Gemeinde zieht Genehmigung zurück
Knatsch zwischen Ramsau und Bund Naturschutz – Wasserleitung zur Kührointalm auf Eis gelegt
Wie wichtig eine Wasserleitung für Berghütten ist, hat der letzte Sommer gezeigt: Einigen ging während der Hitzewelle das Wasser aus. Doch bei der Verlegung von Strom, Wasser und Breitband auf die Kührointalm kommt es nun zu Verzögerungen. Der Grund: Zwietracht zwischen dem Bund Naturschutz und der Gemeinde Ramsau.
Ramsau – Alles schien flott voran zu gehen. Die Gemeinde Ramsau hatte am 21. Dezember 2022 die wasserrechtliche Genehmigung vom Landratsamt erhalten. Auf einer Strecke von sieben Kilometern sollten die Kührointalm, der dortige Standort der Bundespolizei sowie die Schappbachalm an die Wasser-, Kanal-, Strom- und Breitbandversorgung angeschlossen werden. Das Landratsamt äußert sich auf die Anfrage von BGLand24.de, dass ein entsprechendes Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde. „Die Prüfung des Antrags ergab, dass keine entgegenstehenden Gründe vorlagen, sodass die beantragte Genehmigung zu erteilen war.“
Der Bund Naturschutz spricht von Rechtswidrigkeit
Doch der Bund Naturschutz sah das anders und klagte gegen die Genehmigung. Rechtsanwältin Anja Schilling begründet die Klage insbesondere damit, „dass im Verfahren zur Erteilung der Genehmigung eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt wurde. Außerdem wurde die Genehmigung ohne Erteilung von notwendigen Befreiungen von Verboten der Alpen- und Nationalparkverordnung Berchtesgaden erteilt.“ Zudem würde ein Eingriff in geschützte Gebiete und den Wanderweg stattfinden. Daher sei die Genehmigung rechtswidrig. „Da die Verlegung überwiegend im Nationalpark erfolgt, haben wir besonders aufmerksam hingeschaut“, erklärt Rita Poser, Vorsitzende des Bund Naturschutz Berchtesgaden, hinsichtlich der Klage.
Gemeinde zieht Antrag zurück
Am 28. März ordnete schließlich das Landratsamt auf Antrag der Gemeinde Ramsau die sofortige Vollziehung der wasserrechtlichen Genehmigung an. Laut Landratsamt hatte die Gemeinde Ramsau diesen Antrag „schlüssig und nachvollziehbar begründet“. Doch auch nun ging es mit der Verlegung der Leitungen nicht los, denn der Bund Naturschutz wurde laut Anwältin Schilling „gezwungen, zusätzlich zur Klage einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht München anhängig zu machen, um zu verhindern, dass noch während des Klageverfahrens vollendete Tatsachen geschaffen werden.“ - Was dazu führte, dass die Gemeinde Ramsau nun den Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung zurückgenommen hat. Schilling vermutet: „Offensichtlich wollte die Gemeinde mit diesem Vorgehen verhindern, dass im Klageverfahren bzw. im Eilverfahren eine negative gerichtliche Entscheidung ergeht.“
Handelt es sich um eine Wasserfernleitung?
In der Gemeinderatssitzung vom 16. Mai äußerte sich Ramsaus Bürgermeister Herbert Gschoßmann zur Angelegenheit. Der Sofortvollzug der Baugenehmigung sei aufgrund des öffentlichen Interesses erfolgt. Hierbei ging es unter anderem um das im Wald verlegte provisorische Stromkabel. In der 61 Seiten langen Klage des Bund Naturschutz gehe es primär um einen „möglichen Formfehler“. Eine Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit müsse man dann durchführen, „wenn Wasser in einer Leitung über eine bestimmte Länge und über eine Gemeindegrenze hinweg transportiert wird. Man spricht dann von einer sogenannten Wasserfernleitung. Also wenn die Stadt München Wasser aus dem Alpenraum bezieht, dann ist das eine ganz klassische Wasserfernleitung.“ Im Fall der Kührointalm wird das Wasser von der Gemeinde Ramsau in das Gemeindegebiet Schönau am Königssee transportiert. Die Abnehmerstellen liegen jedoch nur wenige Meter hinter der Ramsauer Gemeindegrenze. „Wenn man diese Leitung als Wasserfernleitung bezeichnen und bewerten will, dann hätte tatsächlich eine Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit erfolgen müssen. Alle am Verfahren Beteiligten sind nicht auf die Idee gekommen, dass man hier im rechtlichen Sinne von einer Wasserfernleitung sprechen könnte“, erklärte Gschoßmann.
Anstatt „Geld und Nerven“ zu strapazieren, sei die Gemeinde von einer gerichtlichen Auseinandersetzung abgerückt und habe daher entschieden, den Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung zurückzuziehen. Das heißt: Der Sofortvollzug findet nicht statt, es wird erst einmal nicht gebaut. Poser bedauert, dass es so kommen musste: „Das Landratsamt war durchaus bemüht, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen, scheiterte aber an der Sturheit der Gemeinde Ramsau.“
Wie geht es nun weiter?
Nun wird erst einmal die Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit durchgeführt. Der Auftrag dazu ist bereits erteilt. Gschoßmann möchte sich nichts nachsagen lassen, „weil wir nicht wollen, dass diese Maßnahme auch nur ansatzweise einen ‚faden Beigeschmack‘ hat und wenn es nur der ist, dass hier ein Verfahren zu einer Wasserfernleitung (...) nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.“
Sollte herauskommen, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist, wird das Verfahren wieder aufgenommen, und zwar mit den gleichen Rahmenbedingungen wie bereits 2022 beantragt. „Wir beantragen genau wieder die Trassenführung, welche von fachlicher Seite, konkret einem Fachbüro wie auch die untere Naturschutzbehörde wie auch der Nationalpark Berchtesgaden, als die naturverträglichste Trasse bewertet und bezeichnet wird“, so der Bürgermeister. In bereits erschlossenen Bereichen könne Naturschutz am besten durch geeignete Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt werden.
In Richtung Bund Naturschutz erklärte er: „Das zu verhindern ist meiner Ansicht nach der Weg zu weniger Naturschutz, ein Schritt in die falsche Richtung. Auch das Ziel einer Besucherlenkung wird ganz sicher besser zu erreichen sein, wenn die Ziele, wohin mal lenken will, mit einer Infrastruktur angemessen erschlossen sind.“ Ob der Bund Naturschutz erneut gerichtlich gegen die Gemeinde vorgehen wird, ist noch unklar. Hierzu Poser: „Planungen und Entscheidungen dazu können wir erst machen, wenn der neue Wasserechtsantrag und der dazugehörige Bescheid vorliegen.“
mf