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Notfallsanitäter Langosch im Interview

Klinikendebatte im BGL geht in die nächste Runde und bringt „große Nachteile“ mit sich

Helmut Langosch
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Statt Notaufnahme nun ein Medizinisches Versorgungszentrum? Der langjährige Notfallsanitäter und Kreispolitiker Helmut Langosch schlägt dies zumindest vor.

Die Probleme, die die Kliniken Südostbayern (KSOB) plagen, kennt Kreisrat und Notfallsanitäter Helmut Langosch aus eigener Erfahrung. Der geplanten Schließung von Notaufnahmen in Berchtesgaden und Freilassing begegnet er mit Sorge und schlägt ein Medizinisches Versorgungszentrum vor.

Landkreis Berchtesgadener Land – „Nachdem vom Bundesgesundheitsminister angedacht wird, Gelder für Notaufnahmen freizustellen, um diese in der Peripherie adäquat für die Bevölkerung zu erhalten, müsste bei der KSOB optimiert werden“, sagt Langosch.

Herr Langosch, die Kliniken Südostbayern werden ihre Standorte umstrukturieren. Dafür zeigen Sie auch Verständnis. In welcher Hinsicht fehlt Ihnen das Verständnis aber?

Helmut Langosch: Was gesagt werden muss: Die Kliniken Südostbayern haben unter der Leitung von Dr. Gretscher im Jahr 2014 die Kliniken in einem wirtschaftlich kritischen Zustand übernommen. Über die Jahre sind sie auf ein wirtschaftlich stabiles Fundament gesetzt worden. Das alles darf trotz der aktuellen Diskussionen um Notaufnahmen, Neuausrichtung und Neubau nicht vergessen werden. Ich habe im Kreistag für eine Satzungsänderung gestimmt, da dadurch die Möglichkeit für den Erhalt aller sechs Krankenhäuser in kommunale Hand gegeben wurde und die Gefahr der Übernahme durch private Träger massiv entschärft wurde. Grundsätzlich teile ich die Meinung vieler, dass ein Krankenhaus keine Gewinne erzielen muss. Andererseits fallen immense Kosten für den Erhalt der Gebäude, für Gehälter aber auch für Qualitätssicherung an. Deshalb ist es auch richtig zu sagen, dass nicht in allen sechs Krankenhäusern jede Krankheit und jede Operation behandelt und durchgeführt werden kann. 

Das bedeutet?

Langosch: Folglich werden in Fachzentren Schwerpunkte gesetzt, was grundsätzlich richtig ist. Allerdings wird die Fachlichkeit durch die vom Bund vorgegebenen Fallpauschalen konterkariert. Die Fallpauschalen machen viele Operationen erst ab einer gewissen Anzahl pro Jahr rentabel. Die Folge davon ist, dass viele Fachbereiche auf eine Klinik zentriert werden. So wird zum Beispiel die Viszeralchirurgie oder die Gefäßchirurgie aus dem Krankenhaus Bad Reichenhall in das Krankenhaus Traunstein verschoben. Dies bringt in vielerlei Hinsicht große Nachteile nicht nur für das Krankenhaus Bad Reichenhall, sondern auch für die Bürger des Landkreises.

Sie sind selbst erfahrener Notfallsanitäter und wurden für Ihr Engagement beim Kriseninterventionsdienst erst kürzlich mit der Landkreismedaille in Gold ausgezeichnet. Sie sagen, die Reichenhaller Notaufnahme ist dem Patientenstrom nicht gewachsen. Auch nicht nach dem angekündigten Ausbau?

Langosch: Der Patientenstrom in die Notaufnahme ist immens und bedeutet für die Ärzte und Pflegefachkräfte Dauerstress. Sämtliches Personal in der Notaufnahme Reichenhall leistet Tag und Nacht weit über das normale Maß hinausgehende Arbeit. Die dauerhafte Überforderung hält man aber nicht sehr lange durch. Die Folgen sind Krankheit und vielleicht sogar Resignation aufgrund mangelnder Aussichten auf Entlastung. Den seit Jahren angedachten Ausbau der Notaufnahme begrüße ich, da dadurch für den Patienten mehr Diskretion und Einhaltung von Intimität erreicht werden kann. Ich hoffe aber, dass eine adäquate personelle Besetzung möglich sein wird.

Stundenlange Wartezeiten sind keine Ausnahme. Der Ruf der Reichenhaller Notaufnahme ist Ihrer Ansicht nach nicht besonders gut. 

Langosch: Die Satzungsänderung hat es den KSOB ermöglicht, Notaufnahmen zu schließen. Unter anderem mit der Begründung, dass die niedergelassenen Hausärzte für diese Versorgungen zuständig seien. Notaufnahmen sind für ein Krankenhaus defizitär und nicht zuletzt deswegen wurden sie auch stiefmütterlich behandelt, wie man an den Häusern in Freilassing und Berchtesgaden sieht. Diese Notaufnahmen einfach kurzfristig zu schließen, ohne auch nur annähernd Ersatz zu stellen, empfinde ich als sehr schwierig. Ich spreche hier von 6000 ambulanten Patienten pro Jahr allein im Haus in Berchtesgaden. Da wundert es auch nicht, dass die Notaufnahme in Bad Reichenhall dem Patientenstrom nicht mehr gewachsen ist. Wenn man eine so gravierende Entscheidung wie das Schließen von zwei der drei Notaufnahmen im Landkreis durchsetzt, braucht man konstruktive, über einen längeren Zeitraum geplante Maßnahmen.

Die da wären?

Langosch: Wenn drei Präventivmaßnahmen in angemessener Form vor rund zwei Jahren konsequent verfolgt worden wären, hätte sich manche Debatte erübrigt. Erstens hätte man der niedergelassenen Ärzteschaft die Schließungsabsicht zeitig mitteilen müssen, damit diese Möglichkeiten erarbeiten kann, um auf die Veränderungen zu reagieren. Ihre Praxen sind meistens genauso von Patienten überlaufen wie die Notaufnahme in Bad Reichenhall. Eine Möglichkeit wäre, in der alten Notaufnahme in Berchtesgaden ein Medizinisches Versorgungszentrum einzurichten. Eine Kassenzulassung dafür besteht. Auch eine Röntgenabteilung mit Kassenzulassung und ein CT existieren derzeit noch. Zweitens hat der Rettungsdienst durch die Zentralisierung der Notaufnahmen jetzt wesentlich weitere Wege zu bewältigen, verbunden mit längerer Einsatzdauer. Häufig stehen mehrere Rettungswagen vor der Notaufnahme in Reichenhall und warten darauf, ihre Patienten zu übergeben. In dieser Zeit stehen die Fahrzeuge nicht für die Notfallrettung zur Verfügung. Dem Rettungszweckverband sollte die Möglichkeit gegeben werden, das gravierende Defizit zu beheben. Drittens: Auch eine entsprechende Information an die Bevölkerung im Landkreis über die Umstrukturierung der Krankenhäuser und ihre Folgen wäre in meinen Augen hilfreich gewesen. Es kann nicht sein, dass man tagsüber zu Geschäftszeiten wegen kleiner Kratzer, Halsweh oder Übelkeit in die Notaufnahme eines Krankenhauses läuft, nur um mögliche Wartezeiten in einer Arztpraxis zu umgehen. Da ist Eigenverantwortung der Bürger gefragt und durch gute Information in der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Ihre Befürchtung ist, dass Patienten künftig weitere Wege in Kauf nehmen und gleich nach Salzburg oder Traunstein fahren. Ist das benachbarte Österreich auf zusätzliche Patienten aus Deutschland vorbereitet? 

Langosch: In Österreich ist für uns das Landeskrankenhaus, die Christian-Doppler Klinik und das Unfallkrankenhaus in Salzburg relevant. Dort haben sie mit ähnlichen Schwierigkeiten in der Krankenhausstruktur zu kämpfen wie in Deutschland. Wir sind dankbar, dass wir bei schwerverletzten Patienten und kritischen Krankheitsbildern die großen Fachkliniken als Anlaufpunkt haben. Allerdings wurden auch hier schon manchmal Patienten aus Kapazitätsgründen abgelehnt. Wir sollten vermeiden, die Ausnahme zum Regelfall zu machen. 

Ihre Sorge ist, dass Mediziner aus Reichenhall abwandern werden. Worin liegt Ihre Sorge begründet? 

Langosch: Ein Chirurg, der Karriere machen möchte und im Krankenhaus Reichenhall nicht gefordert wird, wird sich in anderen Krankenhäusern bewerben. Dort, wo er seine Karrierevorstellungen eben erreichen kann. Es ist essenziell, im Krankenhaus Reichenhall neben der Internen Abteilung auch in der Chirurgie und der Unfallchirurgie das Niveau hochzuhalten. Es sollte vermieden werden, dass in zehn bis fünfzehn Jahren das Krankenhaus in Reichenhall, ähnlich wie heute die Krankenhäuser Berchtesgaden und Freilassing, aus der Akut-, Regel- und Grundversorgung abgeschnitten wird.

Was sind die nächsten wichtigen Schritte? 

Langosch: Nachdem vom Bundesgesundheitsminister angedacht wird, Gelder für Notaufnahmen freizustellen, um diese in der Peripherie entsprechend adäquat für die Bevölkerung zu erhalten, müsste bei der KSOB optimiert werden. Der Minister möchte in den nächsten Jahren den die Kliniken dominierenden wirtschaftlichen Faktor ‘Fallpauschalen’ abschaffen. Meine Bitte an alle verantwortlichen Entscheidungsträger der KSOB: Den Status quo der Kliniken Südostbayern noch einmal zu prüfen. Optimiert werden müssten die geplanten Strukturänderungen nicht nur aus aktueller wirtschaftlicher Sicht, sondern auch ganz pragmatisch aus dem medizinischen Bedürfnis aller Bewohner aller Gemeinden.

kp

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