich zugelegt, um 10,2 Prozent im Vergleich zu 2018. Das freut Michael Koller, Spitzenkandidat im Stimmkreis. Allerdings fokussiert er sich nun auch auf die Zeit nach dem Wahlkampf: „Es ist ja ganz normal, dass es im Wahlkampf auch mal härter zugeht. Jetzt hoffen wir, dass es sich nach dem Wahlkampf wieder normalisiert.“ Die Freien Wähler haben ein Gesamtergebnis im Stimmkreis von 23 Prozent.
Zimmer kritisiert Stimmungsmache gegen die Grünen
Für Dr. Bernhard Zimmer (Grüne) war der Wahlkampf schwieriger als beim letzten Mal, wurde doch von der CSU, den Freien Wählern und der AfD viel gegen Grün gewettert. „Alle gegen einen war nicht einfach. Das Ausgrenzen schafft eine Stimmung, die die Leute verleitet, alles sagen zu können. Als Kandidat muss ich das aushalten. Aber die, die uns bei der Plakatierung oder an den Infoständen unterstützten, waren auch betroffen. Aussagen, wie dass die Grünen nicht das Bayern-Gen haben, sind Ausgrenzung pur. Das zerstört die Gesprächsbasis. Wir haben im Landkreis auch eine historische Verantwortung. Diese sprachliche Verrohung in der Mitte ist schädlich.“
AfD schneidet im Stimmkreis schlechter ab als bayernweit
Wolfang Koch (AfD) nennt das Abschneiden seiner Partei in Bayern „fantastisch. Die Aiwanger-Affäre war geplant und hat uns viel gekostet. Aber wir sind zweitstärkste Kraft und stärkste Oppositionspartei.“ Im Stimmkreis Berchtesgadener Land habe er sich jedoch mehr Stimmen gewünscht. „Ich habe aber den stellvertretenden Landrat der Freien Wähler und die Landwirtschaftsministerin als Konkurrenten, die hatten auch ein Top-Ergebnis“, gesteht er ein und fügt sofort hinzu: „Das sanfte Schwurblertum der Freien Wähler besänftigt die Leute.“
Kreuzeder fordert Bündelung der linken Kräfte
„Es ist eindeutig, dass der Rechtsruck und der Diskurs der CSU, Freien Wähler und AfD die Prioritäten verschoben haben. Bildung, Wohnen und Gesundheit sind hinten runter gefallen. Das bedrückt mich wirklich“, erklärt Rudolf Kreuzeder (Linke) „Ich sehe aber auch den Auftrag, dass sich die linken Kräfte besser bündeln müssen. Soziale Themen kommen bei der SPD und den Grünen zu kurz.“ Auch Markus Aicher (SPD) hält am Thema bezahlbares Wohnen fest. „Das Problem wird nicht von der kommenden Regierung gelöst werden, deswegen müssen wir dran bleiben.“
Weitere Stimmen
Stavros Tsoulouchopoulos (Bayernpartei) „Ich bin erst seit kurzem Kreisvorsitzender. Ideen und Punkte zu setzen, ist mir gelungen. Für 2026 bin ich nun richtig vorbereitet und in Kampflaune. Die Menschen haben die Themen nicht mehr wahrgenommen, es gab viele leere Reden. Das wichtigste für alle Parteien ist: mit den Leuten reden.“
Johanna Bernadette Gaßner (Die Partei): „Das war mein erster Wahlkampf, und er war sehr spannend. Ich konnte mich aktiv einbringen und um Wählerstimmen kämpfen.“ Ihre Partei steht für Satire. Doch erkennen die Menschen diese auch im Wahlkampf, etwa beim Gespräch am Infostand? „Diejenigen, die sie erkennen, sind auch die, die ein bisschen mitdenken. Mit Zwinkersmiley schreiben“, bittet sie.
kl, mf

