Es gilt, über 11.500 Abfahrten zu kompensieren
Alexander Resch sieht Sport-Talent-Vision in Gefahr – Kinder leiden extrem unter Kunsteisbahn-Schäden
Berchtesgaden – Alexander Resch, Vorstandsvorsitzender des „Talentzentrums Wintersport Berchtesgaden e.V.“, das fünf Wintersportvereine im südlichen Landkreis unter anderem in der Trainer-Arbeit unterstützt, macht sich große Sorgen um den Nachwuchs – in Summe rund 450 Kinder und Jugendliche: Seit März 2020 aufgrund der Corona-Situation, seit Sommer dieses Jahres zusätzlich aufgrund der Teil-Zerstörung der Kunsteisbahn am Königssee. Wir haben mit dem 42-jährigen Olympiasieger im Doppelsitzer-Rennrodeln von 2002 über die Probleme gesprochen.
Herr Resch: Der „Sportpolitische Ausschuss“ musste Lockdown-bedingt abgesagt werden. Um wen und was handelt es sich dabei überhaupt?
Alexander Resch: In diesem Gremium, bestehend aus den Vorständen und Sportlichen Leitern der Wintersportvereine sowie unseren Trainern, besprechen wir gemeinschaftlich, wo wir unsere Schwerpunkte setzen müssen. Derzeit vor allem, um die allein vom Sport-Talent betreuten 250 Kinder bestmöglich in Bewegung zu halten.
Welche Schwerpunkte wären auf der Agenda gestanden?
Resch: Ein erster ist natürlich die aktuelle Corona-Situation. In unseren Vereinen wird hervorragende Nachwuchsarbeit geleistet, wir haben großen Zulauf. Nach Möglichkeiten müssen wir immer suchen, um trotz Pandemie mit den Kindern in Verbindung zu bleiben. Wir bieten unter anderem per Zoom Trainingseinheiten an. Aber viel nötiger brauchen die Kinder gerade jetzt Bewegung an der frischen Luft. Ein durch Sport gestärktes Immunsystem ist weitaus resistenter gegen Viren. Das ist im Grunde genommen das Wichtigste.
Wie steht „Sport-Talent“ zum Impfen?
Resch: Wir bekennen uns hundertprozentig zur Impfung. Gerade die Eltern der knapp über Zwölfjährigen verspüren aber auch viele Unsicherheiten. Die Frage „soll ich mein Kind impfen oder nicht?“ hören wir sehr oft. In diesen Fällen setzen wir auf den Dialog mit unseren Vertrauensärzten im Netzwerk von Dr. Lutz Kistenmacher. Hier können Eltern wie Kinder eine zusätzliche, fachkundige Meinung einholen, um für die Familie die letztlich beste Entscheidung zu treffen.
Ist die aktuell beklemmende Situation mit der Kunsteisbahn am Königssee ein zentrales Thema für dieses Gremium?
Resch: Selbstverständlich. Sie ist aktuell in aller Munde. Der Bayerische Bob- und Schlittensportverband (BBSV) und wir vom Talentzentrum sind derzeit bestrebt, rund 200 weiteren Kindern eine Alternative zu bieten. Das ist eine Mega-Herausforderung, besonders für meinen Vorstandskollegen beim Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD), Dr. André Sander. Er koordiniert den BBSV ehrenamtlich. All das ist für unsere Trainer, die vielen Ehrenamtlichen und in erster Linie für die Kinder eine Mammut-Aufgabe – vor allem für die kleineren, die nicht zu lange von den Eltern getrennt sein wollen. Allein im Winter 2019/20 wurden auf der Königsseer Bahn 11.512 Abfahrten von Kindern und Jugendlichen absolviert. Das entspricht in etwa einem Drittel der gesamten Auslastung pro Jahr, die hier für den Schüler- und Nachwuchsbereich vergeben werden. Jetzt gilt es, diese Abfahrten so gut es geht zu kompensieren.
Welchen Einfluss hat die 52 Jahre alte Kunsteisbahn auf Ihre ehrenamtliche Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender des Talentzentrums?
Resch: Im operativen relativ wenig, da die Sportarten Rennrodeln, Bob und Skeleton von meinem Kollegen André Sander federführend gesteuert werden. Langfristig hätte der Wegfall der Bahn weitreichende Konsequenzen für den gesamten Sport in Berchtesgaden und Umgebung. Was vielen unbekannt ist: Die Kunsteisbahn ist die Grundlage, die den Sportstandort in dieser Dimension und der hohen Qualität legitimiert. An dieser landkreiseigenen Sportstätte – die bekanntlich vom BSD betrieben wird – hängt der gesamte Stützpunkt.
Wieviele Arbeitsplätze stehen hier auf dem Spiel?
Resch: In Summe mindestens 50. Weitere Jobs von Partner-Institutionen wie der Christophorusschule (CJD), dem Olympia-Stützpunkt (OSP), den Sportfördergruppen der Bundeswehr, der Landes- und der Bundespolizei sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Ebenso weiß keiner, wie es mit den insgesamt rund 450 Kindern und Jugendlichen weitergeht, die vom BBSV und dem Sport-Talent mit betreut und finanziert werden.
Wie sehen die nächsten großen Projekte aus?
Resch: Zunächst hoffen wir, dass wir unsere Kinder trotz Corona wieder in Schwung bringen beziehungsweise im Idealfall im Schwung halten. Erst kürzlich habe ich mich mit Michael Wendl vom „Bergerlebnis“ und unseren treuen Förderern und Partnern bezüglich einer möglichen Sport-Gala 2022 verständigt. Wir hoffen, sie im kommenden Jahr nach zwei Jahren Corona-Unterbrechung wieder durchführen zu können. Ständig fragen mich die Leute, wann wir mit der Gala wieder loslegen. So ein Feedback freut mich sehr, weil wir hier zusammen mit dem Zweckverband und natürlich dem grandiosen AlpenCongress-Team um Sepp Wenig etwas für den elementaren Kindersport tun. Genauso wie für das gesellschaftliche Miteinander, das gegenwärtig viel zu kurz kommt.
bit