Musik, Berge, Lebensfreude
Vom Feinmechaniker zum Jodeltrainer: Die ungewöhnliche Karriere des Bernauers Horst Biewald
Horst Biewald, einst Feinmechaniker und Unternehmensberater, ist heute ein bekannter Jodeltrainer. Seine ungewöhnliche Karriere begann mit einer Gitarre und einer Leidenschaft für das Jodeln.
Berchtesgaden/Traunstein – „Im Auto jodelt es sich besonders gut”, sagt Horst Biewald. Der Bernauer Musiker und Jodeltrainer bringt im Zauberwald im Bergsteigerdorf Ramsau Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen zum Singen. „Schon seit jungen Jahren rutscht mir manchmal ein Jodler raus”, sagt er. Es sei der Ausdruck purer Lebensfreude. Die möchte er auch anderen weitergeben.
Jodelseminar vor imposanter Watzmann-Kulisse
In seinem alten Transporter, einem roten Toyota, Modell HiAce, schlummert auf der Ladefläche ein alter Jäger-Rucksack. Ein antiquiertes Metallgestell hat sich Horst Biewald dran geschraubt. Zwei montierbare Räder eines Kinderwagens aus den 1970er-Jahren erlauben, den Rucksack als Tasche hinter sich herzuziehen. Wie einen mobilen Koffer. Für den Jodeltrainer ist das ein echter Gewinn, sagt der Mann in Lederhose - markante Stimme, wiederkehrendes Lächeln. Dieses Jahr hat der Bernauer zwölf öffentliche Jodelseminare geplant. An seinem Lieblingsort, im Zauberwald des Bergsteigerdorfs Ramsau, ist er dann unterwegs und lehrt halbtageweise den Umgang mit der eigenen Stimme.
Jetzt ist erstmal Arbeit angesagt: Mit Eichen-Streben und einer hölzernen Platte verwandelt er das metallene Rucksack-Konstrukt in einen kleinen Stuhl. „Praktisch”, findet der Musiker. Sein Blick bleibt ehrfurchtsvoll am imposanten Watzmann hängen, der hinter ihm den Berchtesgadener Talkessel überthront.
Der Zufall führte Biewald zu Jodelseminaren
„Für das Gitarrespielen ist eine ruhige Sitzposition definitiv von Vorteil”, so der 61-jährige Vollblutmusiker, der mit dem „Chiemgau Reggae”-Song vor mehr als 15 Jahren Bekanntheit erlangte. Mehrere CDs hat er aufgenommen. Seine Songs wurden oft im Radio gespielt. Im Österreichischen Rundfunk (ORF) erreichte er bei einem Dialekt-Musikwettbewerb in Vorarlberg den zweiten Platz vor 3000 Zuschauern.
Seit zwölf Jahren gibt Horst Biewald nun Jodelseminare. Wie es dazu kam? Mehr Zufall, sagt der Stimmenkünstler. Jodeln ist die große Leidenschaft des Tonakrobaten. Mehr als 400 Leute hatte er schon vor sich, damals bei Siemens, als er allen Anwesenden den Gipfeljodelruf beigebracht hat und mit dem Jodeln die Leute auf seine Seite zog.
„Jodeln verbindet”, sagt Horst Biewald, gelernter Feinmechanikmeister, und irgendwie auch Tausendsassa. Als Landschaftsgärtner hat er schon gearbeitet, später als Unternehmensberater. „Ich habe viel gemacht in meinem Leben”, verrät der dreifache Vater, der als Bundeswehrsoldat das erste Mal eine Gitarre in die Hand nahm und der Musik immer treu blieb. „Auf die Sauferei hatte ich als Soldat keine Lust - und lernte deshalb ein Instrument.”
„Das alles ist ein Lebensgefühl.”
Als Autodidakt lernte er das Gitarrenspiel und entdeckte seine Stimme für sich. „Ich komme zwar aus keiner musikalischen Familie.” Musik spielt in seinem Leben dennoch eine übergeordnete Rolle. „Man sollte immer das tun, was in einem selbst Begeisterung weckt”, sagt der Stimmenkünstler und lässt vor dem Rathaus in Berchtesgaden einen Jodler raus. Im Gemeindehaus gegenüber öffnet sich ein Fenster. Ein neugieriges Gesicht erscheint. Für Horst Biewald ist der Jodler, ein Gesang mit großem Tonsprung, Normalität. Bereits bei der Autofahrt von Bernau nach Berchtesgaden hat er fleißig geübt, wie so oft. „Das Auto eignet sich besonders gut, weil der Raum klein und begrenzt und das Ergebnis eindrücklich ist”, sagt der Naturbegeisterte. Die Berchtesgadener Alpen sind für ihn wie ein Refugium, ein Ort der Zuflucht und der Erholung.
In seinem Leben ist Horst Biewald viel gereist. Er hat Kulturen kennengelernt, ist über den Atlantik gesegelt, drei Wochen mit dem Fahrrad durch Spanien geradelt. „Das alles ist ein Lebensgefühl.” Vergleichbar mit jenem des Jodelns.
Mit sechs Jahren hat er zum ersten Mal gejodelt. Damals imitierte er den 2015 verstorbenen - damals für seine variantenreichen Jodler bekannten - Franzl Lang. Dass Horst Biewald schließlich mehr daraus gemacht hat, verdankt er schließlich dem Chiemsee Reggae Festival. Damals hatte er die glorreiche Idee, Reggae mit einem Jodler zu kombinieren. Später entstand daraus eine CD, „Boarisch Groove”. Viele Auftritte waren die Folge. Der bekannteste Jodlerlehrer Deutschlands, Jodelkaiser Josef Ecker, war später Horst Biewalds Lehrmeister. Ecker entdeckte in ihm das Talent. In Einzelstunden perfektionierte der Chiemgauer dort seine Kenntnisse. Sein Repertoire reicht von klassischen Almliedern bis hin zu modernen Interpretationen, bei denen er schon mal Blues und Country-Elemente mit dem Jodeln kombiniert. Ganz nach seinem Motto: „Die Tradition ist nicht das Hüten der Asche, sondern das Weitergeben des Feuers.” Die Offenheit hat ihm auch über die Grenzen Bayerns hinaus Bekanntheit verschafft. Beim RTL-Showact „Deutschland sucht den Superstar” unterrichtete er die Finalisten des Erfolgsformats im Skifahrerparadies Ischgl.
„Die Berge sind dabei die Tanzfläche“
„Jodeln kennt keine Altersgrenzen, keine musikalischen Vorkenntnisse - und vor allem keine Berührungsängste”, sagt Horst Biewald. Gemeinsames Jodeln sei ein „magisches Erlebnis”. Singen nimmt Ängste. Die eigene Stimme ist vergleichbar mit der Körperhaltung oder dem eigenen Gang - einzigartig. Jodeln verbindet nicht nur, sondern stärkt auch das eigene Selbstbewusstsein, sagt Biewald. Er erklärt die Technik hinter dem Jodeln mit einer Lockerheit, die sofort Begeisterung entfacht. „Man springt beim Jodeln zwischen Brust- und Kopfstimme hin und her.” Das sei wie ein Tanz der Stimme. „Die Berge sind dabei die Tanzfläche.“ Wenn mal ein Juchzer daneben geht, sei das nicht tragisch.
Der Musiker interessiert sich bereits seit Kindheitstagen für den Ruf der Alpen. Für Biewald bleibt das Juchzen und Jodeln auch im Alter ein Lebensgefühl. Eines, das er anderen weitervermitteln möchte. „Es ist nie zu spät, nochmal in eine glückliche Kindheit einzutauchen”, sagt er. Die nächsten Jodelseminare finden am 4. und am 30. Mai im Bergsteigerdorf Ramsau statt. Weitere Infos bei Horst Biewald unter www.jodeln-am-cheimsee.de.