Erstes Naturdenkmal in Freilassing
Napoleons Truppen sind an ihnen vorbeigezogen: Stumme Zeitzeugen ausgezeichnet
Freilassing hat sein erstes Naturdenkmal. Es handelt sich um zwei Winterlinden, die an der Ehamer Straße stehen. In der Region gibt noch einige weitere interessante Linden, die geschützt sind. Wir haben uns erkundigt, warum uns gerade alte Bäume so faszinieren, wie man sie bewahrt und pflegt und warum sie noch leben, selbst wenn sie innen hohl sind.
Freilassing – Seit über zwei Jahrhunderten stehen sie als stumme Zeugen da: Die beiden Winterlinden in Eham haben einen stolzen Umfang von 2,60 und 4,80 Metern. Als Naturdenkmal sind sie nun davor geschützt, entfernt, zerstört oder verändert zu werden. Im Traufbereich darf nicht gegraben oder gebohrt werden. Auch Pflanzenschutzmittel, Mineraldünger oder andere chemische Substanzen müssen fern bleiben. Wurzel, Rinde, Äste und Zweige dürfen nicht verletzt oder abgeschnitten werden. Veränderungen sind generell nur zulässig, wenn sie zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Naturdenkmals beitragen. Als Naturdenkmal sind die Linden auch prägender Bestandteil der Kulturlandschaft.
Die Linde – ein Baum mit Kulturgeschichte
Die Linde galt schon bei den Germanen als heiliger Baum. Von Alters her war die Dorflinde ein Treffpunkt, an man Nachrichten ausgetauscht hat, auf Brautschau gegangen ist und Feste gefeiert hat. Als „Tanzbaum“ ist sie auf vielen Bildern verewigt. Hier wurde meist auch das Dorfgericht abgehalten. Nach Kriegen und Pandemien hat man Linden als Friedensbäume gepflanzt. Man findet sie ebenso als Gedenkbaum an vielen religiösen Stätten. Lindenblätter und -blüten sind selbst heute noch ein beliebtes Naturheilmittel gegen verschiedenste Wehwehchen. Dr. Daniel Müller von den Bayerischen Staatsforsten Berchtesgaden schätzt vor allem ihr „wunderschönes Holz. Viele alte Kirchen haben schöne Skulpturen aus Lindenholz, das sehr weich ist und sich gut zum Schnitzen eignet.“
„Das Alter wird oft vom Bürgermeister bestimmt“
Naturdenkmäler weist die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts aus. Aber auch die Bayerischen Staatsforsten halten alte Bäume für schützenswert. Nach ihrem internen Naturschutzkonzept bezeichnen sie alte Exemplare als Methusalem-Bäume. Sie müssen dafür eine gewisse Dimension überschritten haben. Bei Linden heißt das, das sie auf einer Höhe von 1,30 Metern mindestens einen Durchmesser von 80 Zentimetern haben. Diese Bäume sind dann geschützt und werden nicht mehr gefällt. „Wir zeigen dadurch unsere große Verbundenheit mit altehrwürdigen Bäumen. Wir haben einfach Respekt vor dem Alter. So wie wir einen hundertjährigen Menschen ehren, tun wir es auch bei mehrere hundert Jahre alten Bäumen“, so Müller.
Alte Bäume können, selbst wenn sie krank sind, von Nutzen sein und etwa Biotopbäume werden. Ihre Höhlen bewohnen dann Vögel und Fledermäuse und im Totholz können seltene Käfer Larven entwickeln. Somit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität.
Viele bekannte alte Linden werden gerne als 1000-jährig bezeichnet. „Das Alter wird dabei aber oft vom Bürgermeister bestimmt“, schmunzelt Müller. Will man das Alter eines Baumes exakt feststellen, muss man mit einem speziellen Bohrer einen Bohrkern entnehmen und die Jahresringe abzählen. Dabei wird aber der Baum verletzt. Pilze und Keime können eindringen. „Daher machen wir das nur in Ausnahmefällen. Manchmal gibt es auch urkundliche Erwähnungen, die Aufschluss auf das Alter eines Baumes geben.“
Ein alter Baum braucht besondere Pflege
Baumpfleger Florian Görgmeier aus Waging kennt berufsbedingt viele Naturdenkmäler in der Region und weiß, dass jedes Exemplar einen besonderen Maßnahmenplan erfordert. „Das Schneiden ist in solchen Fällen eher kontraproduktiv, da es immer neue Wunden schafft. Häufig werden aber Seilsicherungen verbaut, bei denen Äste oder Kronenteile mit Seilen gegenseitig verbunden werden.“ Es gibt auch Untersuchungen mit Ultraschall, durch die man feststellen kann, wie der Holzkörper innen aussieht.
Viele alte Bäume sind innen hohl. Görgmeier gibt zu bedenken: „Ein Stahlrohr ist innen auch hohl, hat aber dennoch Festigkeit. Solange der Radius geschlossen ist, ist das überhaupt nicht tragisch.“ Dr. Müller von den Staatsforsten bestätigt: „Ein Baum macht an Außenseite jedes Jahr einen neuen Ring. Nur die äußeren 10 bis 20 Jahre sind lebendig. Das Innere dient nur noch der Struktur und Stabilität. Der Saft fließt über die äußeren Ringe.“ Die größte Gefahr für alte Bäume ist laut Görgmeier inzwischen nicht mehr der Wind, sondern die Klimaerwärmung. Lange Trockenheit setze ihnen am meisten zu.
Weitere berühmte Linden in der Region
Bei uns gibt es einige bekannte Linden, die als Naturdenkmal geschützt sind:
- Die Hindenburglinde oder Große Linde in der Ramsau ist ein ganz besonderer Baum: an der „Taille“ hat sie einen Umfang von elf Metern. Mit einem Kronendurchmesser von dreißig Metern zählt sie zu den stärksten und größten Linden Europas. Schätzungen über das Alter gehen von 600 bis 1000 Jahren.
- Die Antenberglinde am Carl-von-Linde-Weg am Obersalzberg ist nach der Hindenburglinde wohl die zweitälteste im Landkreis. Ihr Stamm hat einen Umfang von neun Metern. Sie ist 400 bis 500 Jahre alt.
- Die Leitenlinde beim Feuerwehrhaus in der Oberau ist etwa 400 Jahre alt, liegt auf 925 Metern und ist damit das höchstgelegene Naturdenkmal im Berchtesgadener Land.
- Die Sommerlinde bei der Kapelle in Kleinrückstetten bei Teisendorf wird auf über 300 Jahre geschätzt. Sie ist etwa 28 Meter hoch.
- Die Steinerlinde am Bischofswieser Reitweg ist um die 500 Jahre alt. Sie hat einen Stammesumfang von über sechs Metern und ist einer der imposantesten Bäume in der Region.
- In Bayerisch Gmain steht an der Dözelkapelle die älteste Linde der Gemeinde. Sie ist an die 200 Jahre alt.
- An der Thundorfer Kirche in Ainring befinden sich drei Linden. Die älteste davon ist fast 300 Jahre alt.
Naturdenkmäler müssen übrigens nicht immer Bäume sein. So sind etwa auch die Schellenberger Eishöhle, die Steinerne Agnes und die Almbachklamm als Naturdenkmal ausgewiesen.
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