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Rockstar, Berchtesgadener Hotelier, Protagonist bei den Drei ??? - Peter Juhre hat in seinem Leben schon einige interessante Stationen durchlaufen. Durch einen glücklichen Zufall wurde er einst als Ersatz für den Bassgitarristen von Tina Turner engagiert und tourte anschließend mit Bonnie Tyler, Cliff Richard und Meat Loaf. Im Gespräch mit BGLand24.de erzählt er, wie ihn die Queen of Rock ´n Roll vom Liebeskummer getröstet hat und wie es war, mit ihr auf der Sommerrodelbahn zu fahren.
Wie haben Sie erfahren, dass Tina Turner verstorben ist?
Ich bin mit meinem Küchenchef zusammen gesessen und habe das Menü besprochen. Er hat am Handy rumgemacht und meinte plötzlich: „Ach, deine Chefin ist tot.“ Ich meinte dann: „Welche Chefin, meine alte Chefin, Tina?“ Da meinte er: „Ja“.
Wie ging es Ihnen damit?
Es ist ein Verlust. Ich habe ihr auch sehr viel zu verdanken. Nachdem es ihr ja hundsmiserabel gegangen ist, ist es aber wohl für ihren Mann und für sie selber eine Erlösung gewesen. Das wäre nur noch ein Dahinsiechen gewesen. Sie war dem Buddhismus sehr zugewandt. Sie hat immer gesagt: „Angst vorm Sterben habe ich eigentlich nicht. Man muss die Zeit nutzen und fröhlich sein.“ Das war ihre Devise. Jetzt ist auch einfach die Zeit, wo manche Rock- und Pop-Größen aus dem Siebzigern regelmäßig gehen. Ich habe ja auch bei Meat Loaf gespielt, und der ist letztes Jahr gegangen. Dann Lemmy von Motörhead, den kannte ich sehr, sehr gut. Da verabschieden sich doch einige. Das ist der Lauf der Zeit. Viele Menschen werden trauen. Sie hatte ihre Karriere auch beendet und mit ihrer Stiftung auch noch viel Gutes angeleiert, sodass man sagen kann, ihr Lebenswerk ist in vernünftigen Händen. Ihre Musik wird zeitlos weiterleben. Sie hat über 200 Millionen Tonträger verkauft, das ist irre.
In meiner Lebenseinstellung gibt es keine Zufälle, sondern nur Schicksal. Es sollte wohl so sein. Ihr Bassist hatte sich auf Tournee die Mittelhand gebrochen. Dann wurde schnellstmöglich Ersatz gesucht. Es musste wie Tinas Bassist auch ein Warwick Vertragsbassist sein. Dann bin ich zur Audition nach London geflogen. Bei Tina war es immer so, dass sie ja praktisch einen Bühnen-Derwisch neben sich hatte. Und ich war eine ziemliche Rampensau, also der eher untypische Bassist. Ich hatte ein Trampolin hinter dem Schlagzeugpodest stehen und bin dann mit Anlauf beim Beginn der Show im Spagatsprung über den Schlagzeuger eingeflogen und auf der Bühne gelandet. Dabei bin ich auch manchmal unsanft gelandet, aber das sah dann so aus, als ob es so sein soll, dass man erst mal im Sitzen los rockt.
Wann war das?
Das erste Mal habe ich 1991 mit ihr gespielt. Und danach bin ich in den Mitneunzigern immer wieder mal eingesprungen. Sie war ja schon vorher sehr erfolgreich, bereits mit Ike Turner, wo sie nach der Scheidung am Hungertuch genagt hat, weil alle Verträge auf ihn liefen. Dann in den Achtzigern kam ja der Megadurchbruch, wo ihre Videos auch legendär waren. Ich kam danach dazu.
Wie haben Sie sie wahrgenommen?
Sie war jetzt keine Diva wie die Streisand oder Celine Dion. Da hat es schon sehr gemenschelt. Sehr viel positive Energie. Allerdings hatte sie auch schlimme Depressionen. Ihr Management wurde immer als bester Freund dargestellt, dem war nicht so. Sie ist absolut im goldenen Käfig gesessen. Nach jeder Show hieß es für sie, sofort ins Hotel. Dort haben wir im abgesperrten Bereich immer noch gejammt. Aber auf den offiziellen Aftershowpartys war sie so gut wie nie dabei. Wir haben noch Geld dafür bekommen, dass wir sie vertreten, was eine Frechheit gewesen ist vom Management, weil sie der Star war. Aber sie durfte nicht. Sie hat sich auch immer wieder bei uns ausgeheult. Einen Abend bei dem einen an der Schulter, am nächsten Abend war der nächste dran. Sie konnte nicht einmal alleine shoppen gehen. Vor ihrem Zimmer standen immer nachts zwei Securities. Die durfte gar nichts. Die schönste Zeit für sie war die Bühnenzeit und die Zeit, wo wir im Hotel zusammen Musik gemacht haben. Aber darauf hatten wir auch nicht immer Bock. Sie meinte, sie hätte dem Management alles zu verdanken und sie hatte Angst, dass sie wieder ein Niemand wäre, wenn sie das Management fallen lassen würde. Sie hatte es ja geschafft, von ihrem unsäglich schlechten Ehemann loszukommen. Und dann hat sie sich freiwillig wieder unterjochen lassen. Das habe ich nicht verstanden. Davon abgesehen war es ihr aber immer wichtig, dass es jedem gut geht. Sie hat sich wie eine Mama oder eine große Schwester um die Band gekümmert. Sie hatte eine unglaubliche Energie. Mit ihr auf der Bühne knisterte es bei jedem von uns extrem. Diese Wahnsinns-Power war nie aufgesetzt. Da ist jeden Abend ein Vulkan aus ihr heraus gebrochen. Sie hat immer gesagt, dass Musik ihre Befreiung aus der Sklaverei ist.
Würde Sie sagen, dass Tina Turner auf der Bühne auch so war, wie sie privat war?
Sie war schon ein Energiebündel und wahnsinnig sozial. Sie sprach mit 50.000 Menschen vor sich mit Blickkontakt zu den ersten Reihen. Das hat sich für mich angefühlt, also ob sie sich gerade mit ein paar Kumpels unterhält. Das ist eine tolle Gabe. Sie ist eine extrem charismatische Persönlichkeit gewesen und war ein kommunikativer Mensch, der sich um andere gekümmert hat, auch um mich. Sie hat versucht, andere zum Lachen zu bringen.
Gibt es ein Erlebnis, dass Sie besonders in Erinnerung haben?
Ich hatte gerade eine Trennung hinter mir. An einem Abend habe ich meinen Moralischen gehabt und wirklich durchgehangen. Dann kam sie, in Jeans gekleidet. Ich habe ihr erzählt, dass mir die Trennung weh tut, weil wir doch verlobt waren. Da meinte sie: „Na ja, andere Mütter haben auch schöne Töchter“. Und dann habe ich spaßeshalber zu ihr gesagt: „Charakterlich möchte ich so etwas wie dich.“ Und dann sagte sie: „Ich bin aber zu alt für dich.“ Dann haben wir ein bisschen rumgeblödelt, bis sie plötzlich für eine Viertelstunde verschwunden ist. Ich musste schallend lachen, als sie wieder herunter kam. Sie hatte sich umgezogen und sah aus wie ein Teenie, mit neonfarbenem Stirnband und hat gesagt: „Passe ich jetzt besser zu dir?“ Da musste ich so lachen. Sie wollte mich wieder fröhlich machen und das ist ihr auch gelungen.
Hat Sie Tina Turner auch persönlich geprägt?
Jeder Mensch, mit dem du enger zu tun hast, prägt dich. Bei ihr war es dieses optimistische Nach-Vorne-Schauen und das Leben im Hier und Jetzt, Erinnerungen zu haben, aber ihnen nicht nachzuhängen. Die schlimme Vergangenheit konnte sie aus ihren Gedanken extrem verbannen, vielleicht auch durch ihre buddhistische Haltung. Sie hat nie für etwas einen Bösen gesucht. Sie hat immer gekämpft. Bei ihr ging es immer nach dem Motto: Bauch rein, Schultern zurück und Kopf hoch, nach vorne ist der Weg. Da habe ich mir sehr viel abgeschaut. Das hat mir schon in diversen Problemsituationen sehr geholfen.
Wann hatten Sie zum letzten Mal Kontakt?
Das ist bestimmt 20 Jahre her. Ich habe ja auch bei Cliff Richard, Bonnie Tyler, Meat Loaf, Mike an the Mechanics gespielt. Du hast da so viele Kontakte, die du dann nicht alle pflegen kannst. Wir haben uns noch ab und an geschrieben. Manchmal kam ein Geburtstagsgruß oder auch bei der Eröffnung vom Alpenglühn kam noch etwas. Ich hatte ihr schon erzählt, dass ich irgendwann ein kleines Hotel aufmachen möchte. Und dazu hat sie mir dann gratuliert.
Sie haben ja auch die Liebe zu den Alpen gemeinsam.
Richtig. Ihre ersten großen Erfolge begannen ja in Europa. Wir hatten in München zwei Shows, da waren wir mit drei Limousinen unterwegs und sind zum Kloster Ettal gefahren und waren bei Bad Tölz auf der Sommerrodelbahn. Das war so cool. Sie wurde von fast niemanden angesprochen, weil sich die Leute dachten: Kann nicht sein. Tina Turner fährt nicht Sommerrodelbahn. Das war so ein schöner Tag. Wir sind über den Starnberger See zurück und dort in einem Lokal im Biergarten gesessen. Da meinte sie schon, wie sehr sie die Alpen liebt.
Sie waren ja von dem schlimmen Unwetter vor zwei Jahren stark betroffen. Dort sind leider auch sämtliche Fotos von Tina vernichtet worden. Haben Sie noch irgend eine Erinnerung an sie?
Die Schlamm-Mure und das Hochwasser hat nicht viel überlebt. Ich habe leider keine Bilder mehr von uns zusammen. Ich hatte ein paar Bildercollagen an der Wand hängen. Die Räume waren komplett zerstört. Allein im Alpenglühn hatte ich einen Schaden von 810.000 Euro und zu Hause von etwa einer halben Million. Die ganzen Erinnerungen sind weg. Auch die ganzen Masterbänder von meiner Band und meiner Schülerband, die gefilmten Tournee-Tagebücher mit Meat Loaf und mit Bonnie Tyler, Gästebücher - es ist alles weg. Es sind so viele unwiederbringliche Sachen. Das ist ein Teil des Lebens. Im Herzen werde ich sie dennoch immer tragen. Ich habe aber noch ein Geschenk von Tina. Zu meinem Geburtstag hat sie mir ein Gemälde von einem Künstler geschenkt. Der war ein gute Freund von David Bowie. Er hat ein ziemlich modernes Gesichtsporträt von ihr gemacht. Die Tour war um meinem Geburtstag herum. Da habe ich es von ihr bekommen. Das gibt es noch.