Bergfex wird in Marktschellenberg zum Landwirt
„Zuhause ist es am schönsten“: Zu Besuch bei Extremkletterer Alexander Huber
Alexander Huber ist in seinem Element. Er begrüßt oberkörperfrei. Für den Extremkletterer ist das nichts Außergewöhnliches. Heute hängt er nicht an der steilen Wand, sondern zeigt seine Landwirtschaft, die er weit oben in Marktschellenberg betreibt. Eine alte Almhütte für 22 Schafe und acht Hühner inklusive.
Berchtesgadener Land/Marktschellenberg - Im Holztrog im Garten von Alexander Huber plätschert das Wasser, aus den Wiesen ist das Zirpen von Grillen zu hören, sonst nichts: Hinter dem Haus des Extremsportlers, dem Poschachlehen, tut sich ein großer Hügel auf.
Als einer der Huberbuam hat der gebürtige Pallinger deutsche Klettergeschichte geschrieben. Drei Hektar Wiese hat der 54-Jährige hier, zudem vier Hektar Wald, die er im Nebenerwerb bewirtschaftet. Vor 13 Jahren hat er sich das Anwesen gekauft, ordentlich umgebaut, eine Kletterwand im Wohnzimmer inklusive. Es ist sein Rückzugsort weit oben am Berg.
„Wir leben hier relativ autark”, sagt Alexander Huber. Auf dem Dach schlummert die Photovoltaik-Anlage und die Solarthermie. Unten im Keller ruht die Scheitholzheizung, die der Nebenerwerbslandwirt im Winter mit Halbmeter-Scheiten befeuert und die das gesamte Haus samt Ferienwohnungen mit Wärme versorgt. Dafür geht er selbst in den Bergwald am Steilhang, der an den Hügel grenzt, um Holz zu arbeiten.
Gerade eben saß er aber noch in der Küche am Laptop und beantwortete ein paar E-Mails. Es sind die Dinge, die er sich nicht ausgesucht hat, die aber zwangsläufig dazu gehören im Leben eines selbständigen Extremsportlers, der im Sommer klettert und ab Herbst auf Vortragsreise geht.
Mit Ehefrau Nina hat Alexander Huber im Marktschellenberger Ortsteil Scheffau eine kleine Landwirtschaft verwirklicht, die für ihn große Bedeutung hat. Sie wirft nicht viel ab, erfordert aber einiges an Zeit: „Ich betreibe Landschaftspflege, und das ist wichtig”, sagt er.
Alexander Huber stammt aus einem Bauernhof heraus - erst Milchwirtschaft, dann Bullenmast. Ende der 1970er-Jahre gaben die Großeltern die Landwirtschaft auf. Seitdem hatte er mit dem Thema nicht mehr viel am Hut.
Als er vor rund zehn Jahren in die Rolle des Landwirts schlüpfte, waren die Felder zunächst noch verpachtet. Ein bisschen wurde er ins kalte Wasser geworfen, als er sich dazu entschied, selbst Hand anzulegen. „Ich hatte zunächst ja keinerlei Erfahrung mit Schafen und der Landschaftspflege”, sagt Alexander Huber. Herausfordernd sei die erste Zeit gewesen. „Ich hatte ja keinen am Hof, den ich einfach mal fragen könnte.” Doch in der Scheffau gehört Nachbarschaftshilfe zum guten Ton, sagt er.
Früher ist Alexander Huber Motorrad gefahren. Das Hobby hat er an den Nagel gehängt. Mittlerweile nimmt er Vorlieb mit einem Elektromotorrad, das er auf seinem Grund fährt. „Steig auf”, sagt er. „Wir fahren den Hügel hoch.” Er will dem Besuch seine Felder zeigen, gibt Gas und düst bergwärts los.
Weil sich Bergsteigen nicht mit dem täglichen Melken vereinbaren lässt, hat sich Alexander Huber für Schafe entschieden. 22 Walliser Schwarznasen und Deutsche Bergschafe sind in einem originalen Kaser beheimatet, zu dem es eine Vorgeschichte gibt. Wegen eines Neubaus hatte ein Freund den alten Sulzbergkaser am Jenner abtragen lassen. Für Alexander Huber bot sich damals eine einmalige Gelegenheit, ein Stück Historie zu erhalten. Nur eine Gehminute vom Haus entfernt baute er sich das Original Balken für Balken wieder auf - in neuer Verwendung als Schaf - und Hühnerstall sowie als Lager für knapp 20 Rundballen. Die Walliser Schwarznasenschafe verbringen den Sommer über auf der Alm. „Der Weidewechsel ist gut für sie”, sagt Alexander Huber. Oben auf dem Hügel steht ein kleiner Unterstand aus Holz, wo sich die Tiere vor der Sonne schützen können.
Vor der ersten Mahd geht es für die Tiere zum sommerlichen Weidedomizil auf den Berg. Nach dem zweiten Schnitt kehren die Schafe wieder zurück. Neun Mutterschafe betreut Alexander Huber, einen Bock und derzeit 13 Lämmer, deren Fleisch verwertet wird. Nach etwa einem dreiviertel Jahr geht es für sie in die Bio-Schlachterei in Berchtesgaden. Lammfleisch ist das Produkt, das er als Landwirt vermarktet, und er spricht „von Glück”, dass es in Berchtesgaden noch einen lokalen Bio-Schlachthof gibt. „Fleischabnehmer habe ich Gott sei Dank genug”, sagt Alexander Huber. Seine Nebenerwerbslandwirtschaft hat er vor drei Jahren mit dem „Bio”-Siegel zertifizieren lassen. Viel verändert hat sich für den Landwirt dadurch aber nicht. Er hat den Kaser etwas erweitern müssen, zum Wohle der Tiere - das war die Auflage. „Gefressen wird bei uns sowieso nur Gras und Heu. Die Schafe bekommen zudem Salzlecksteine”, sagt Huber.
Die Wolle der Schafe hat Huber über Jahre hinweg eingelagert - und nun einen Abnehmer im Villgratental im österreichischen Osttirol gefunden. Schon bald will er das Nebenprodukt der Schafe dorthin transportieren. „Mir war es wichtig, dass mit der Wolle etwas Sinnvolles gemacht wird”, sagt der 54-Jährige.
Traktor, Heuraupe, Kreisler und Mähbalken sind unter hölzernen Verschlägen geparkt. Für das Mähen der drei Hektar großen Fläche benötigt Alexander Huber rund fünf Stunden, sagt er. Getan ist es damit natürlich noch lange nicht. Mit Blick auf die umliegende Bergwelt, Watzmann und Untersberg inklusive, geht die Zeit vorüber. Und überhaupt: Der Sportler weiß, wofür er das alles tut. Damit meint er nicht nur die Hausgäste, die bei ihm im Haus ihren Urlaub verbringen und sich die Eier der Hühner selbst aus dem Stall holen dürfen. „Für Kinder ist das immer eine schöne Sache”, sagt der dreifache Vater.
Wenn er lange auf Bergexpedition war und schließlich nach Hause zurückkehrt, dann weiß er, trotz all der Mühe: „Zuhause ist es am schönsten.”
kp



