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Die Anbindehaltung bei Milchkühen und die Diskussionen rund um mögliche Gefahren durch den Wolf sind derzeit beherrschende Themen. Wir haben mit Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber im Interview darüber gesprochen.
Frau Kaniber, in Ihrer jüngsten Regierungserklärung skizzierten Sie Ihre Pläne für die Zukunft der Landwirtschaft. Vor allem bei der Anbindehaltung soll sich etwas ändern.
Die Nutztierhaltung ist das Rückgrat der Landwirtschaft. Die Verbraucher und auch die Wirtschaft stehen der ganzjährigen Anbindehaltung aber zunehmend kritisch gegenüber. Wir können nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern müssen jetzt handeln. Das ist im Interesse der Betriebe. Wir müssen an die Entwicklungsperspektiven der kommenden Generationen denken. Mir ist bewusst, dass das gerade für kleinere Familienbetriebe keine leichte Aufgabe sein wird. Aber wir wollen die Bauern raus aus der ganzjährigen Anbindehaltung begleiten, bevor sie irgendwann ohne Absatzmöglichkeiten dastehen. Das ist für mich ehrliche und vorausschauende Politik. Dabei ist es mir wichtig, dass wir ohne gesetzliche Vorgaben, sondern mit freiwilligen Maßnahmen und der maximal möglichen Förderung den Umstieg beschleunigen. Und es soll möglichst kein Betrieb verloren gehen. Wir stehen für eine maximale Unterstützung der Landwirte, während andere rigoros auf Verbote setzen. Klar ist auch, dass wir denen helfen müssen, die keinen Platz für einen größeren Stall haben. In meinen Augen ist die sogenannte Kombi-Haltung dabei eine Lösung, die den Betrieben Luft verschafft, in Ruhe nach einer Zukunftslösung für den eigenen Betrieb zu suchen.
Wie viele Bauern sind es denn überhaupt noch, die einen Stall mit Anbindehaltung betreiben?
Nach aktuellen Schätzungen gehen wir davon aus, dass ungefähr 10.000 Betriebe in Bayern eine ganzjährige Anbindehaltung betreiben. Insgesamt gibt es in Bayern noch ca. 14.000 Anbinde-Betriebe. Das ist mehr als jeder zweite Milchviehbetrieb. Es betrifft rund 265.000 Milchkühe, die ungefähr 24 Prozent aller Milchkühe im Freistaat ausmachen.
Reagiert die Politik da vielleicht auch auf veränderte Verbraucherwünsche?
Ja, sehr viele Leute wollen keine Milch aus Anbindehaltung mehr. Auch viele Molkereien zahlen für Anbindehaltungsmilch weniger, bzw. Milch aus Laufställen wird oft um 1,5 Cent pro Liter besser bezahlt. Wir als Freistaat schreiben nichts vor. Aber es droht, dass die Milch irgendwann nicht mehr von den Molkereien abgeholt wird und dann stehen diese Höfe vor einem Riesenproblem. Ich könnte es mir leicht machen und das heiße Eisen einfach nicht anfassen. Aber mir geht es darum, offen und ehrlich mit unseren Bauern umzugehen. Wir arbeiten daran, dass wir für jeden Betrieb eine Lösung finden.
Sensiblere Verbraucher, bewussteres Einkaufen - ein Trend der anhalten wird und sich beispielsweise auch durch die Corona-Krise nicht erschüttern lässt?
Die Menschen haben noch nie so viel Wertschätzung übrig gehabt für gesunde, regionale, saisonale und ökologisch produzierte Lebensmittel. Gerade in der Corona-Krise waren viele plötzlich bereit, mehr Geld auszugeben für hochqualitative Produkte. Diesen Trend müssen wir verstetigen. Ich will, dass diese Wertschätzung der Verbraucher zu Wertschöpfung für unsere Höfe wird. In Bayern produzieren wir nicht für den Weltmarkt, nur fünf Prozent werden in Nicht-EU-Länder verkauft. Jetzt möchte ich erreichen, dass auch in Kantinen, Kitas und Krankenhäusern mehr regionale Lebensmittel verwendet werden.
Seit Wolfssichtungen im vorigen Jahr geht bei vielen Landwirten und Almbauern am Alpenrand die Angst um. Haben Sie Verständnis oder wird das Thema vielleicht doch zu hoch gehängt?
Ich habe die Fotos von den Wolfsangriffen auf ein Wildgehege in Betzenstein bei Bayreuth gesehen. Da habe ich kein Verständnis mehr für die Leute, die sagen, das mit den Wolfrissen wäre wurscht. Tierschutz kann man aus meiner Sicht nicht eindimensional zu Gunsten des Wolfs denken. Man kann nicht sagen, der Wolf ist artenrechtlich geschützt, aber die Schafe oder die Rinder am Berg sind mir egal. Es kann deshalb nicht unsere letzte Antwort sein, auf Wolfsrisse nur mit Entschädigungen zu reagieren.
Wie soll Almbauern und Landwirten denn in dieser Sache konkret geholfen werden?
Wir unterstützen die Tierhalter seit Jahren nach Kräften - mit Beratungen und auch Förderungen zum Herdenschutz. Wir haben die Beratungsoffensive jetzt nochmal verstärkt. So können Weidetierhalter zum Beispiel in ausgewiesenen Wolfsgebieten einen bis zu 100-prozentigen Ausgleich der Kosten für Elektrozäune erhalten. Jedoch sage ich ganz klar: Gerade auf unseren Almen ist Herdenschutz oft nicht zumutbar. Wir haben deshalb eine Weideschutzkommission eingesetzt und Pilotprojekte gestartet - unter anderem im Landkreis Traunstein - um zu untersuchen: Wo kann ein Herdenschutz zum Beispiel durch Zäune umgesetzt werden und wo geht das nicht, zum Beispiel wegen zu steilen Hängen. Da, wo ein Herdenschutz nicht möglich ist und der Wolf übergriffig wird, da muss er entnommen werden dürfen.
Eine direkte Hilfe für Bergbauern mit zu steilen Hängen ist das aber auch noch nicht.
Der steigenden Wolfspopulation können wir in Bayern nur durch ein vorausschauendes Wolfsmanagement begegnen. Dazu gehört für mich auch eine Änderung der Rechtslage. Wir müssen endlich festlegen, wie viele Wölfe Deutschland verträgt. Frankreich oder Schweden haben so einen Erhaltungszustand schon bewertet und die sagen „bis hierhin und mehr geht nicht“. Auf unser Drängen gehen die Umweltminister der Länder diese Frage für Deutschland an. Dann können wir sagen, wir können soundso viele Tiere entnehmen, damit ein günstiger Erhaltungszustand gewahrt bleibt. Wir werden auch in Zukunft in Brüssel weiter für die Lockerung des Schutzstatus kämpfen. Auch der deutsche Jagdverband sagt, dass die Wolfspopulation sich in Deutschland alle drei bis vier Jahre verdoppelt. Wenn wir den Wolf gewähren lassen, verliert er seine Scheu und kommt immer näher zu unseren Weidetieren, auch zu Ortschaften und Häusern. Wenn ein Wolf übergriffig wird und das über die DNA erwiesen ist, sollte man ihn entnehmen dürfen. Niedersachsen macht das schon und wir sollten es uns zu gegebener Zeit auch trauen.
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