Bairisch als Minderheitensprache offiziell anzuerkennen, ist das große Ziel, hinter dem der Reichenhaller Heinz Schober-Hunklinger vom Förderverein Bairische Sprache und der Sprachwissenschaftler Johann Scheutz aus Salzburg stehen. Die Anerkennung könnte Bairisch als wertvolle Sprache und kulturelles Erbe schützen und damit auch jungen Generationen ein positives Sprachbewusstsein vermitteln, erklären sie im Interview.
Bad Reichenhall/Salzburg - Schober-Hunklinger ist als Vorsitzender des Fördervereins nahe dran an den Plänen, es gibt sogar eine Unterschriftenliste mit über 15.000 Teilnehmern. „Nicht jeder Bayer redet Bairisch. Und Bairisch spricht man nicht nur in Altbayern, sondern auch in Österreich und in Südtirol“, heißt es auf der Homepage. Auch Professor Dr. Johann Scheutz von der Paris Lodron Universität Salzburg unterstützt das Vorhaben, wie im Interview deutlich wird.
Herr Scheutz, Herr Schober-Hunklinger, die
Forderung der Freien Wähler, Bairisch in die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen aufzunehmen, hat viel Aufmerksamkeit erregt. Welche Vorteile würde eine solche Anerkennung für die bairische Sprache und ihre Sprecher eigentlich mit sich bringen?
Schober-Hunklinger: Dieser Weg wurde von uns gemeinsam mit der Sprachwissenschaft, allen voran den Professoren Anthony Rowley und Johann Scheutz, im März bei einer Klausur beschlossen. Durch Zufall erfuhr ein Landtagsmitglied davon, der auch bei uns Vereinsmitglied ist. Nur eine Landtagsfraktion kann einen Antrag an den Bayerischen Landtag stellen, und deshalb sind wir sehr dankbar. Aber unsere Aktion ist überparteilich. Wir haben eine breite Unterstützung.
Scheutz: Bairisch wird häufig als eine Art liebenswürdige Eigenart oder Kuriosität angesehen – manche sehen es gar als hinterwäldlerische Provinzposse. Die offizielle Anerkennung als Regionalsprache würde aber einen definitiven Prestigegewinn bedeuten. Das könnte der Abwertung des Bairischen entgegenwirken und eine Flucht aus der Sprache verhindern.
Sollte Bairisch offiziell als Minderheitensprache anerkannt werden, wäre das ein bedeutender Schritt. Was würde sich dadurch formal ändern? Könnte man dann von einem „Artenschutz“ für die Sprache sprechen?
Scheutz: Die offizielle Anerkennung würde diverse Förderungsmaßnahmen mit sich bringen, die ein klares Zeichen setzen: Bairisch ist wertvoll und verdient Schutz. Es ist kein „Lost place“ der Sprachlandschaft, sondern etwas Wertvolles, dem man sich annehmen sollte.
Der Dialekt gilt als fester Bestandteil der bayerischen Kultur und Tradition. Inwiefern prägt Bairisch die Identität der Region und der Menschen, die hier leben?
Scheutz: Sprache ist die zweite Haut des Menschen – für die regionale und soziale Identität ist sie unverzichtbar. Auch wenn das nicht jedem sofort bewusst und auch so wahrgenommen wird.
In Ländern wie Spanien oder Finnland gibt es schon länger staatliche Förderungen für regionale Sprachen wie Katalanisch oder Samisch. Wäre ein ähnliches Fördermodell für das Bairische in Bayern denkbar und umsetzbar?
Scheutz: Ja, das wäre durchaus denkbar und tatsächlich auch umsetzbar. Warum auch nicht?
Der bairische Dialekt ist an vielen Schulen immer seltener zu hören. Welche Rolle sollten Schulen künftig spielen, um den Dialekt wieder stärker in den Alltag der Schüler zu integrieren?
Scheutz: Es wäre wichtig, sich vom Fokus auf die Standardnorm zu lösen und Bairisch als vollwertige Sprache mit eigenen Lauten sowie grammatischen und lexikalischen Strukturen anzuerkennen.
Wenn Bairisch tatsächlich Teil der Charta wird, könnte eine ernsthafte Auseinandersetzung den Dialekt auch wieder für die jungen Generationen stärken. Welche politischen Schritte wären aus Ihrer Sicht notwendig, um diese Anerkennung nachhaltig umzusetzen?
Scheutz: Eine Aufwertung kann durch viele Maßnahmen erreicht werden: von Förderungen spezifischer Forschungsprojekte über die verstärkte Einbindung ins schulische Umfeld bis hin zur Unterstützung kultureller Aktivitäten und Projekte. Das alles trägt dazu bei, den Stellenwert der Regionalsprache zu festigen und zu verbessern.
Welche Rolle spielt Bairisch heute in den Medien und sozialen Netzwerken? Kann der Dialekt durch moderne Kommunikationsmittel neue Impulse erhalten?
Scheutz: Das ist nicht auszuschließen. Ich glaube aber nicht an einen nachhaltigen Effekt. Schreiben im nicht-standardisierten Dialekt ist eher eine Art nonkonformistische Reaktion auf die Normfixiertheit der Schule.
Als Professor für Sprachwissenschaft haben Sie einen tiefen Einblick in die Dynamik von Dialekten und Minderheitensprachen. Wie bewerten Sie die Chancen des Bairischen im Vergleich zu anderen regionalen Sprachen?
Scheutz: Im Vergleich zu Niederdeutsch, das bereits in die Charta aufgenommen wurde und quasi ausgestorben ist, besitzen Bairisch und die süddeutschen Sprachen noch ein gewisses Prestige und Ansehen. Zudem ist der Wechsel zwischen Bairisch und Standarddeutsch fließender. Es verlangt keinen abrupten Sprachenwechsel im Gespräch, wenn man von der Regionalsprache in die Standardsprache - und umgekehrt - wechseln möchte. Man kann zwischen den beiden sprachlichen Polen sanft hin- und hergleiten. Dies sehe ich als großen Vorteil für die Chancen des Bairischen im Vergleich zu anderen regionalen Sprachen.
Was müsste passieren, um vor allem die jüngere Generation wieder für das Bairische zu gewinnen? Gibt es ein Rezept, das den Dialekt in Zukunft lebendig hält?
Scheutz: Entscheidend ist, das Sprachprestige des Bairischen zu stärken. Nur wenn die Sprache von den jungen Leuten als wertvoll und modern wahrgenommen wird, wird sie langfristig lebendig bleiben. (kp)