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Pilzbericht des Bundesamts für Strahlenschutz

Tschernobyls Schatten: Schwammerl im BGL nach wie vor radioaktiv belastet

Lauter essbare Pilze
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Herbstzeit ist Pilzzeit

Fast 40 Jahre nach dem Tschernobyl-Fallout sind Pilze in der Region immer noch radioaktiv belastet. So sagt es der jährlich erscheinende Pilzbericht des Bundesamts für Strahlenschutz. Doch welche Pilzarten sind besonders betroffen und welche hingegen unbedenklich? Und wie steht es um die Belastung von Wildfleisch?

Berchtesgadener Land – Nach der Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 stellt sich auch heute immer noch die Frage, ob man Pilze wieder selbst sammeln und verspeisen darf. Die Antwort des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) lautet ja – aber. Denn: In einigen Regionen Deutschlands können Wildpilze immer noch erhöhte Werte an radioaktivem Cäsium-137 aufweisen. „Vor allem im Bayerischen Wald und den angrenzenden Gebieten, im Donaumoos südwestlich von Ingolstadt, in der Region Mittenwald und im Berchtesgadener Land können nach Angaben des Bundesamtes noch einige Pilzarten den Grenzwert für Cäsium-137 überschreiten“, heißt es in einer Pressemitteilung des BfS.

Der Grenzwert liegt bei 600 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm Frischmasse. Dieser gilt für Pilze im Handel. Für selbst gesammelte Pilze gibt es diese Beschränkung jedoch nicht. Pilzsammler sollten sich daher über ihre zusätzliche Strahlendosis durch den Verzehr von Wildpilzen informieren. „Wer seine persönliche Strahlendosis verringern möchte, sollte in den höher belasteten Gebieten Deutschlands auf den übermäßigen Genuss selbst erlegten Wildes und selbst gesammelter Pilze verzichten“, erklärt das BfS.

Bodenkontamination mit Cäsium-137 im Jahr 1986. Die aktuellen Werte lassen sich durch Multiplikation der Zahlen mit 0,41 ermitteln.

Welche Pilzarten belastet sind

Doch nicht nur auf die Region, sondern auch auf die Pilzart und die verzehrte Menge kommt es an. Der Pilzbericht des BfS erfasst jährlich aktuelle Messdaten von verschiedenen Standorten. Je nach Pilzart und Bodenbeschaffenheit zeigen sich hier deutliche Unterschiede. In den letzten Jahren (2021-2023) wiesen insbesondere Semmelstoppelpilze und Rotbraune Semmelstoppelpilze Spitzenwerte auf – teils über 4.000 Becquerel pro Kilogramm. Auch andere Pilze wie Schnecklingsarten, Gelbstielige Trompetenpfifferlinge, Maronenröhrlinge, Rotbraune Scheidenstreiflinge, Seidige Ritterlinge, Dickblättrige Schwärztäublinge und Blassblaue Rötelritterlinge erreichten an manchen Standorten mehr als 1.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm.

Entscheidend sei, wie oft und in welchen Mengen die Pilze gegessen werden. Eine Beispielrechnung des BfS verdeutlicht dies: Wer wöchentlich eine Mahlzeit aus 200 Gramm Pilzen mit 2.000 Becquerel pro Kilogramm verzehrt, nimmt jährlich eine zusätzliche Strahlendosis von etwa 0,27 Millisievert auf – vergleichbar mit 20 Flügen von Frankfurt nach Gran Canaria. Das Landratsamt Berchtesgadener Land erklärt auf Anfrage: „Hobbypilzsammler können mithilfe der vorhandenen Daten und der individuellen Risikobereitschaft eine eigene Abschätzung vornehmen. Grundsätzlich gilt für jede Art von Strahlenbelastung (auch z.B. von Flugreisen), dass sie eine Schädigung der DNA und damit die Entstehung von Krebszellen begünstigen kann. Eine unbedenkliche Schwelle kann aus medizinischer Sicht daher nicht gegeben werden.“

Unbedenkliche Pilzarten

Es gibt aber auch Pilzarten, die im Untersuchungszeitraum selbst an den am stärksten belasteten Standorten unter 5 Becquerel pro Kilogramm blieben:

  • Braunschuppiger Riesenchampignon
  • Dunkelfaseriger Champignon
  • Hasenröhrling
  • Judasohr
  • Riesenporling

Entwarnung kann das BfS zudem für Pilze aus dem Handel geben. Pilze aus Zuchten, wie Champignons oder Austernseitlinge, sind nur in sehr geringem Maß belastet. Diese Pilze werden auf Substraten angebaut, die kaum Cäsium-137 enthalten.

Wie steht es um die radioaktive Belastung von Wildbret?

Neben Pilzen sind in Südbayern auch bestimmte Wildarten durch den Fallout in Tschernobyl mit Cäsium-137 belastet. Dabei sticht laut BfS vor allem Wildschwein-Fleisch hervor. Der Grund: „Die starken Unterschiede zwischen den Wildfleischsorten beruhen im Wesentlichen auf dem Ernährungsverhalten der jeweiligen Tierarten. Da die von Wildschweinen gefressenen, unterirdisch wachsenden Hirschtrüffel außergewöhnlich hoch belastet sind (die Werte liegen hier um mehr als das Zehnfache über den Werten von Speisepilzen), ist Wildschweinfleisch deutlich höher kontaminiert als das Fleisch anderer Wildtierarten.“

Das Landratsamt Berchtesgadener Land erklärt, dass ein Wildschwein von Jägern in Eigenverantwortung untersucht werden müsse, wenn es in den Verkehr gebracht werden soll. „Dem Veterinäramt werden die Ergebnisse nur mitgeteilt, wenn der Grenzwert von 600 Bequerel/kg überschritten wird. Ab dieser Grenze kann das Wildschwein nicht mehr verzehrt werden und wird entsorgt. Die Jäger bekommen dafür vom Bundesverwaltungsamt eine Entschädigung, die in dem Fall durch das Veterinäramt beantragt werden muss.“ Ein solcher Fall sei im Landkreis Berchtesgadener Land jedoch noch nie vorgekommen.

Belastung wird mittelfristig zurückgehen

Dass die Nahrungsmittel des Waldes wesentlich höher belastet sein können als landwirtschaftliche Erzeugnisse, liegt laut BfS an der unterschiedlichen Beschaffenheit von Waldböden und landwirtschaftlich genutzten Böden. „Während Cäsium-137 in den oberen organischen Schichten des Waldbodens leicht verfügbar ist, wird es in Ackerböden stark an die vorhandenen Tonminerale gebunden, so dass es die Pflanzen kaum über ihre Wurzeln aufnehmen können.“

Das BfS geht davon aus, dass die Aktivitätswerte in Pilzen und Wildbret in den nächsten Jahren allmählich zurückgehen, da Radiocäsium langsam in tiefere Schichten des Waldbodens wandert und radioaktiv zerfällt. (mf)

Wichtige Links

Der Pilzbericht des Bundesamts für Strahlenschutz erscheint jährlich.

Auch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) führt Probenahmen und Messungen durch. Dabei werden neben vielen anderen Umwelt- und Lebensmittelproben auch Proben von Wildfleisch und Wildpilzen untersucht. Die Messergebnisse werden jeweils für die letzten drei Jahre im Internet veröffentlicht. Hier kann man nach dem Ort der Probenahme, der Probenart, dem Zeitraum und dem Nuklid (z.B. Cäsium-137) recherchieren.

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit informiert über Radioaktivität in Lebensmitteln und beantwortet die wichtigsten Fragen.

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