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Die vergessene Geschichte des Führerhauptquartiers

Vor 100 Jahren kam Adolf Hitler zum ersten Mal an den Obersalzberg

In fast jedem Ort des Reiches wurde eine Straße nach Adolf Hitler benannt. Das Schild war Teil der bereits geschlossenen, alten Ausstellung der Doku Obersalzberg.
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In fast jedem Ort des Reiches wurde eine Straße nach Adolf Hitler benannt. Das Schild war Teil der bereits geschlossenen, alten Ausstellung der Doku Obersalzberg. 

Dass Adolf Hitler zum ersten Mal den Obersalzberg besuchte, war vor 100 Jahren - Anfang Mai 1923 war es, sagt Albert Feiber. Mehr als 1000 Tage, rund ein Viertel seiner Regierungszeit, verbrachte er zwischen 1933 und 1945 in Berchtesgaden, im Führerhauptquartier, das in dieser Zeit zu einem der wichtigsten Herrschaftszentren des NS-Staates wurde, wie der Historiker des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin weiß. 

Wie Hitler nach Berchtesgaden kam? Den Weg hierher fand er durch den antisemitischen Schriftsteller und Verleger Dietrich Eckart. Die beiden hatten sich in der Münchner Parteien-Szene kennengelernt, weiß Albert Feiber, stellvertretender Fachlicher Leiter und Kurator der Dokumentation Obersalzberg. Als begabter Redner verschaffte Hitler der DAP, die 1920 im Münchner Hofbräuhaus zur NSDAP umbenannt wurde, zunehmende Popularität. Im Juli 1921 wurde Hitler deren Parteivorsitzender. Die Partei verstand er in seinem Sinne zu instrumentalisieren.

Auch Dietrich Eckart war Parteimitglied. Im März 1923 sollte er sich wegen Ausfällen gegen den sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert vor Gericht in Leipzig verantworten. Ein Strafverfahren war gegen ihn anhängig geworden. Er machte sich aus dem Staub: Eckardt flüchtete auf den Obersalzberg - mit tatkräftiger Unterstützung von Christian Weber.

„Weber war berühmt berüchtigt, einer der ältesten Münchner Nazis, eine NS-Lokalgröße”, weiß Albert Feiber. Weber empfahl Eckart den Obersalzberg, wo er selbst ein Jagdrevier im Bereich des Hochlenzers hatte. Versteckt hielt sich Eckart, damals 55 Jahre alt, in der Pension Moritz. Christian Weber war es schließlich auch, der Hitler bei seinem ersten Besuch am Obersalzberg zwei Monate später begleitete.

Historiker Feiber sagt, dass die 1920er-Jahre am Obersalzberg eine Zeit ohne viele Quellen sei. Zwar gibt es eine Menge Indizien, doch in der Literatur findet sich kaum etwas. Vieles bleibt unklar. Seit 1922 gab es in Berchtesgaden eine der frühesten Ortsgruppen der NSDAP außerhalb Münchens. „Es entstand eine enge Verbindung zwischen dem Münchner Zirkel und der Berchtesgadener Ortsgruppe. Parteimitglied Dietrich Eckart unterstützte die Ortsgruppe. „Hitler fühlte sich dort wohl”, so Feiber. Für Hitler dürfte Berchtesgaden ein interessantes Fleckchen gewesen sein: weit entfernt von der Stadt und nah an der Grenze. Gab Hitler das eine gewisse Form der Sicherheit?

Der Obersalzberg war zu dieser Zeit bereits Höhenkurort. Die Entwicklung von der idyllischen Berglandschaft, in der vor allem Bergbauern karge Landwirtschaft betrieben, hatte Anfang des 19. Jahrhunderts begonnen. Die Arbeit warf nicht viel ab. Seit der Besiedlung lebte man von Nebenverdiensten, viele sicherten ihr Zubrot als Salinenarbeiter in den umliegenden Bergwerken, als Waldarbeiter oder verrichteten Holzarbeiten als Schnitzer.

Neue Einnahmequellen erschließen sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der Tourismus am Berg Einzug hält und vor allem zahlungskräftige Städter anlockte. Die erste Fremdenpension am Obersalzberg war die Pension Moritz, eben jene, in der später Dietrich Eckart Zuflucht suchte. Mauritia Mayer hatte die Pension 1878 eröffnet. Der zunehmende Fremdenverkehr schuf neben der besonderen landschaftlichen Kulisse ein vielfältiges Angebot.

Hitler soll von der Natur und dem alpinen Klima am Obersalzberg begeistert gewesen sein. „Hitler behauptete mal, er habe sich bei seinem ersten Besuch in die Landschaft verliebt”, weiß Albert Feiber. Auf Parteiveranstaltungen in Berchtesgaden sprach Hitler vor vielen Leuten, etwa im Hotel Watzmann oder im Gasthaus Krone. Es gab Sprechabende mit Prominenz aus München. “Der Zulauf war enorm”, weiß Albert Feiber.

„Hitlers Milieu war weniger die schöne Landschaft, sondern das soziale Umfeld. Er lernte in Berchtesgaden viele Leute kennen”, so der Historiker. Hitler schuf sich ein großes Netzwerk vor Ort. Der Wahl-Berchtesgadener verstand sich mit den Menschen auch auf „unpolitischer Ebene”. Nach dem Hitlerputsch, dem Versuch der Machtergreifung der NSDAP in Bayern sowie der Beseitigung der parlamentarischen Demokratie in ganz Deutschland, kam Hitler in Festungshaft nach Landsberg. Die Zeit dort: komfortabel. Hitler konnte Besucher empfangen. Er schrieb den ersten Band von „Mein Kampf“. Vorzeitig wird er 1925 entlassen, Dietrich Eckart war zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben.

Im Blick hatte Hitler den Obersalzberg, wohin er sich zurückzog. Unter dem Namen Hugo Wolf mietet er sich in der Pension Gebirgskurhaus Obersalzberg ein. In einer kleinen Blockhütte auf dem Grundstück soll er den zweiten Teil seines Buches „Mein Kampf” verfasst haben, weiß Albert Feiber. Die Hütte wurde später aus diesem Grund als „Kampfhäusl” verklärt. In das Berchtesgadener Hotel Deutsches Haus lud er die Ortsgruppe der NSDAP ein, „um wesentliche Inhalte seines Buches in geschlossener Gesellschaft zu erläutern”, so Feiber

Als Feriendomizil mietete sich Hitler 1928 in das Landhaus Wachenfeld ein. Für den Haushalt zog auch dessen Halbschwester Angela Raubal mit ihren beiden Kindern mit ein. Fünf Jahre später, nach der Machtübernahme 1933, kauft Hitler das Haus und lässt es zum späteren Berghof ausbauen. Für Berchtesgaden bedeutet Hitlers Ansiedlung einen wirtschaftlichen Auftrieb.

„Wie viele andere Gemeinden im Reich wurde Adolf Hitler im Berchtesgadener Talkessel zum Ehrenbürger ernannt”, sagt Albert Feiber. Ein Bildband erscheint: „Hitler, wie ihn keiner kennt”. Laut Feiber war das vergleichbar mit einer „Homestory”, die auch Fotos vom Obersalzberg enthält: „Spätestens dadurch wurde Hitlers Refugium einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.”

Plötzlich strömen die Touristen ins beschauliche Bergdorf, der Obersalzberg wird Wallfahrtsort für Hitler-Anhänger. Der Berg wird Pilgerstätte. Die Leute bringen Geld in den Ort. Der Souvenirhandel boomt. An manchen Tagen wollen Tausende Hitler sehen. Mit Sonderzügen erreichen sie Berchtesgaden. „Geschäftstüchtige Einheimische verkaufen Steine, auf denen angeblich der ‘Führer’ gestanden hatte”, weiß Albert Feiber. Hitler wird zum nahbaren Volksfreund, die NS-Propaganda setzt die Szenen vom Obersalzberg ins richtige Bild. Bildbände über Hitler erreichen Millionenauflagen.

Mit Hitler erreicht auch sein Umfeld den Obersalzberg. Zahlreiche NS-Granden siedelten sich an. Der Berghof avanciert „zum Zentrum eines streng abgeschirmten Führersperrgebietes.” Es entstand ein Dorf mit Regierungszweck in alpiner, idyllischer Umgebung. Bergbauernfamilien mussten ihre Häuser verlassen. „Wer nicht bereit war zu verkaufen, wurde massiv unter Druck gesetzt und zum Teil mit KZ-Haft bedroht.”

Der Ausbau des Obersalzbergs boomt zu dieser Zeit. Häuser, Straßen und Zweckbauten werden errichtet. „Zwischen 1933 und 1945 arbeiteten am Obersalzberg und in ganz Berchtesgaden Tausende, wenn nicht Zehntausende als Beschäftigte des Führersperrgebiets”, weiß Albert Feiber. Die Einwohnerzahl der Gemeinde Salzberg stieg bis Kriegsbeginn um fast 70 Prozent. In der Au betrug der Zuzug 120 Prozent. Ab 1936 wurden Einheimische gezwungen, ihre Häuser zum Niedrigpreis abzutreten - unter Androhung einer Einlieferung ins KZ.

Der Obersalzberg hatte eine Infrastruktur zum Regieren erreicht. Der einst als volksnah bekannte Hitler lebte streng abgeriegelt und bewacht, empfing Partei- und Staatsgäste am Obersalzberg. Viele Grundsatzentscheidungen wurden laut Feiber am Obersalzberg getroffen.

„125 Gesetze, Führererlasse und Verordnungen wurden in den zwölf Jahren der NS-Diktatur von Hitler in Berchtesgaden ausgefertigt und ratifiziert”, sagt der Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte. Auch der Weg in den Zweiten Weltkrieg führte über den Obersalzberg. Am 22. August 1939 fiel im Berghof Hitlers Entschluss, in Polen einzumarschieren.

„Bis hin zu Holocaust und Völkermord an den Juden gibt es kaum einen Komplex der NS-Verbrechen, der nicht mit dem Obersalzberg verknüpft wäre”: Ob der Überfall auf die Sowjetunion, der Einmarsch der Wehrmacht in Ungarn oder der Völkermord an den Juden.

Im Juli 1944 verließ Hitler den Berg und entschied sich, in Berlin zu bleiben. Die Kriegslage verschlechterte sich zusehends. Ende des Jahres befanden sich die Alliierten an den Reichsgrenzen. Am 25. April wurde der Regierungssitz von der Royal Air Force mit Bomben eingedeckt, ein Großteil der Gebäude wurde zerstört. Am 30. April nimmt sich Hitler, zusammen mit der einen Tag zuvor geehelichten Eva Braun das Leben - im Führerbunker in Berlin.

kp

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