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Nostalgische Höhenflüge

Historisch zwischen Berg und Tal: Die einzigartige Obersalzbergbahn feiert ihr 75-jähriges Bestehen

Andreas Bruckmann ist der Chef der Obersalzbergbahn.
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Andreas Bruckmann ist der Chef der Obersalzbergbahn.

Die historische Obersalzbergbahn feiert dieses Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Der Chef der Bahn, Andreas Bruckmann, gibt einen Einblick in die bedeutungsvolle Geschichte der Bergbahn.

Berchtesgaden – Eine Traube Menschen steht am Fuße des Obersalzbergs und wartet auf Andreas Bruckmann. Der 47-Jährige steht hinter der Kasse der Talstation und ist der Chef der nostalgischen, einzigartigen Zweiseil-Gruppenpendelbahn, die – 1949 gebautheuer 75. Jubiläum feiert. „Eine vergleichbare Bahn gibt es nicht“, sagt er. Im Originalzustand geblieben, sind es nicht nur Schulkinder, die statt mit dem Bus mit der Kabine nach Hause auf den Berg mit Geschichte schweben. „Einmal rauf und wieder runter“, sagt der Mann mit Rucksack. Seine Frau und die zwei Kinder begleiten ihn an diesem Sommertag. Alle wollen heute hoch hinaus. Ein bisschen wandern, ein bisschen Mittagessen, vielleicht weiter in Richtung Kehlstein? Andreas Bruckmann nicht nur als Bahnchef, sondern auch als Tourismusberater zu bezeichnen, ist daher nicht verkehrt. Auf einer Karte zeigt er, was am Berg möglich ist. Immer gleiche Fragen erfordern immer gleiche Antworten. Jeden seiner Sätze hat er tausende Male gesagt. 

Ein letzter Hinweis vom Bahnchef: „Bitte die Türe schließen.“

Halb elf ist die Hauptstoßzeit des Tages, in der sich am meisten Leute an der Talstation tummeln und auf die Bahn warten, die im Fünf-Minuten-Takt fährt. Knapp 2,7 Meter pro Sekunde geht es voran. 88 Leute kann sie pro Stunde maximal befördern. 70, 80 Leute müssen dann schon mal warten. Das ist nichts im Vergleich zur Jennerbahn – nur wenige Autominuten entfernt – , die bis zu 1500 mitnehmen kann. Oben am Berg gibt es sogar einen Spazierweg, der den Obersalzberg und den Jenner in knapp zwei Stunden miteinander verbindet.  

Fährt seit 75 Jahren: die historische Obersalzbergbahn. 

So sind es dann auch nur acht Leute, die in die beiden historischen Kabinen in roter Signalfarbe passen. Hier gibt es nichts an Technik, lediglich zwei Sitzbänke, ein paar Verhaltensregeln und Glasscheiben zum Hinausschauen. Das Gitter muss noch per Hand geschlossen werden vor der Fahrt. Andreas Bruckmann weist bei jedem Fahrgast darauf hin. „Passiert ist bei uns noch nie etwas“, weiß der Bahnchef. Auch wenn die offenen Kabinen mit den heutigen Sicherheitsvorkehrungen, die für Seilbahnen gelten, nichts mehr gemein haben: Auf der Obersalzbergbahn liegt eben Bestandsschutz. Solange nichts baulich verändert wird, darf die Nostalgiebahn im Ist-Zustand weiterfahren. 

Am Fenster berät Andreas Bruckmann die Bahnfahrer. An dem Metallgestell, in dem Zug- und Tragseil durch die Talstation laufen, hat er sich unzählige Male den Kopf gestoßen. 

Die Frage nach der Gästekarte, die die Bergfahrt einen Euro günstiger macht, spart sich Bahnbetreiber Bruckmann immer. Auch bei der Familie mit zwei Kindern: „Ich hab die Karten schon gesehen“, sagt er dann und lacht. 98 Prozent der Bahnnutzer sind Urlauber, weiß der 47-Jährige aus eigener Erfahrung. Der kleine Rest sind Einheimische, die an Schönwetter-Tagen anstatt mit dem Bus mit der Bahn auf den Berg fahren. Von Beginn an nutzen zudem Schulkinder das außergewöhnliche Transportmittel, weil sie am Berg wohnen und damit nach Hause kommen.

Seit jeher im Original: Die Kabinen der Zweiseil-Gruppenpendelbahn.

Die Obersalzbergbahn fährt seit 1949. „Eigentlich war sie ein großes Versuchsobjekt, um hier eine Bergbahn zu realisieren“, sagt Andreas Bruckmann. Erste Planungen für eine Bergbahn in Berchtesgaden gab es sogar schon zuvor. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg machten sich einige Visionäre Gedanken darüber, wie man die hiesige Bergwelt mit einer solchen erschließen könnte. Als vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Berchtesgadener Bergbahn AG gegründet wurde, starteten schließlich die Bauarbeiten zu einer Gondelseilbahn vom Markt Berchtesgaden bis rauf auf den Obersalzberg. Es war nicht die einzige Vision: Das Ansinnen, eine Seilbahn bis auf den Watzmann zu bauen, wurde später jedoch nie umgesetzt. Der Betrieb der Obersalzbergbahn ist nur deshalb möglich, weil 16 Landwirte und weitere Grundstücksbesitzer „Ja“ gesagt haben zu ihren Flächen. Die Bahn schwebt über deren Grundstücke, die Streckenstützen stehen also auf fremdem Gebiet. Die Grundstücksbesitzer erhalten kostenlose Karten. „Heutzutage wäre es nicht mehr möglich, so eine Bahn genehmigt zu bekommen“, sagt Andreas Bruckmann. Der Pachtvertrag läuft noch bis zum Jahr 2050. Dann wäre Bruckmann 73 Jahre alt. Eins ist sicher: Bis ins fortgeschrittene Alter wird er hier nicht weitermachen, sagt er.   

Über 16 Grundstücke schwebt die historische Bahn. „Heutzutage wäre es nicht mehr möglich, so eine Bahn genehmigt zu bekommen.“

Für die Familie geht es nun rauf, entlang der 1530 Meter langen Strecke vom Tal bis auf den Berg mit Geschichte. Oben finden sich heutzutage drei der großen touristischen Attraktionen, die jedes Jahr von Hunderttausenden besucht werden: die Sommerrodelbahn, das Kehlsteinhaus und der Lern- und Erinnerungsort über den Nationalsozialismus, die Dokumentation. „Das sind natürlich Magnete. Deshalb fahren die Leute ja mit der Obersalzbergbahn“, sagt Andreas Bruckmann, der die außergewöhnliche Gruppenpendelbahn vor 16 Jahren mit einem Kollegen übernommen hatte und seit zwölf Jahren alleine führt

Die Schaltzentrale ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen, funktioniert aber einwandfrei.

Das Seilbahn-Unikat weist eine Besonderheit auf. Es gibt auf halber Streckenlänge, nach 5:15 Minuten Fahrzeit, eine Mittelstation auf 770 Metern. „Dort müssen die Gäste auf die andere Fahrspurseite umsteigen“, sagt der gelernte Werkzeugmechaniker, für den die Zeit nach der Übernahme durchaus anspruchsvoll war. „Man muss die ganze Technik, das Zusammenspiel und die Abläufe erst mal kennenlernen und verinnerlichen.“ Auch an die Sache mit der Metallschiene, in der Zug- und Tragseil in Kopfhöhe durch die Talstation läuft, musste er sich erst einmal gewöhnen. „Wie oft ich mir da den Kopf schon angestoßen habe“, erinnert sich Bruckmann. Die Mittelstation ist mit einer Kamera überwacht, die wiederum von der Bergstation aus betrieben wird. Tal und Berg sind immerzu mit je einem Mitarbeiter besetzt. Dauert es mal länger, klingelt bei Andreas Bruckmann das Telefon. Der Rest läuft über das große Schaltpult – „die Zentrale“, wie er es nennt – mit den vielen bunten Knöpfen, Lichtschaltern und kleinen Schlüsseln. Bruckmann drückt, wenn die Mitfahrer ihr Gitter verschlossen haben. Ein Signal ertönt. Dann geht es los. 

Der Antrieb im Technikraum: Die Notbremse ist im Original erhalten und stammt aus dem Entstehungsjahr.

Vor mehreren Jahren gab es mal einen Getriebebruch. Die Reparatur dauerte. Die Einnahmen fielen aus: Sechs Wochen Stillstand waren die Folge. „Wir müssen hier wirklich lösungsorientiert arbeiten“, sagt Bruckmann. Das Motto dann: Selbst schrauben, wenn Schrauben notwendig wird. Einige der Seilbahnstützen hat er mit Unterstützung abgebaut und verzinken lassen. „Das hält länger, als sie zu streichen.“ Das Streichen hätte ihn pro Stütze 10.000 Euro gekostet. Wenn durch Windwurf wieder mal Bäume in die Seile krachen, „schneiden wir sie raus“, sagt er. Modernste Seilbahntechnik oder eine technische Erweiterung? Das wäre finanziell einfach nicht zu stemmen. Zu gering sind dafür die Einnahmen für eine Refinanzierung. Vor zwei Jahren musste Bruckmann schließlich das Getriebe umbauen lassen. Auch das hat ihn 100.000 Euro gekostet. Der Antrieb mit Umlenkscheiben ist bereits 40 Jahre alt. Läuft aber einwandfrei. Die zwei Motoren für die Obersalzbergbahn befinden sich im rückwärtigen Teil der Talstation und treiben die Bahn an. Die letzte Generalsanierung erfolgte zuletzt in den 1990er-Jahren. „Solange wir die Bahn am Laufen halten können, werden wir es tun“, sagt Bruckmann, bevor er sich wieder den wartenden Fahrgästen zuwendet, um sie auf die nächste Fahrt in die Vergangenheit zu schicken. kp 

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