Eigentlich nur alle zwei Jahre
Jedes Jahr ein Faschingsumzug in Bad Reichenhall? Bergei-Gastwirt Berger: „Da geht noch mehr“
Damit hat Christoph Berger nicht gerechnet: Spontan organisiert er den Faschingsumzug in Bad Reichenhall, ohne zu wissen, wie dieser angenommen wird. Er will etwas bewegen: Statt Gemecker über „Bad Leichenhall“ soll ein Wir-Gefühl entstehen, bei dem jeder mitanpackt. Für eine belebte und attraktive Stadt, für Jung und Alt, für Bad Reichenhall. Die Resonanz am Dienstag gibt ihm recht, doch er glaubt: „Da geht noch mehr.“ Pläne hat der Bergei-Gastwirt so einige, wie er verrät.
Bad Reichenhall - Der 35-Jährige versucht schon seit Jahren, in der Stadt aktiv zu sein und mit Events mehr Menschen in die Kreisstadt zu locken. Als Beispiel dient unter anderem das Street-Food-Festival, dass es auch in diesem Frühjahr wieder geben soll. Natürlich hat er als Inhaber des Gasthauses Heimgarten Zum Bergei und von Bergei‘s Drinks auch ein wirtschaftliches Interesse, „von Luft und Liebe kann ich nicht leben“. Doch dem jungen Familienvater geht es vor allem darum, der Stadt wieder mehr Attraktivität zu verleihen und die Bad Reichenhaller ein Stück weit auch zu vereinen.
Mehr Miteinander und ein stärkeres Wir-Gefühl statt Klagen und Schimpfen über „Bad Leichenhall“ oder die „große Geisterstadt“, wie die Kreisstadt von manchen Einwohnern gerne zynisch bezeichnet wird. „Durch die Pandemie ist einiges eingeschlafen. Dabei wurde auch eine ganze Generation an jungen Menschen übersprungen, die einiges verpasst haben. Und wir zehren schon seit Jahrzehnten nur von den Kurgästen. Ich glaube, da geht noch mehr“, meint Berger.
Die größte Herausforderung
Seit eineinhalb Jahren arbeitet er eng mit dem Stadtmarketing zusammen. Er weiß, wie groß der „Verwaltungsapparat“ im Rathaus ist und an wen er sich wenden muss. Dementsprechend war für ihn die Organisation des Faschingsumzuges ein Leichtes. „Viel mehr Arbeit war es, die Leute und Vereine zu packen und zum Mitmachen zu bringen. Das war am schwierigsten“, erinnert er sich. Die Idee für den Umzug kam ihm beim Christkindlmarkt, bei dem er seit zwei Jahren mit einem Vereinsadvent vertreten ist.
„Viele Reichenhaller schimpfen immer und überall darüber, dass nichts passiert. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren gezeigt: In Reichenhall ist alles möglich. Es braucht nur ein gutes Konzept und eine gute Vorbereitung“, ist der 35-jährige Gastwirt überzeugt. Und dann muss man einfach loslegen und nicht nur reden, denn: „Niemand traut sich, wirklich etwas Neues zu machen. Das fehlt einfach in unserer Stadt.“ Deshalb will er mit gutem Beispiel vorangehen.
Kleiner, aber feiner Faschingsumzug in Bad Reichenhall
Verein kurz vor Gründung
Er selbst ist kein großer Faschingsfan, aber beim Umzug dachte er sich: „Wenn ich es nicht mache, wer dann?“. Zwar gab es noch zwei andere Unternehmen, die auch Interesse signalisierten. Doch diese wussten, dass Berger kurz vor der Gründung eines Vereins steht. „Von Reichenhall für Reichenhall“ soll dieser heißen, die Gründung befindet sich aktuell in der finalen Phase. „Den beiden Unternehmern war es dann sogar lieber, wenn ich das übernehme. Mit einem Verein und Mitglieder ergeben sich ganz andere Möglichkeiten. Und auf Dauer kann ich das alles nicht alleine machen.“ Als Vater einer sechsjährigen Tochter wolle er auch Zeit für sich und seine Familie haben.
Mit dem Verein will er eine Plattform für Bürger und deren Ideen bieten, um zu zeigen: Alles ist möglich, es braucht manchmal nur die richtigen Leute und Konzepte. „Den Faschingsumzug habe ich zum ersten Mal organisiert. Innerhalb von acht, neun Wochen musste ich genügend Teilnehmer zum Mitmachen zu finden.“ Schnell erhielt er Zusagen von den Teilnehmern, die schon früher bei den Faschingsumzügen mitmachten, zum Beispiel von der Stadtkapelle, der Feuerwehr und den Altstadtfrauen. Doch es kamen auch neue Gruppen, teilweise sogar recht spontan, denn: Selbst am Faschingsdienstag kurz vor Umzugsbeginn waren noch Anmeldungen möglich.
Gassen zu eng für Traktore und andere Fahrzeuge
Zwar war die Teilnehmerliste am Dienstag recht überschaubar, zehn Gruppen liefen mit. Unzufrieden war Berger trotzdem nicht, im Gegenteil: Das Konzept mit reinen Fußgruppen und Handwagen ging seiner Meinung nach auf. „Es gab schöne Ideen und die Teilnehmer hatten zu Fuß viel besseren Kontakt zu den Zuschauern, als wenn sie auf motorisierten Wagen hocken.“ Viele würden nicht bedenken, dass es in Bad Reichenhall viele Gassen gibt, bei denen es mit Traktoren oder anderen Fahrzeugen schnell zu eng wird.
„Und ich habe vor einigen Jahren als Ordner beim Umzug mit eigenen Augen die Unvernunft der Zuschauer erlebt. Das ist erschreckend, wie wenig die Eltern nach ihren Kindern schauen, während diese nur auf die Süßigkeiten fokussiert sind. Ich ziehe mir als Privatperson und Alleinverantwortlicher doch nicht den Schuh dafür an“, betont der Gastwirt, der zudem auf den höheren bürokratischen Aufwand bei motorisierten Wagen verweist.
Und nächstes Jahr?
Natürlich hätten es noch mehr Teilnehmer sein können, „aber das ist Geschmackssache. Mir hat es sehr gefallen und man darf auch nicht vergessen: In den Faschingshochburgen gibt es große Vereine, die ganz andere Möglichkeiten haben und teilweise sogar von Firmen unterstützt werden. Das gibt es bei uns nicht - noch nicht.“ Denn Bergers Gedanken richten sich ein bisschen auf das nächste Jahr, wie er zugibt.
Nachdem er den Umzug wiederbelebt hat, wäre es aus seiner Sicht schade, wenn dieser erst wieder in zwei Jahren stattfindet. So war es bislang in Bad Reichenhall üblich: alle zwei Jahre Faschingsumzug, alle vier Jahre Altweibermühle. „Ich habe schon mit Vereinen und Mitwirkenden gesprochen, das Interesse wäre auf jeden Fall da. Und ein jährlich stattfindenden Umzug hätte einen ganz anderen Anreiz“, erläutert der 35-Jährige. Eventuell ließen sich auch Piding oder Jettenberg mit ins Boot holen, damit sich der Umzug über die Stadtgrenzen hinaus öffnet. „Ein Miteinander wäre schön und dass der Umzug etwas größer wird“, so Berger.
„Davon profitieren wir alle“
Mit einem solchen Zuschauerandrang wie am Dienstag hatte er nicht gerechnet, wie er erklärt. Nicht nur der Rathausplatz war gut gefüllt, an der gesamten Wegstrecke war einiges los. Die Stimmung war ausgelassen, alle freuten sich über den Umzug. Selbst von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst gab es Lob und Schulterklopfen, bei allen Beteiligten überwog die Freude.
Berger ist überzeugt: „Egal ob Handel, Gastronomie oder Bevölkerung: Mit solchen Events locken wir mehr Menschen in die Innenstadt, davon profitieren wir alle.“ Er glaubt, dass somit Jung und Alt von der Attraktivität von Bad Reichenhall überzeugt werden. Die vielen positiven Reaktionen auf den Umzug bestärken ihn nur darin, nächstes Jahr wieder etwas zu machen. „Alle haben gelacht und waren gut gelaunt, alles verlief friedlich und gesittet. Das ist der richtige Weg, so müssen wir weitermachen.“
