Planungen für Gewerbegebiet vorgestellt
„Lärmkontingent“ aufgebraucht - dennoch neue Hallen für Marzoll Türk-West
Im Bad Reichenhaller Stadtrat wurden am 18. April die Pläne für die Erweiterung des Gewerbegebiets Türk-West in Marzoll präsentiert. Unter anderem soll der Pidinger Früchtegroßhändler Maier dort ansässig werden. Das Problem: Der Lärmschutz. Obwohl nachts dort nur sechs LKW fahren dürfen, sollen drei neue Hallen entstehen. Bereits jetzt wird das Gebot nicht eingehalten. Einige Stadträte zeigten sich über das Projekt in dem kleinen Ortsteil empört.
Bad Reichenhall – Die Planungen zur Erweiterung des Gewerbegebiets Türk-West in Marzoll nehmen inzwischen erste Formen an. Der Stadtrat hatte bereits am 14. Dezember 2021 die Beschlüsse zur Aufstellung eines Bebauungsplans, zur Änderung des Flächennutzungsplans, zur Regelung eines Kostenübernahmevertrags und zur Beauftragung der Verwaltung gefasst.
Inzwischen wurde die Planung für das Gebiet konkretisiert. Am Dienstag (18. April) stellte Planer Wolf Steinert die Entwürfe dem Stadtrat vor: Im südwestlichen, bereits bestehenden Teil des Gebiets soll die Maier Früchtegroßhandel GmbH & Co KG ansässig werden. - Mit einer Lagerhalle sowie einem dreigeschossigen Bürogebäude. Im nordöstlichen, neuen Teil sind drei Hallen - zum einen für die Vormontage und Kommissionierung von Liebherr Bischofshofen GmbH - vorgesehen. In einer der Hallen können zum anderen einheimische Betriebe und Handwerker Flächen zur dauerhaften Nutzung anmieten. Das bestehende Bürogebäude der Firma ICS bleibt erhalten und wird als Hauptbetriebssitz genutzt. Die Firma Obst Maier wollte sich ursprünglich im Pidinger Ortsteil Urwies ansiedeln. Der Gemeinderat stimmte dann aber doch dagegen.
Im Beschlussvorschlag ging es darum, „nur ein Stimmungsbild einzuholen, ob wir auf dem richtigen Weg sind“, so Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung. „Wir haben 2021 ganz bewusst gesagt, wir wollen keinen Salamitaktik mehr.“ Auch wenn sich einige Stadträte mehr Bedenkzeit gewünscht hätten, um sich intensiver mit den Planungen beschäftigen zu können, wurde schließlich der Beschluss gefasst: Mit acht Gegenstimmen sprachen sich die Mitglieder des Gremiums mehrheitlich für eine Fortsetzung der Planungen aus. Dem vorausgegangen war allerdings eine Diskussion, in der sich auch die langjährige Vorgeschichte widerspiegelte.
Heiße Diskussion über Immissionsgutachten
Im Zusammenhang mit dem Immissionsgutachten ist laut Steinert eine schalltechnische Untersuchung in dem Gebiet erfolgt. Es seien zusätzlich die Zufahrtsbereiche, also auch die öffentlichen Straßen untersucht worden. „Das müssen wir nicht, aber wir wollten es wissen.“ Nachts sei das Kontingent für Lärm in dem Areal bereits ausgeschöpft. Somit könnten sich in dem neuen Teilgebiet, östlich der Gauglgasse, auch nur Gewerbe ansiedeln, die nachts keine Immission erzeugen.
Manfred Hofmeister (Bürgerliste) bemängelte, dass bereits jetzt das nächtliche Gebot von maximal sechs LKW nicht eingehalten werde. Es gäbe intelligentere Lösungen als eine Logistikdrehscheibe, denn „die gehört eher in ein Industriegebiet als ein Gewerbegebiet.“ Die Halle für Handwerker aus der Region sei „nur ein kleines Angebot, um besser auszusehen.“ Mehrmals sprach sich Hofmeister für ein Mischgebiet aus. Der Wertverlust von Nachbarimmobilien und weitere Rechtsstreitigkeiten seien bei der neuen Planung nicht ausgeschlossen. Es finde eine „massive Zerstörung des kleingliedrigen Ortsbildes“ statt. Steinert entgegnete, dass es sich hierbei um „keine besonders schöne Wohnlage“ handle. Mischgebiete entstünden eigentlich nur da, wo schon Bestand ist. Diese neu zu planen, sollte man dringlichst vermeiden. „Wir machen ein Gewerbegebiet, schränken aber Tag und Nacht so ein, dass es einen deutlichen Puffer gibt.“ Auch die drei neuen Hallen würden zum Lärmschutz beitragen, da einerseits ihre Höhe den Lärm nach außen eindämme und durch die mittlere Halle kein Platz für einen Hof und damit für zusätzlichen Lärm entstehe.
Rainer Hüller (Grüne) zeigte sich ebenfalls angesichts des Immissionsgutachtens unzufrieden: „Wäre ich nicht hier im Stadtrat, würde ich sagen: ‚Samma ganz dammisch worn?‘ Wir sind ein Luftkurort. Wir geben 300.000 Euro für das Projekt ‚So(u)leness‘ aus und gleichzeitig verpesten wir die Luft mit Logistikunternehmen. Wir haben jetzt schon so viel Verkehr. Mit einer Kurstadt passt das nicht zusammen.“
Vorschlag zur Ortsbesichtigung findet Zuspruch
Man müsse mit dem Eigentümer den Weg der Verständigung gehen, meinte Lung. „Wir müssen klare Vereinbarungen treffen, was in dem Gebiet passiert.“ Dafür gäbe es dann als Instrumente den Bebauungsplan und den städtebaulichen Vertrag. „Ich finde, es ist eine gute Entwicklung“.
Laut Friedrich Hötzendorfer (FWG) „ist der Wildwuchs, der momentan stattfindet, nicht zu akzeptieren. Er wird ja durch die Planung nun eingedämmt. Das ist ein deutlicher Fortschritt zum jetzigen Zustand.“ Zur optischen Wirkung meinte er: „Ich habe keinen Anspruch auf eine schöne Aussicht. Der Lärmschutz ist notwendig und gegeben. Grundsätzlich stehen wir dem positiv gegenüber.“
Um sich ein besseres Bild machen zu können, schlug Stephanie Kunz (CSU) vor, die Örtlichkeit zu besichtigen. Die Anregung fand viel Zuspruch. Michael Nürbauer (Grüne) bestätigte: „Vor Ort anschauen macht mehr Sinn als im Stadtrat. Das ist ja eine Scheußlichkeit ersten Ranges.“ Auch Lung zeigte sich einem Besichtigungstermin gegenüber offen und betonte, dass der aktuelle Beschluss noch keine Endentscheidung sei. Die Verwaltung solle lediglich wissen, dass die Richtung stimme.
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Rubriklistenbild: © Collage Stadt Bad Reichenhall, mf
