Exklusives Interview
Female Power: DJ Nici Nice aus Kolbermoor auch auf dem Echelon am Mischpult
DJs sind männlich, cool, Könige der Nacht, die das Partyvolk mit harten Beats zum Tanzen bringen. Soweit das gängige Klischee. Aber immer häufiger stehen Frauen an den Turntables. Eine von ihnen ist Nicole Heinold aus Kolbermoor. Als Nici Nice legt sie in Clubs und auf Festivals auf.
von Raphaela Kreitmeir
Vielleicht liegt es an den Bildern, die über Instagram & Co ständig präsent sind. Vielleicht liegt es auch ein klein wenig an den eigenen Vorurteilen, aber ich muss gestehen, dass ich ein bestimmtes Bild einer Techno-DJane vor meinem inneren Auge hatte. Die Haare wahlweise Blau oder im ultrakurzen Pixie Cut geschnitten, die Haut schneewittchenweiß, die Kleidung schwarz und oversized – so in etwa dachte ich, sehen Frauen aus, die in der elektronischen Musik den Ton angeben. Und dann steht Nicole Heinold vor mir: die langen Haare naturblond, der Teint sonnengebräunt, der Style bequem-feminin.
Ihre Augen strahlen mit ihrem Lächeln um die Wette. Dazu kommt die Begeisterung, wenn sie über Musik redet – über elektronische Musik natürlich. Denn Nicole Heinold alias Nici Nice ist DJ. DJane muss man übrigens gar nicht sagen, da der Begriff DJ geschlechtsneutral ist. Das ist die Branche (noch) ganz und gar nicht. Was sich in Sachen Gleichberechtigung in der elektronischen Musikszene ändern muss und warum Frauen anders feiern als Männer, erklärt die 26-Jährige im Interview. Außerdem: Mit welcher Musik die Kolbermoorerin Menschen zum Tanzen bringt und wo man sie hier in der Region live erleben kann.
Wie wird frau eigentlich DJ?
Bei mir war es ein Moment, der meine Leidenschaft fürs Auflegen entfacht hat. Das war im letzten Jahr auf einem Fest von Freunden, die ziemlich groß gefeiert haben. Da habe ich regelrecht gespürt, wie der DJ es schafft, die Menschen auf der Tanzfläche mitzureißen und einen guten Flow zu erzeugen. Das wollte ich auch. Also habe ich ihn gefragt, ob ich bei ihm „lernen“ kann. Er hat mir wichtige Fragen beantwortet und Tipps gegeben. Aus meinen aktuell favorisierten Songs erstelle ich ein Set, ordne sie in einer Playlist, setze Cue-Punkte, um die Songs dann im Club oder bei Festivals individuell kombinieren und auflegen zu können. Und dann kam auch schon der erste Gig.
Arbeitest du hauptberuflich als DJ?
Noch nicht. Ich arbeite Teilzeit in der Travel- und Eventbranche, organisiere unter anderem Incentives. Das sorgt für finanzielle Sicherheit und lässt mir Zeit, um als DJ bekannter zu werden und mich weiterzuentwickeln.
Was setzt Musik in dir frei?
Emotionen pur. Egal in welcher Situation man ist, man kann sie immer mit Musik untermalen und dadurch intensivieren. Mit Musik wird alles schöner und besser.
Welche Stimmung willst du auf der Tanzfläche erzeugen?
Euphorie. Es geht darum, den Moment zu genießen, abschalten zu können, die Vibes zu fühlen.
Wie hört sich deine Musikauswahl an?
Ich mische Elemente aus Melodic House & Techno sowie Indie Dance, baue immer Vocals ein und unterlege sie bevorzugt mit harten Beats. Denn ganz im Gegensatz zu dem Vorurteil, dass Frauen keine härteren Sounds spielen, wir können es und ich liebe es. Ich versuche die Menschen mit auf meine Reise zu nehmen und hoffe, dass sie nach einer durchtanzten Nacht mit einem tollen Gefühl heimgehen und die Stunden für sie etwas ganz besonderes waren.
Apropos Stunden: Wie lange dauert so ein Set?
Das kommt darauf an: Live in Clubs und bei Festivals lege ich zwischen zwei und sechs Stunden auf. Nur bei Radio-Shows und Streams ist es kürzer.
Wie kamst du auf deinen Künstlernamen Nici Nice?
Ursprünglich hat mich mal ein Freund im Urlaub aus Spaß so genannt. Und als ich dann für mich als DJ einen Namen suchte, ist mir Nici Nice wieder eingefallen. Weil er sich gut ausspricht und das „Nice“ so einen herrlichen Kontrast zu den harten Beats bildet, die ich bevorzugt auflege.
Inzwischen legst du nicht „nur” auf, sondern produzierst auch. Warum hast du damit begonnen?
Da bin ich noch ganz am Anfang. Aber mich fasziniert es, meine Musik selbst zu kreieren und in die Beats echte Instrumente, wie Klavier oder Gitarre, einzubauen. Ich spiele weder Klavier noch Gitarre virtuos, aber kann damit authentische Momente erzeugen. Daraus ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Zudem reizt es mich, in einen weiteren Bereich der Musik vorzudringen, der bisher fast ausschließlich in Männerhand ist.
Warum ist die elektronische Musikszene so männerdominiert?
Weil bisher so ziemlich alle Positionen von Männern besetzt sind. Sie stehen nicht nur als DJs an den Turntables, sondern buchen als Clubbesitzer und Festivalleiter auch die Acts und damit Männer. Das war bisher so, aber ändert sich immer mehr. Heute kann es sich glücklicherweise kein Festival mehr erlauben, nur männliche DJs zu buchen. Immer mehr Frauen legen auf und müssen sich doch noch mit den immer gleichen Vorurteilen auseinandersetzen. So wird uns Frauen meist nicht zugetraut, dass wir auch härteren Sound spielen. Und ein Klassiker: Als Frau am Mischpult trauen dir viele den Job nicht zu, sondern halten dich für die Freundin des DJ.
Was muss sich ändern, damit Frauen in Clubs und auf Festivals den Ton angeben?
Da können wir was von den Männern lernen: in allen Bereichen arbeiten und netzwerken. So können wir – als DJ, Produzentin, Clubbesitzerin oder Festivalleiterin – uns gegenseitig pushen. Und dann geht es hoffentlich gar nicht mehr darum, ob die Musik von einer Frau oder einem Mann kommt, sondern um die Musik. Die steht ja eigentlich im Mittelpunkt.
Welche Rolle spielt Female Power in der Musik-Szene?
Wie in jeder anderen Branche rückt das Thema Gleichberechtigung auch hier immer stärker in den Fokus. Speziell in der elektronischen Musikszene gibt es da noch Nachholbedarf. Wenn man sich das Popbusiness ansieht, stehen da seit langem auch Frauen an der Spitze der Charts. Helene Fischer als deutsche Sängerin macht beispielsweise bei ihrer Tour im Sommer fünfmal die Olympiahalle in München voll. Davon ist der Techno-Bereich noch weit entfernt. Da sind die Main-Acts nach wie vor Männer. Aber das ändert sich langsam.
Erlebst du Sexismus als DJ?
Sexismus ist nahezu überall verbreitet, aber glücklicherweise habe ich noch keine unangenehmen Erfahrungen gemacht. Klar, du wirst als Frau häufiger blöd angeredet oder angemacht als Männer, aber du hast als DJ im Club einen Safe Space hinter dem Mischpult, der Distanz schafft.
In Berlin gehört die Clubkultur zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige der Stadt. Wie sieht es bei uns hier aus?
Ich habe Jahre in Berlin gelebt, gearbeitet und gefeiert. Die Clubszene dort ist beeindruckend und bietet dir als DJ echte Chancen. Deswegen lege ich auch immer wieder dort auf. Aber ich lebe wahnsinnig gerne hier, liebe die Menschen und die Natur, fühle mich daheim und will hier Musik machen. Bis vor kurzem habe ich im Kammerl in Rosenheim aufgelegt. Der Club hat jetzt leider geschlossen, aber ich hoffe, es wird wieder etwas in dieser Art geben.
Wo kann man dich erleben?
Vom 11. bis 13. August beim Honigtopf Festival in Feldkirchen-Westerham und am 19. August beim Echelon in Bad Aibling. Und natürlich immer und jederzeit auf Instagram und bei Soundcloud.
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