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Mit 86 Jahren im Königskostüm

„Ich bin zäh“: Warum sich Deutschlands ältester Sternsinger noch jährlich die Krone aufsetzt

Deutschlands ältester Sternsinger: Hugo Naumann, 86, zieht heute wieder in Mariaberg bei Kempten von Haus zu Haus.
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Deutschlands ältester Sternsinger: Hugo Naumann, 86, zieht heute wieder in Mariaberg bei Kempten von Haus zu Haus.

Hugo Naumann ist mit seinen 86 Jahren Deutschlands ältester Sternsinger. Ein Rekord, den er nicht unbedingt geplant hatte. Eigentlich wollte er den Brauch ja nur in eine abgelegene Region zurückholen. Doch an den Haustüren erlebt er jedes Jahr so besondere Momente, dass er das Sternsingen einfach nicht aufgeben kann.

Kempten – Hugo Naumann lebt in Mariaberg, einem kleinen Ortsteil hoch über Kempten im Allgäu. Und dort hat jahrelang etwas gefehlt: die Sternsinger. Niemand klingelte Anfang Januar an den Türen, niemand brachte den Segen. Die rund 50 Häuser stehen weit auseinander, für die Kinder hätte es einen 40-Kilometer-Fußmarsch bedeutet, von Haus zu Haus zu ziehen. Deshalb hat Naumann die Sache mit dem Sternsinger-Segen einfach selbst in die Hand genommen.

1999 war das. Er ist in der Pfarrei St. Lorenz seit Jahren engagiert und bot an, die Kinder mit seinem VW Bus von Haus zu Haus zu fahren. Es war das erste Jahr, in dem die Mariaberger wieder den Segen bekamen. Doch ganz zufrieden war Naumann noch nicht. Denn er ist nebenberuflich auch Singschullehrer. „Die Kinder haben ihr Lied alle in einer unterschiedlichen Tonlage angestimmt“, erzählt er und schmunzelt. „Es klang schrecklich.“ Also hat er einfach mitgesungen und half den jungen Sternsingern, die Melodie zu halten. Schon war der Auftritt harmonischer. „Aber eigentlich macht es keinen Sinn, dass ich dann in zivil mitlaufe“, dachte er sich. Schon im nächsten Jahr trug er das Königskostüm.

Seine goldene Krone und sein blauen Umhang kommen heute wieder zum Einsatz. Obwohl Naumann mittlerweile 86 ist. Er kann das Sternsingen nicht aufgeben. Es bedeutet ihm mittlerweile einfach viel zu viel. Außerdem werden er und sein VW Bus in Mariaberg nach wie vor gebraucht. Um 9 Uhr steigen die Kinder mit ihrem Stern und dem Weihrauch-Fass ein – dann geht es los von Haus zu Haus. „Wir sind bis in die Abendstunden unterwegs“, sagt der 86-Jährige. Anstrengend ist das für ihn nicht, sagt er. „Ich bin zäh.“ Wenn er abends heimkommt und seiner Frau von seinem Sternsinger-Tag berichtet, ist er eher euphorisch als erschöpft. Seine Frau kennt das schon. Früher haben ihr die Sternsinger nicht nur den Segen gemacht, sondern bei ihr auch ein warmes Essen bekommen. Mittlerweile hat sie eine jüngere Helferin dafür gefunden. Aber noch immer klebt sie jedes einzelne Sternsinger-Foto und jeden Bericht über ihren Mann in ein Album.

Mehr als nur ein paar Zahlen und Buchstaben

In 25 Jahren sind nicht nur viele Bilder zusammengekommen – sondern auch einige unvergessliche Momente. Zum Beispiel damals, als Naumann mit seiner Truppe auf einem Bauernhof klingelte. Die alleinstehende, ältere Bäuerin hatte dort ihre schwerkranke Cousine gepflegt. „Als wir klingelten, sagte sie, die Zensi sei grade gestorben“, erinnert sich Naumann. Sie bat ihn und die Kinder trotzdem zu singen und den Segen zu sprechen. „Wir sind alle mit Gänsehaut weitergezogen“, erzählt er. Es sind Momente wie diese, die ihm beweisen, dass die Sternsinger eben nicht nur ein paar Zahlen und Buchstaben an die Türen schreiben. Der Segen bedeutet den Menschen etwas, davon ist er überzeugt. Das ist auch heute noch so, obwohl viele Menschen nicht mehr so gläubig oder sogar aus der Kirche ausgetreten seien, sagt er. „Die Menschen freuen sich sehr, wenn wir klingeln.“ Das war in seiner Jugend so – und es hat sich nie geändert.

Hugo Naumann freut sich am meisten, wenn die Haustüren aufgehen und er in große Kinderaugen blickt, die die Sternsinger hemmungslos bestaunen. Viele von ihnen sind ein paar Jahre später selbst Sternsinger. „Um Nachwuchs müssen wir uns zum Glück keine Sorgen machen“, sagt er. Bisher hat er noch immer genug Kinder zusammenbekommen.

„Solange ich körperlich fit genug bin, werde ich weiter den Segen bringen.“

Selbst in den Jahren, als sie sich durch Schneestürme und über glatte Straßen kämpfen mussten, waren alle hochmotiviert. In Mariaberg kennt man Deutschlands ältesten Sternsinger natürlich. Naumann hat bisher nur positive Reaktionen dafür bekommen, dass er mit 86 Jahren noch den Segen bringt. „So repräsentieren die Sternsinger alle Altergruppen“, sagt er mit einem Schmunzeln.

Früher war er Religionslehrer. Schon damals schaffte er es, seine Schüler für christliche Bräuche zu begeistern. Manchmal so sehr, dass er oft Sorge hatte, zum Bischof zitiert zu werden, weil er nicht streng genug sei. Ist natürlich nie passiert. Doch sein Talent fürs Begeistern spielt ihm nun als Sternsinger in die Karten. Heute Abend, wenn er und die Kinder von ihrer Tour zurückkommen und gemeinsam die Spenden zählen und die Süßigkeiten aufteilen werden, wird er wieder in glückliche Gesichter blicken, das weiß er. Wie könnte er nach solchen Tagen übers Aufhören nachdenken? „Solange ich körperlich fit genug bin, werde ich weiter den Segen bringen.“

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