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Bei Veranstaltung in Berchtesgaden

Fischer klagen: Trägt der Fischotter an Bayerns leeren Flüssen Schuld?

Wildökologe Andreas Kranz
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Hat die heimischen Fischotter-Bestände unter die Lupe genommen: Dr. Andreas Kranz. Sein Vorschlag: eine Pilotuntersuchung mit genetischer Aufarbeitung zur genauen Bestimmung der Populationsdichte.

Die Fischer klagen über leere Bäche, die Naturschützer sind zumindest alarmiert: Emotional aufgeladen wird der Fischotter zur Konfliktart erklärt. Während die einen gegen den an das Wasser angepassten Marder wettern, rufen andere dazu auf, die Ruhe zu bewahren. Die Forderung: eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik. Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz, hat bei einer Diskussionsveranstaltung das Tier sogar „zur Chefsache” erklärt. 

Berchtesgaden - Dr. Andreas Kranz ist Wildökologe. Er ist einer von wenigen ausgewiesenen Fischotterexperten und forscht länderübergreifend zu dessen Bestand. Im Südosten Bayerns galt der Vertreter aus der Familie der Marder lange Zeit als nicht existent. Es gibt historische Bilder, rund 100 Jahre alt, auf denen Fischotter als Jagdtrophäe präsentiert werden. Kranz sagt: „Die Sache mit dem Fischotter ist viel vertrackter und komplizierter als die mit dem Wolf.”

„Unsere Bäche sind mittlerweile leer“

Während der Wolf ein Feindbild der Bauern ist, ist der Fischotter drauf und dran, zum Sündenbock der Fischer zu werden. Franz Zechmeister ist aktiver Fischer beim Fischereiverein Berchtesgaden, betreut mit seinen Kollegen mehr als 30 Kilometer Fließgewässer und sagt: „Unsere Bäche sind mittlerweile leer.” Dort, wo die Fischer 10.000 Setzlinge einbrachten, holten sie am Ende nur 20 Fische raus. Ins Visier der Fischer geraten ist der Fischotter. „Ja, er frisst vor allem Fisch, Fisch und nochmals Fisch”, bestätigt Wildökologe Andeas Kranz, „daher auch sein Name”.

Die Fischer vermuten, dass es mit Fisch allein nicht getan ist. Schon jetzt sind die Fangerfolge um mehr als die Hälfte geschrumpft im Vergleich zu früheren Jahren. „Am Hintersee im Bergsteigerdorf Ramsau gibt es nur noch wenige Entenpaare”, sagt ein Vereinsmitglied. Auch der Eisvogel sei deutlich seltener an Fließgewässern anzutreffen. Wird der Fischotter zum Feindbild für jede heimische Tierart? Dass er Schuld am Dilemma der Petrijünger trägt, davon sind die Betroffenen zumindest teilweise überzeugt. Andere vermuten, dass es weitere limitierende Faktoren gibt, die den Fischbestand beeinflussen. Wissenschaftliche Erhebungen, die die Thematik darlegen, gibt es kaum. 

Viele Fischotter fühlen sich im Berchtesgadener Land heimisch

Fakt ist: Der Fischotter breitet sich seit rund 30 Jahrzehnten wieder aus. Wo sich der Fischotter niederlässt, gilt das Ökosystem als weitestgehend intakt. Denn der Mardervertreter benötigt viel Futter. Ein rund neun Kilo schweres Männchen vertilgt am Tag bis zu 1,5 Kilo Fisch. Hinzu kommt: Der Fischotter ist gut auf den Beinen. Mit seinen empfindlichen Sensoren spürt er Fischbestände im Flusslauf auf und folgt diesen kilometerweit. Nicht nur Fisch steht auf dem Speiseplan: Der Fischotter bedient sich auch an Amphibien, Krebstieren und manchmal steht der Appetit auch nach Kröten, die er häutet. 

„Die Fische regulieren den Otterbestand”, weiß Wildökologe Andreas Kranz. Er hat im vergangenen Jahr die Fließgewässer rund um Berchtesgaden erkundet, die Berchtesgadener, Ramsauer und Bischofswieser Ache, insgesamt 57 Kilometer Flusslauf und Uferbestand. Auch den Königssee samt Obersee untersuchte er und fand überall Reviere. Bis zu 20 Fischotter seien in der Region heimisch, schätzt er. Um das Ganze auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen, braucht er aber mehr Zeit. Ein Jahr würde die Untersuchung dauern, dann könnten über genetische Beprobungen Aussagen über den tatsächlichen Ist-Bestand getroffen werden. 

„Er jagt, bis alles tot ist“ - zahlreiche Fischsorten bedroht?

Beim Fischereiverein hat man viel Erfahrung mit dem ans Wasser angepassten Marder. Selbst in Bachläufen und kleinen Fischteichen weit oben am Berg, etwa im Bischofswieser Ortsteil Loipl auf rund 1000 Meter, wurde er gesichtet. „Er jagt in Kleingewässern so lange, bis alles tot ist”, sagt Fischer Franz Zechmeister. Die Aalrutte gibt es so gut wie nicht mehr. Sorge herrscht auch über die Urforelle, eine autochthone Bachforelle, die früher in nahe gelegenen Salzburger Hochgebirgsbächen heimisch war. „Von der ist fast nichts mehr da”, sagt Zechmeister.

Die Fischer sind der Ansicht, dass der Bestand des Fischotters reguliert gehört. „Die Fischbestände sind enorm unter Druck geraten”, sagt auch Bernd Kubicke, 1. Vorsitzender des Fischereivereins Berchtesgaden. Dass dem Fischotter nun der „Schwarze Peter” zugeschoben wird, diese Feststellung macht Norbert Schäffer, LBV-Vorsitzender in Bayern. Seine Sichtweise ähnelt jener von Wildökologe Andreas Kranz: „Wir haben bisher keine Belege, dass Fischotter Arten zum Aussterben bringt.” 

Dünne Datenlage

„Es wäre für die Sache fatal, wenn als Ergebnis der Fischotter-Erfassung im Berchtesgadener Raum eine Art Freibrief zur Selbsthilfe herauskäme, falls der Otter den Fischern – weshalb auch immer – lästig wird”, sagt Wolfgang Scherzinger. Der Biologe, der bei der Gründung des Nationalparks Bayerischer Wald mitwirkte, später für den Nationalpark Berchtesgaden arbeitete, weist auf eine „sehr vorläufige und unzureichende Datenlage” hin. 

Tatsache sei, dass die Beteiligten in einem „Black Box“-System herumstocherten, „von dem wir nur wissen, dass die Fischer auf der einen Seite Unmengen Fische in die Bäche kippen, und auf der anderen Seite kaum noch erntereife Fische herauskommen”. Dazu komme, dass alle Angaben zur Dichte, Geschlechterstruktur und Reproduktion beim Fischotter auf Analogschlüssen basierten, was „Folgerungen zu Regulierungs-Notwendigkeit oder Entnahme-Mengen überhaupt nicht zulässt”.

Scherzinger warnt davor, nicht der simplen Logik zu folgen: „Viele Fische hinein, wenige Fische heraus, die Differenz ist Fischotter-Beute.“ Das durchaus einleuchtende Argument, dass es früher „keine Otter, dafür viele Fische gab und heute keine Fische, dafür Otter“ lasse außer Acht, was sich in den Fischpopulationen, in den Gewässern, bei den Belastungen durch technische Bauwerke und den geringen Restwassermengen in den Ausleitungsstrecken getan hat. Nur solide Basisdaten und eine gesamt-ökologische Betrachtung der Entwicklungen könnten dazu führen, den Fischotter nicht „leichtfertig ans Messer zu liefern”, sagt Biologe Scherzinger. 

Kilian Pfeiffer

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