Viele Bürger und Unternehmen stellen schon um
„Wir wollen keinen Atomstrom aus Frankreich“: Heiße Diskussion um Heizungsgesetz in Freilassing
Wie von der Bundesregierung im geplanten Gebäudeenergiegesetz – besser bekannt als Heizungsgesetz – gefordert wird Freilassing eine Wärme- und Transformationsplanung in Auftrag geben. Der Stadtrat stimmte dafür, dass im gesamten Stadtgebiet Potenziale für die künftige Energieversorgung gefunden werden, und zwar für die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Der Energieversorger Bayernwerk stellte dazu in der jüngsten Stadtratssitzung die Grundlagen und mögliche Potentiale vor, diese wurden in der anschließenden Diskussion der Stadträte aber durchaus kritisch gesehen.
Freilassing - Bürgermeister Markus Hiebl startete mit viel Eigenlob, die Stadt habe schon vieles geschafft, „wir haben die richtigen Beschlüsse gefasst, das war der richtige Weg“, auch Christina Albrecht und Tobias Rohrmüller von der Bayernwerk-Tochter „Natur“ meinten, Freilassing habe schon viel Vorarbeit geleistet, zum Beispiel mit dem Energieverbund. Neu ist, dass Freilassing ein geothermisches Potenzial habe, also möglicherweise Erdwärme in großer Tiefe nutzen könnte, hier müsste es allerdings erst Probebohrungen geben.
Hiebl berichtete von einem „großen Unternehmer“, der seine Liegenschaften ebenfalls überprüfen habe lassen und zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen sei wie die Bayernwerk Natur-Analyse. Der Bürgermeister wiederholte mehrmals, dass sich bei 120 befragten Kommunen zum Thema Wärmeplanung schon 96 Prozent „auf den Weg gemacht haben“. Freilassing muss – vorausgesetzt das geplante Heizungsgesetz wird nach der Sommerpause tatsächlich beschlossen – bis 2028 ein Konzept für ein kommunales Wärmenetz vorlegen.
„Reagieren auf ein Gesetz, das es noch gar nicht gibt“
Ob das Heizungsgesetz im Herbst tatsächlich ohne neuerliche Änderungen beschlossen wird bezweifeln viele, unter anderem CSU-Fraktionsführer Hubert Kreuzpointner, „wir gehen heute mit einem unausgegorenen Gesetz los, das es noch gar nicht gibt. Ich halte es für falsch jetzt schon zu entscheiden“. Fernwärme sei an sich gut, aber man solle sich jetzt noch auf keine Technologie festlegen. Außerdem sei die Ampelregierung womöglich schon früher am Ende als das Heizungsgesetz greife, so Kreuzpointners offensichtlicher Seitenhieb auf die Bundesregierung, was im bayerischen Landtagswahlkampf bei CSU-Wählern sicherlich immer gut ankommt. Hiebl ahnte, in welche Richtung die Diskussion gehen könnte und stieg auf die Bremse: „Bitte lassen wir die Bundespolitik außen vor“.
Woher soll der Strom kommen?
CSU-Stadtrat Michael Helminger ließ aber nicht locker und sah ein prinzipielles Energieproblem: „Wir wollen keinen Atomstrom aus Frankreich, keinen Kohlestrom aus Polen, aber was machen wir bei Windstille, wenn keine Sonne scheint, bei Nacht?“. Geothermie und Grundwasser scheinen möglich, aber was garantiere Energie zu Spitzenzeiten? Freilassing sei mit Hackschnitzel im Energieverbund gut aufgestellt, aber das sei nun vom Bundesgesetzgeber auch nicht mehr gewollt.
Hiebl reagierte und meinte, dass man bei der Anlieferung von Pellets auch die Lieferkette beachten müssen, also woher sie kommen. „In Freilassing stoßen wir mit den städtischen Wäldern an die Grenzen“. Die zugeschaltete Expertin Britta Kleinertz von der Münchner Forschungsgesellschaft für Energie gab zu bedenken, dass ohnehin nur 25 Prozent der Wärmegewinnung aus Biomasse sein dürfe wenn man für den Bau der Anlagen eine Förderung wolle.
Helminger war mit seiner Ampel-Kritik aber noch nicht am Ende, „unsere Regierung – gemeint war die Bundesregierung. Anm. – hat noch nicht am Schirm wie viel Strom wir in Zukunft überhaupt brauchen“. ‚Pro Freilassing‘-Stadtrat Christoph Bräuer erkannte ein weiteres Problem: „Es wird mehr Strom produziert und mehr Strom verbraucht, aber schaffen das die Netze?“ Schon jetzt sei man im Stadtgebiet zum Teil an der Kapazitätsgrenze.
Wasser zu wertvoll für Stromgewinnung?
Das vom Bayernwerk erkannte Potential „Grundwasser“ wollte Thomas Ehrmann von den Freien Wählern nicht recht erkennen, „die Grundwasserspiegel sinken bekannter weise und Wasser wird zu wertvoll werden zur Energiegewinnung“. Die im Stadtrat anwesende Bayernwerk Natur-Expertin entgegnete, dass es natürlich erst Bohrungen geben müsse um zu testen, ob genug Wasser in den Grundwasserspiegel nachkomme. Das überzeugte Ehrmann aber nicht, „denn diese Tests beschreiben dann ja nur den Ist-Zustand, aber wenn wir dann nichts mehr zum Garten gießen und zum trinken haben?“. Hier schaltete sich erneut die zugeschaltete Expertin aus München ein und beschwichtigte, „in der Region wird Trockenheit keine große Rolle spielen“.
Dass das Heizungsgesetz nicht nur von Bund, Land und Kommunen umgesetzt werden könne stellte Edeltraud Rilling von den Grünen fest. „Egal welche Regierung an der Regierung ist, wir müssen uns umstellen und dazu braucht es auch eine Bürgerbeteiligung“. Der Staat könne kein Rundum-Sorglos-Paket schnüren, „sonder jeder ist gefordert“. Viele Bürger und Unternehmen stellen schon jetzt um.
hud