Zwischen Freude und Unverständnis
Generalsanierung der Skisprungschanze am Kälberstein beschlossen - nicht alle sind begeistert
Der Gemeinderat hat die Generalsanierung der Skisprungschanze am Kälberstein beschlossen. 90 Prozent der Kosten werden von Bund und Land getragen, die restlichen zehn Prozent muss die Gemeinde zahlen, doch das ist ein finanzielles Wagnis.
Berchtesgaden - Kurz vor ihrem 100-jährigen Bestehen bekommt die Skisprungschanze am Kälberstein eine dringend notwendige Generalsanierung verpasst. Der Gemeinderat gab grünes Licht. 9,3 Millionen Euro fließen in die Schanze. Beim Deutschen Skiverband (DSV) zeigt man sich über die Entscheidung hocherfreut. Die Marktgemeinde Berchtesgaden beteiligt sich, trotz angespannten Haushalts, freiwillig - und geht damit ein finanzielles Wagnis ein.
Baufällige Turnhallen, aber eine Skisprungschanze für den Profisport? Zudem teilfinanziert aus Mitteln der Gemeinde? Unter den Berchtesgadener Gemeinderäten weiß man, dass die finanzielle Zusage ein Tanz auf Messers Schneide ist. Die Haushaltslage ist schwierig und dennoch fällt die Abstimmung für die Generalsanierung am Ende positiv aus.
Sonst ist „Schicht im Schacht“
Andernfalls wäre auf dem Kälberstein für den Leistungssport Schicht im Schacht gewesen. Die Lokalpolitik wollte dies tunlichst verhindern. Zu groß wäre der Schaden gewesen, auch, weil man mit der Christophorusschule am Dürreck Bayerns einzige private Eliteschule für den Sportnachwuchs betreibt.
Sogar der Abriss der Trainingsschanze war in der Vergangenheit bereits diskutiert worden. Einstimmig haben die Mitglieder des Berchtesgadener Gemeinderates die Generalsanierung aber nun durchgewunken. Grund für das gemeindliche Okay ist vor allem der gewaltige Fördersatz von 90 Prozent, den Bund und Land beisteuern. Noch nie habe es eine so hohe Fördersumme für eine Sportanlage gegeben, weiß man beim DSV.
Trotz allem: Auf der Gemeinde lasten die restlichen zehn Prozent. Weitere Kostensteigerungen sind da noch nicht absehbar.
Kosten bereits um drei Millionen Euro gestiegen
Ursprünglich war die Generalsanierung mit sechs Millionen Euro veranschlagt worden. Um mehr als drei Millionen hat sich die Summe mittlerweile erhöht. Ist das Ende der Fahnenstange erreicht? Das kann Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp nicht beantworten. Seine Hoffnung: Dass Bund und Land ihre Zusagen halten, damit das Projekt nicht zur finanziellen Bauchlandung für den Tourismusort wird. „Das Risiko lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Sanierung wird über unseren Haushalt abgewickelt“, weiß Rasp.
Bereits seit 13 Jahren ein Thema
Fakt ist: Die Schanze am Kälberstein gilt seit Langem als baufällig und ist seit 13 Jahren immer wieder Thema im Gemeinderat. Die Notwendigkeit zur Sanierung bekräftigt Horst Hüttel, Sportdirektor Weltcup für die Disziplinen Skisprung und Nordische Kombination im Deutschen Skiverband. Er ist mit einem Tross DSV-Verantwortlicher angereist, darunter auch die deutschen Top-Skispringer Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler. In Zukunft soll die deutsche Skisprungszene vermehrt am Kälberstein trainieren.
Nirgendwo seien die Bedingungen besser, weiß Hüttel. Mit der Modernisierung besinnt man sich auf eine offene Bauweise mit Fokus auf der 90-Meter-Schanze. Der Schanzenturm bleibt erhalten, soll nun aber einen Aufzug bekommen. Bislang mussten die Sportler zu Fuß den Turm besteigen. Die neue Anlaufbahn soll in Stahlbetonkonstruktion umgesetzt werden. Ebenfalls in Stahlbeton realisiert werden sollen die ersten 50 Meter unterhalb des Schanzentisches, die bislang als Brückenkonstruktion in Holz gehalten sind. Damit kann man diesen Bereich künftig auch mit einer Pistenraupe präparieren. Neu entstehen wird auch ein Sprungrichter-Turm.
Spitzensport vor Breitensport
„Die Schanze ist zentraler Bestandteil der Sportinfrastruktur in der Region“, unterstreicht Bürgermeister Franz Rasp die Notwendigkeit zur Umsetzung. Er sagt aber auch: „Keine Spitze ohne Breite“ - ohne dies weiter auszuführen. Der Spitzensport wird mit Millionensummen bedacht, für den Breitensport bleibt häufig nur wenig übrig, lautet die einhellige Meinung unter den Lokalpolitikern. Für die Gemeinde sei es in jedem Fall ein „enormer Kraftakt“.
DSV-Mann Horst Hüttel sagt, es gebe keinen Standort weltweit, an dem, in Kombination aus Eliteschule und Trainingsbedingungen, „so viele Weltklasseathleten entwickelt wurden“. Mit vier hauptamtlichen Trainern will der DSV künftig Skispringer und Nordische Kombinierer am Kälberstein zu Spitzenleistungen trimmen.
Finanzielles Restrisiko ist Vorhanden
Gemeinderat Josef Prex (CSU) spricht der Kälbersteinschanze künftig eine „nationale Bedeutung“ zu - in Sachen Skisprung. „Wir brauchen gute Sportstätten, damit wir internationale Erfolge haben können“, sagt er. Im Entschluss zur Mitfinanzierung erkennt Dr. Bartl Wimmer (Grüne) eine Gratwanderung. „Die Ausgaben sind enorm, für eine freiwillige Summe.“ Es bestehe ein finanzielles Restrisiko. Wimmer erinnerte daran, dass in früheren Jahrzehnten bis zu 4000 Besucher an die Schanze pilgerten. Damals gab es dort internationale Wettbewerbe. Künftig soll am Kälberstein aber vor allem trainiert werden. Wimmers wesentliches Argument: die Zukunftsfähigkeit der Elitesportschule, die mit Sportstätten wie dieser an Bedeutung gewinnt.
„Wir haben einen Riesenschuldenstand“, ärgert sich Martin Möller (Berchtesgadener Bürgergruppe). „Den Wohnungsbau kriegen wir bislang nicht auf die Reihe, aber eine Skisprungschanze.“ Fraktionskollege Hans Kortenacker sagt, es wäre töricht, eine Schanze zurückzubauen bei diesen Zuschüssen. Allerdings, fügt er an, seien Fördergelder eben auch Steuergelder. „Das hier ist die Kür, nicht die Pflicht“, sagt Andrea Grundner (Grüne). Die Pflicht des Staates liege in der Bildung: „Schön, dass wir uns das hier leisten wollen.“
kp
