Paul von Hindenburg
„Berchtesgaden gegen Rechts“ will Distanzierung von Ehrenbürgerschaft und Straßenumbenennung
Eine Distanzierung von der Ehrenbürgerschaft Paul von Hindenburgs in Berchtesgaden fordert der Verein „Berchtesgaden gegen Rechts“. Auch die nach dem ehemaligen Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten benannte Straße im Herzen Berchtesgadens (Von-Hindenburg-Allee) soll umbenannt werden. Denn: „Das war ein Kriegsverbrecher.“
Berchtesgaden - Die Fahnen wehten von den Häusern. Berchtesgadens Lokalpresse berichtete von einem „Festtag der Heimat“, als am 28. März 1933 Adolf Hitler und Paul von Hindenburg zeitgleich die Ehrenbürgerschaft zuerkannt wurde. „Diese Ehrung und dieser festliche Glanz gilt den beiden Männern, denen heute alle deutschen Herzen in Liebe und Treue (...) entgegenschlagen“, hieß es in der Lokalzeitung damals. Der Gemeinderat begründete die Würdigung damit, der Generalfeldmarschall habe sich durch „seine Verdienste als Feldherr einen unsterblichen Namen erworben“.
Außerdem habe er „als Reichspräsident des deutschen Volkes namentlich durch die Berufung des Führers der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei zum Reichskanzler eine nationale Einheit geschaffen“. Solch schwülstige Beschreibungen kann Norbert Egger nicht hören. Für ihn und weitere Mitglieder des im vorvergangenen Jahr gegründeten Bündnisses ist klar: Keine Ehre, wem keine Ehre gebührt.
Von Adolf Hitlers ehemaliger Würdigung zur Ehrenbürgerschaft hat sich der Gemeinderat von Berchtesgaden zwar spät, aber bereits im Jahr 2008 distanziert. Auch die Adolf-Hitler-Straße mitten durch den Ort gibt es seit dem Einmarsch der Alliierten nicht mehr. Anders bei Paul von Hindenburg: Die gleichnamige Straße existiert noch immer. Eine politische Distanzierung seitens der Gemeinde hat zudem nie stattgefunden. Für Norbert Egger ist das ein Unding.
Umsetzung so schnell wie möglich
Ihm nach gibt es viele Gründe, warum das so schnell wie möglich geschehen muss: Hindenburg war Chef der Obersten Heeresleitung des Deutschen Reiches, Reichspräsident und Generalfeldmarschall. „Er ließ durch die durch ihn zu verantwortende Lebensmittelbewirtschaftung kaltblütig über 750000 deutsche Zivilisten verhungern“, so Egger. Während seiner Präsidialdiktatur bis 1933 wirkte er an der Zerstörung der Demokratie mit. „Er war ein Kriegsverbrecher und Wegbereiter des Hitler-Faschismus“, sagt Norbert Egger. Die Erkenntnis, dass die „Paul von Hindenburg-Allee“ in Berchtesgaden noch immer existiere, sei untragbar und nicht zu akzeptieren.
In nicht-öffentlicher Sitzung des Berchtesgadener Gemeinderats haben Vertreter des Vereins „Berchtesgaden gegen Rechts“ einen Antrag gestellt: Dass sich der Ort von der Ehrenbürgerschaft, die mit Hindenburgs Tod erlosch, distanziert. „In Zeiten des erstarkenden Rechtsextremismus ist es umso wichtiger, sich mit der Vergangenheit von Berchtesgaden und Deutschland auseinanderzusetzen“, sagen die Vertreter des Vereins. Als Ort mit vielen internationalen Feriengästen und insbesondere der historischen Verantwortung „durch die Zugehörigkeit des Obersalzbergs zu Berchtesgaden“ sei das ein wichtiger Schritt „in der Aufarbeitung unserer Geschichte“, sagt Egger.
Vorstoß bestätigt
Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp bestätigt auf telefonische Nachfrage den Vorstoß der Vereinsmitglieder. „Ja, wir haben nicht-öffentlich darüber gesprochen, und der Gemeinderat distanziert sich von der Würdigung Paul von Hindenburgs als Ehrenbürger“. Die Distanzierung erfolgte ohne Umschweife, ist reine Formsache und Rasp nach eine „politische Willensbekundung“.
Internationale Presse
Im Dezember hatte die britische Zeitung The Guardian über den Verein „Berchtesgaden gegen Rechts“ berichtet. Der Reporter zeigte sich über den noch immer aktuellen Straßennamen der Von-Hindenburg-Allee sehr überrascht, sagt Norbert Egger. Die Alliierten und Sieger des 1. Weltkriegs hatten bereits Paul von Hindenburgs Auslieferung als Kriegsverbrecher gefordert. „Allein um den brüchigen Frieden zu bewahren, erzwangen die Siegermächte damals nicht durch einen Einmarsch die Auslieferung“, sagt Egger.
Dass nun auch der Wille besteht, die „Von-Hindenburg-Allee“ umzubenennen, davon hat Bürgermeister Franz Rasp ebenfalls Kenntnis erlangt. „Uns liegt allerdings noch kein Antrag vor.“ Rasp ist seit 14 Jahren Gemeindechef. Eine Straßennamen-Umbenennung? Fällt zumindest nicht in seine Zeit als Bürgermeister. Fakt ist: „So etwas wird öffentlich im Gemeinderat besprochen“, sagt Rasp. Danach müsse man in die Diskussion mit den Betroffenen einsteigen. Rasp weiß, dass der bürokratische Aufwand für Anlieger der Von-Hindenburg-Allee immens wäre. Wird eine Straße umbenannt, müssen auch alle Adressen abgeändert werden: „Vom Personalausweis bis hin zum Führerschein“, sagt Rasp, Behördengänge inklusive. Ist das zumutbar? Die Gemeinde hat sich bereits Expertenrat eingeholt. Dr. Sven Keller, Leiter der Dokumentation Obersalzberg, informierte Anfang der Woche die Bürgervertreter hinter verschlossenen Türen zu von Hindenburg und wie der Ort damit umgehen soll.
Noch viel Gesprächsbedarf
Dass das noch viel Gesprächsbedarf benötigt, weiß auch Norbert Egger. „Wir wollen die Anwohner in jedem Fall erreichen und die Bürger inhaltlich überzeugen, warum ein neuer Straßenname wichtig ist“, sagt Norbert Egger. Am Antrag zur Umbenennung der Straße wird derzeit gearbeitet. Dann soll dieser im Gemeinderat auf die Tagesordnung kommen.
Kilian Pfeiffer

