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100. Todestag von Hitlers Wegbereiter

Dietrich Eckarts Grab am Berchtesgadener Friedhof bleibt an seinem 100. Todestag ungeschmückt

Das Grab Dietrich Eckarts auf dem Alten Friedhof von Berchtesgaden kurz vor Weihnachten. Bis vor einigen Jahren wurde das Grab noch gepflegt.
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Das Grab Dietrich Eckarts auf dem Alten Friedhof von Berchtesgaden kurz vor Weihnachten. Bis vor einigen Jahren wurde das Grab noch gepflegt.

Auf Berchtesgadens Altem Friedhof ist das Grab von Dietrich Eckart zu finden. Vor genau 100 Jahren starb Hitlers Förderer am zweiten Weihnachtsfeiertag.

Berchtesgaden – Eckart hatte ihn nach Berchtesgaden auf den Obersalzberg gebracht. Als Forschungsgebiet ist der Ideengeber und Nationalsozialst von Interesse: „Eine wissenschaftliche Biographie Dietrich Eckarts auf dem aktuellen Stand der Forschung ist ein Desiderat“, sagt Albert Feiber, Fachlicher Leiter und Kurator der Dokumentation Obersalzberg. 

Der Münchner Dietrich Eckart war schon über 50 Jahre alt als er Adolf Hitler 1919 kennenlernte. Ein Trinker, morphiumabhängig und ein gescheiterter Dichter. Warum war Eckart so interessant für Hitler? 
Albert Feiber: Dietrich Eckart war für die frühe NSDAP eine prägende Figur. Man kann ihn als Wegbereiter Hitlers und der NS-Ideologie betrachten. In den Anfangsjahren der Weimarer Republik war er einer der schlimmsten antisemitischen und rechtsradikalen Hetzer. Eckart war Teil des rechten Münchner Milieus. Wann genau er Hitler das erste mal traf, ist schwer zu sagen. Eckart war mit dem Gründer der Deutschen Arbeiterpartei, Anton Drexler, gut bekannt. Er verkehrte in vielen Kneipen Münchens. Sein Haus war ein Treffpunkt aus dem Milieu. Hitler war sicher auch des öfteren Gast. Zum Freundeskreis Dietrich Eckarts gehörten viele der ersten Parteimitglieder, etwa Christian Weber oder Hermann Esser. Im August 1919 trat Eckart zum ersten Mal als Redner bei der neu gegründeten Deutschen Arbeiterpartei auf. In diesem Umfeld lernte er Hitler kennen.
Eckart war Hitlers Inspirator?
Feiber: Er war ein wichtiger Ideengeber für Hitler. Eckart war ein Türöffner Hitlers für die bessere Gesellschaft. Hitler kam durch Eckart 1923 auf den Obersalzberg. In Eckarts letztem Lebensjahr vor genau 100 Jahren spielte er für Hitler aber keine wichtige Rolle mehr. Eckart hat das Gedicht ‘Deutschland erwache’ verfasst. Später wurde es zum Schlachtruf der SA und der NSDAP. Eckart zählt damit zu prägenden Figuren der völkisch-antisemitischen Rechten Anfang der frühen 1920er-Jahre. 
Eckart brachte die wöchentliche Broschüre ‘Auf gut deutsch’ heraus. Später war er Herausgeber des „Völkischen Beobachters“. Was waren das für Blätter, für die er verantwortlich zeichnete?
Feiber: ‘Auf gut Deutsch’ war ein von Eckart herausgegebenes antisemitisches Wochenblatt. Die NSDAP beziehungsweise Hitler erwarb 1920 den unbedeutenden Münchner Beobachter aus dem Eher Verlag, der seit August 1919 in der überregionalen Ausgabe ‘Völkischer Beobachter’ hieß. Ab diesem Zeitpunkt war er die Parteizeitung der NSDAP. Eckart spielte dabei eine entscheidende Rolle. Er stellte die Finanzierung sicher. Ohne ihn hätte die NSDAP die Zeitung vermutlich nicht kaufen können. Er wurde erster Chefredakteur des Blattes.
Wie beeinflusste Dietrich Eckart das politische Denken und die Ideologie der völkischen Bewegung in Deutschland? 
Feiber: Das ist Stoff für eine längere Abhandlung. Der tatsächliche ideologische Einfluss ist deutlich geringer, als er später in der NS-Propaganda dargestellt wurde. Wie genau, wäre Thema einer wissenschaftlichen Studie.
Hitler kam nicht ohne Grund nach Berchtesgaden. Eckart ist der Grund: Womit überzeugte er Hitler von der Region, hier ansässig zu werden? 
Feiber: Eckart war 1923 vor dem Leipziger Staatsgerichtshof angeklagt wegen einer Beleidigung des sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert. Er wollte sich dem Strafverfahren entziehen und suchte ein geeignetes Versteck. Christian Weber, eine Münchner NS-Lokalgröße, hatte am Obersalzberg im Hochlenzergebiet sein Jagdrevier und empfahl ihm den Obersalzberg. Eckart versteckte sich seit Anfang Mai 1923 in der Pension Moritz, dem späteren Platterhof. Dessen Pächter Bruno Büchner war mit Weber bekannt und ein früher Anhänger Hitlers. Nachdem Eckart befürchtete, dass die Polizei sein Versteck finden könnte, zog er in das Göllhäusl, die spätere „Vorderbrand Lodge“, die ebenfalls Büchner gehörte.
Ganz reibungslos ging es für Eckart aber nicht weiter…
Feiber: Eckart blieb bis Anfang November 1923 in Berchtesgaden. Nach dem gescheiterten Hitler-Putsch wurde er verhaftet und kehrte nach seiner Freilassung am 24. Dezember schwer krank zurück. Er ist auf dem Berchtesgadener Friedhof begraben. Im Mai 1923 kam Hitler in Begleitung von Christian Weber zum ersten Mal nach Berchtesgaden und zum Obersalzberg, weil er Eckart in er Pension Moritz besuchen wollte. Später behauptete er, er habe sich bei seinem ersten Besuch in die Landschaft verliebt. Das mag sein. Wichtiger und zentral aber waren die Menschen: Nachbarn und Freunde am Obersalzberg und in Berchtesgaden, Förderer vor Ort und aus dem ganzen Reich mit Verbindungen zum Obersalzberg. Er hatte hier ein großes Netzwerk aus Menschen, bei denen seine Weltanschauung und seine Ideen Anklang fanden. Eine NSDAP-Ortsgruppe gab es bereits seit 1922, also vor Hitlers erstem Besuch am Obersalzberg.
Albert Feiber ist stellvertretender Fachlicher Leiter und Kurator der Dokumentation Obersalzberg in Berchtesgaden. Der Historiker arbeitet beim Institut für Zeitgeschichte München-Berlin.
Die beiden entwickelten im Laufe der Zeit eine persönliche Freundschaft. Hitlers Sekretärin hat einmal gesagt, dass er nur einen großen Freund hatte und das sei sein ‘getreuer Ekkehard‘ gewesen. Was waren die verbindenden Elemente hinter der Beziehung?
Feiber: Da ist viel Legende dabei. Richtig ist: Eckart war für Hitler ein väterlicher Freund und Förderer. Inwieweit es eine wirkliche Freundschaft oder nur ein Zweckbündnis war, bleibt offen.
Das Grab Eckarts gibt es auch heute noch auf dem Alten Friedhof Berchtesgadens. In der Vergangenheit wurden dort immer wieder Kerzen und Blumen niedergelegt. Wie problembehaftet war die Grabstätte?
Feiber: Dass auf einem Grab gelegentlich Kerzen oder frische Blumen abgelegt werden sollten, ist für einen Friedhof nichts Ungewöhnliches und unproblematisch. Entscheidend ist, dass das Grab Dietrich Eckarts in der öffentlichen Wahrnehmung so gut wie keine Rolle spielt und - im Gegensatz zum früheren Grab von Rudolf Hess in Wunsiedel. Eckarts Grab ist kein Anziehungspunkt für Rechtsradikale. Weil das Grab in der Öffentlichkeit keine Rolle spielt, wäre eine große mediale Aufmerksamkeit auch eher kontraproduktiv.
In wessen Auftrag wurde die Grabstätte eigentlich all die Jahre finanziert und gepflegt?
Feiber: Das ist mir nicht bekannt. Aus Datenschutzgründen ist das nicht bekanntgegeben worden.
Vor wenigen Jahren entschied man sich dafür, das Grab als solches aufzulösen und nur noch den Grabstein stehen zu lassen. Warum? 
Feiber: Friedhöfe spiegeln die Geschichte des jeweiligen Ortes wider. Man kann die Geschichte eines Orts auch anhand der Gräber erzählen. Das zeigt sich in besonderer Weise an beiden Berchtesgadener Friedhöfen. Neben Einheimischen und lokalgeschichtlich bedeutenden Persönlichkeiten befinden sich dort auch Gräber von Zugereisten und prominenten historischen Personen aller Epochen. Auf dem alten Friedhof in Berchtesgaden ist Anton Adner begraben, mit 117 Jahren der älteste Bayer. Mauritia Mayer gilt als die Begründerin des Tourismus am Obersalzberg. Auf dem Bergfriedhof finden sich Gräber von NS-Verfolgten wie Rudolf Kriss und Rudolf Berliner neben Gedenksteinen für NS-Größen. Auch das Grab von James Barry Kraft, dem ersten Chef des Armed Forces Recreation Center Berchtesgaden, ist dort. 
Dem Alten Friedhof Berchtesgadens wird also eine generelle Bedeutung beigemessen?
Feiber: Der Alte Friedhof ist wegen seiner historischen und kunsthistorischen Bedeutung als Gesamtheit historisches Baudenkmal in der Bayerischen Denkmalliste eingetragen. Das Grab von Dietrich Eckart ist Bestandteil des Baudenkmals und darf daher nicht ohne weiteres beseitigt werden. Das Grab Eckarts ist als ein wichtiges Zeugnis der Geschichte Berchtesgadens grundsätzlich erhaltenswert. Es muss aber zwingend der Eindruck vermieden werden, dass mit dem Erhalt des Grabsteins Dietrich Eckart ein Denkmal gesetzt wird und an ihn positiv erinnert werden soll. Deshalb wurde das Grab auch aufgelöst und nur der Grabstein stehen lassen. Man könnte die Geschichte auch dadurch bereinigen und dmit beschönigen, indem man unliebsame Gräber entfernt. Dadurch würde die Erinnerung ausgelöscht werden. Die aktuelle Situation am Grab spielt natürlich eine Rolle. In der öffentlichen Wahrnehmung ist es so gut wie bedeutungslos. Sollte sich das ändern und regelmäßig Aufmärsche am Eckart-Grab stattfinden, wäre eine Neubewertung erforderlich.
Gibt es noch weiße Flecken in der geschichtlichen Aufarbeitung Dietrich Eckarts, um die man sich in der Zukunft kümmern müsste? 
Feiber: Eine wissenschaftliche Biographie Dietrich Eckarts auf dem aktuellen Stand der Forschung ist ein unerledigtes Anliegen, ein Desiderat. Eine weiterführende Forschung wäre dazu notwendig.

kp

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