Vermieter unter Druck
Oberbayern-Tourismus möchte Privatvermieter auf die digitale Zukunft vorbereiten
Als Tourismus-Guru Holger Sigmund eine Urlauber-Anfrage mit künstlicher Intelligenz beantworten lässt, ist das Erstaunen unter einigen Vermietern groß. KI soll im Tourismus Oberbayern München (TOM), dem Dachverband oberbayerischer Touristiker, eine zunehmend gewichtigere Rolle spielen. Weil immer mehr Privatvermieter aufgeben und der Bettenschwund zunimmt, sollen sie digital getrimmt werden - von 22 eCoaches. Vermieter haben viel zu tun.
Berchtesgaden - Was ist ein Vermieter, der in den Weiten des Internets nicht auffindbar ist? Irgendwann kein Vermieter mehr. Denn auf jahrelange Stammkundschaft kann man zwar setzen. Mit Ferienwohnungen und Co. könne man auf Dauer aber nur wirtschaftlich erfolgreich bleiben, wenn man mit der Zeit gehe - Hand in Hand mit allen zur Verfügung stehenden digitalen Werkzeugen. Diese werden nicht nur im Tourismusbereich immer wichtiger, wie Holger Sigmund zeigt.
Sigmund arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Tourismus. Das Fach hat er studiert. Er wohnt in der Schweiz, ist aber die meiste Zeit in Deutschland und Österreich unterwegs. Der Tourismusberater, der in Inzell das Schlittschuhfahren erlernte und sich im Urlaub bereits in Kindheitstagen in den Chiemsee verliebte, jagt durch die Lande, um Vermietern die Augen zu öffnen. Ohne Digitalisierung geht nichts mehr. Viele Vermieter setzen noch immer auf antiquierte Homepages, auf überladene Webseiten und darauf, dass sie im Internetdschungel weiterhin von potenziellen Gästen gefunden werden.
Oberbayern-Tourismus will Vermieter auf die digitale Zukunft vorbereiten
Auch der Tourismus Oberbayern München sieht Handlungsbedarf - von Berchtesgaden bis Garmisch-Partenkirchen. Eine Armada von 22 sogenannten eCoaches arbeiten mittlerweile für TOM. Sie sollen als persönliche Ansprechpartner in den Urlaubsregionen unterstützen, etwa im Berchtesgadener Land, wo Maria Wittmann Vermietern die Digitalisierung näher bringt. Für alle ist klar: Vermietung ist in Digitalzeiten kein Selbstläufer mehr. Digital zu sein, erfordert Engagement und Zeitaufwand.
Tourismusexperte Holger Sigmund sagt: „Für den Gast ist es einfach geworden, sein Reiseziel zu finden, für den Vermieter komplexer.” Das Internet bietet zu jedem Zeitpunkt volle Transparenz: Was kostet die Unterkunft, welche Rezensionen gibt es, was existiert im Umfeld?
In der Tourismusregion Berchtesgaden schwindet die Zahl der Übernachtungsbetten seit Jahren. Immer mehr Privatvermieter stellen die Gästevermietung ein. Hunderte Betten sind verloren gegangen. Die Gründe sind vielschichtig. Die Digitalisierung ist bei vielen Betrieben noch nicht angekommen. Mit Beratungen am Vermieter versuchen die Touristiker den Trend nun umzukehren.
Ob Google oder große Portale wie Booking.com: Diese stecken Unsummen an Geld in die Digitalisierung, damit der Urlaubsgast die lang geplante Reise ohne viel Zeitaufwad planen und buchen kann. Vermieter, die weit oben in den Suchergebnissen rangieren, profitieren. Alle anderen? Könnten untergehen.
Der Einsatz von KI im Tourismus
Buchungsportale arbeiten währenddessen bereits an KI-gesteuerten Reiseplanern, die es dem Gast auf Knopfdruck erlauben, die zur Verfügung stehende Urlaubszeit so effektiv wie möglich zu verplanen. Mit ein paar wenigen Angaben sollen künftig - standortbezogen - touristische Highlights in den individuellen Urlaubsplan integriert werden - die besten Bus- und Zugverbindungen gibt es obendrein. „Wer in den Buchungsportalen nicht vertreten ist, wird übersehen”, weiß Holger Sigmund. „Für die Betriebe ist das eine Herausforderung.”
Genau hierbei sollen die eCoaches unterstützen. Tatsächlich ist deren Expertise heiß begehrt: Simon Pertl ist eCoach aus der Region Schliersee und zu Gast in Berchtesgaden. Um ihn herum hat sich ein großer Kreis von Frauen gebildet, die den Worten des jungen Mannes lauschen. In Schliersee hat Simon Pertl einmal pro Woche eine Sprechstunde - zu digitalen Themen.
Digitale Ratschläge für Vermieter
Digitale Ratschläge gibt es indes viele. Tourismusexperte Holger Sigmund sagt: Kürzere Texte bei den Unterkunftsbeschreibungen, lieber weniger, dafür aussagekräftigere Bilder. Alles Überflüssige muss von der Seite verschwinden. Wer vergleichbar sein will, benötigt Bewertungen, auf Google etwa. „Das ist wichtig. Je mehr Bewertungen ihr habt, desto besser wird automatisch der Schnitt” - und damit auch die Auffindbarkeit im Internet.
Die Digitalisierung könnte so manchen Vermieter überfordern. Viel Arbeit liegt vor ihnen, wenn sie dranbleiben wollen. Das wird spätestens deutlich, als Holger Sigmund mit einer KI-Software in einer Live-Vorführung die E-Mail eines Urlaubsgastes beantworten lässt: Darin wird ein Restaurant empfohlen, das es nicht gibt. Zum Lachen gibt es für die Vermieter auch etwas: Der Königssee eigne sich zum Erlernen des Schlittschuhfahrens, heißt es in der KI-Antwort. Wer es nicht besser weiß: Der See war das letzte Mal vor 17 Jahren zugefroren.
kp