Setzen Verkäufer potentielle Kunden unter Druck?
Massive Kritik an Glasfaser-Plakaten und Werber in Freilassing
Die Präsentation von Giga-Netz im Stadtrat am Dienstagabend (4. Juli) hatte so positiv begonnen: Die Vermarktung des Glasfaser-Anbieters Giga-Netz laufe gut, rund 15 Prozent der Haushalte hätten schon einen Vertrag abgeschlossen. Doch dann brandete eine Welle an Kritik auf, quer durch alle Fraktionen, der Tenor: Die orangen Plakate in allen Stadtteilen seien zu massiv und, die Werber für die Verträge würden zum Teil wenig Ahnung haben und mögliche Kunden unter Druck setzen.
Freilassing - Doch der Reihe nach: seit Anfang Mai hängen gefühlt hunderte Plakate an den Straßenlaternen, die sinngemäß verkünden, dass man zum Überleben neben Strom und Wasser auch Glasfaser bräuchte. Möglich macht diese massive Werbeaktion die Kooperation der ‚Deutschen GigaNetz‘ mit der Stadt, die sich dadurch einen raschen Glasfaserausbau im Stadtgebiet erhofft. „Mitte Mai sind wir mit der Vermarktung gut gestartet“, so Weng, „derzeit stagniert es ein wenig, darum haben wir vergangene Woche eine Pause gemacht, damit nicht zu oft an den Wohnungstüren geklingelt wird“.
Deadline für den Verkauf ist der 31. Juli, dann sollen rund 28 Prozent der Haushalte einen Vertrag abgeschlossen haben, damit sich der Ausbau überhaupt lohnt, „denn wir sind eine Investorengruppe“, betonte Weng in seiner Präsentation mehrmals. Wenn der vereinbarte Wert erreicht sei werde ab September mit der Planung begonnen, Ende dieses Jahres mit dem Bau und ab 2024, 2025 könnten sich dann die Haushalte über superschnelles Glasfaser-Internet freuen. Soweit die Theorie.
Ein „Nein Danke“ wird offensichtlich nicht akzeptiert
In der Diskussionsrunde war von den möglichen Vorteilen keine Rede mehr, mit Hubert Kreuzpointner von der CSU begann die massive Welle der Kritik: „Ich bin unglücklich über die Arbeit der Werber, die wollen irgendwo auf einem Zettel eine Unterschrift, auf Fragen haben sie wenig bis keine Antworten, hier muss mehr Vertrauen aufgebaut werden“, er bittet darum, hier Mitarbeiter mit mehr Fachwissen einzusetzen.
„Nicht so konziliant“ trug Robert Judl von ‚Pro Freilassing‘ seine Kritik vor: „Es kann nicht sein, dass am Montag ein Bürger bei einem ihrer Mitarbeiter ablehnt, am Mittwoch kommt erneut ein Mitarbeiter, unfreundlich mit einem Anschlusszwang argumentierend und am Freitag kommt dann der dritte Verkäufer, das geht in Richtung ‚unter Druck setzen‘“, berichtete Judl über die Erlebnisse eines Bürgers, der dreimal sein Desinteresse bekunden musste.
Bettina Oestreich von den Freien Wählern meinte, sie hätte schon beim Abschluss des Kooperationsvertrages „Bauchschmerzen“ gehabt, beim Googeln des Anbieters hätte sie viele negative Kommentare gelesen. „Wegen des Kooperationsvertrages zwischen Giga-Netz und der Stadt sehen die Bürger auch uns Stadträte in der Pflicht“, so Oestreich, „wenn da Beauftrage an der Haustür auf Visitenkarten die offiziellen Telefonnummern von Giga-Netz durchstreichen und ihre private drauf schreiben dann möchte ich als Stadt mit diesen Methoden nichts zu tun haben“.
Der Vertreter von Giga-Netz versprach zwar jedes Mal, er werde sich darum kümmern und man solle ihm die entsprechenden Fälle melden, „das sind Mitarbeiter von gebuchten Agenturen, die das machen“, verteidigte aber gleichzeitig das Haustürgeschäft, das eben bisher rund 90 Prozent der Verträge liefere, „und die Stornoquote liegt derzeit bei nur drei Prozent“. Ob Stornierungen tatsächlich akzeptiert werden ist nach den Beobachtungen der Stadträte aber auch unklar, Julia Albrecht wusste von Fällen zu berichten, wo dies offensichtlich nicht geschah, „auch nach einem Storno kommen Unterlagen mit der Überschrift ‚Herzlich Willkommen bei Giga-Netz‘“.
„Bürger haben genug von den orangen Plakaten“, Hubert Kreuzpointner
Neben den Verkaufsmethoden stößt den Stadträten auch die massive Plakatierung sauer auf, es gibt keinen Straßenzug in dem nicht mehrere, orange Giga-Netz Plakate an den Straßenlaternen hängen. „Wenn die Verkaufsfrist am 31. Juli ausläuft hängen sie die Plakate bitte unverzüglich ab“, forderte zum Beispiel Hubert Kreuzpointner, „die Bürger haben genug von den orangen Plakaten“. Der Giga-Netz-Vertreter ahnte den politischen Hintergrund, den nahenden Landtagswahlkampf und versprach: „Zum Wahlkampf werden sie abgehängt sein“.
Auch Josef Kapik, CSU, reagiert scharf, zum Teil würden die Plakate über privaten Grundstücken hängen, was den Glasfasernetz-Vertreter einmal mehr animierte, dass man eben den Investoren verpflichtet und die Plakataktion zwingend notwendig sei. Eine Überprüfung einzelner Standorte sei jetzt, drei Wochen vor dem Ende, aber nicht mehr notwendig, meine Kapik.
Bürgermeister Markus Hiebl erinnert an den Sinn des Kooperationsvertrages mit Giga-Netz, „Sie wissen, wie schwer wir uns als Stadt mit dem Breitband-Ausbau in der Vergangenheit getan haben“. Jetzt dürfe man das Ziel, also den Ausbau, nicht aus den Augen verlieren und die Zusammenarbeit mit Giga-Netz nicht schlechtreden. Dieser Wunsch kam - am Ende der Diskussion – zu spät.
hud