Urlauber landen in München
„Es war sehr gruselig“: Familie berichtet von ihrer Flucht vor den Flammen auf Rhodos
Während der Kampf gegen die Waldbrände auf Rhodos und anderen griechischen Inseln weitergeht, kehren immer mehr Urlauber aus dem Inferno zurück. Sie berichten von einer teils abenteuerlichen Flucht, von helfenden Menschen - und überforderten Reiseveranstaltern.
München/Rhodos – Matthias Dörfler hippelt nervös von einem Bein auf das andere. Mit seiner Frau wartet er am Terminal 1 des Münchner Flughafens auf seine Tochter Stefanie und deren Familie. Die 36-Jährige aus Riesa in Sachsen war mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Kiotari – mitten in der Feuerhölle von Rhodos. Dann kommt die Familie durch die Schiebetür, Dörfler nimmt seine Enkelkinder in die Arme. Küsschen werden verteilt, Tränen stehen in den Augen. Die Angst, endlich fällt sie ab.
Angespannt sind Stefanie und ihr Mann Mario Cienk (40) aber noch immer, die Erlebnisse der letzten Tage waren intensiv. „Es ging vor vier Tagen los. Das Hotelpersonal hat immer gesagt: Das kommt nicht zu uns und wir sollen doch zum Baden an den Strand gehen“, erzählt Mario Cienk. „Dann ist anscheinend ein zweiter Brandherd direkt in der Nähe entfacht. Plötzlich hatten wir keinen Strom mehr. Das Feuer war sehr nah, man hat die Rauchwolken am Himmel gesehen. Wir wurden evakuiert und zum Strand gebracht. Als wir da angekommen sind, hat der ganze Berg hinter uns gebrannt. Wir hatten Angst, die Kinder haben geweint.“
„Wir sind völlig hilflos die Straße entlang gelaufen“
Der Strand sei restlos überfüllt gewesen, berichtet der Anlagenfahrer aus Riesa. Auf den überfüllten Booten sei kein Platz gewesen, also ging es zu Fuß weiter. „Es war wie im Krieg. Die Menschen am Strand mussten alles zurücklassen. Keiner wusste, was nun passiert.“ „Wir sind völlig hilflos die Straße entlang gelaufen“, erzählt Gattin Stefanie weiter. „Das Militär, die Polizei und Reisebusse sind einfach an uns vorbeigefahren.“ Mario: „Der nächste Ort war zwölf Kilometer entfernt. Gott sei Dank haben Einheimische angehalten und uns mitgenommen. Dann meldet sich Sohn Theo, 10, zu Wort. „Es war sehr gruselig. Ich habe die Flammen die ganze Zeit gesehen. Ich bin froh, dass wir aus Griechenland weg sind.“ Schwester Clara, 7, steht schweigend daneben.
Mario Cienk ist dankbar für die Hilfe der Menschen vor Ort. Für den Reiseveranstalter „Alltours“ hat er hingegen kein gutes Wort übrig. „Vom Reiseveranstalter gab es keine Hilfe. Wir haben niemanden erreicht. Wir wollen jetzt unser Geld wiederhaben.“
Die Schilderungen decken sich mit vielen anderen Berichten. Es sei „die Hölle auf Erden“ gewesen, sagt die 38-jährige Lena Schwarz nach ihrer Ankunft am Flughafen Hannover. Sie seien „bei 42 Grad mit Sack und Pack zehn Kilometer zu Fuß vor den Flammen weggelaufen“. Die 50-jährige Oxana Neb berichtet: „Wir sind bis zum Ende im Hotel geblieben, von allen Seiten kam Feuer“. Sie seien mit anderen an den Strand gerannt. Dort hätten sie ihre Koffer in den Sand geschmissen – „und dann weg“.
„Haben die Situation so gut wie möglich gemeistert“
Der Flughafen auf Rhodos glich auch am Montag einem improvisierten Lager mit Urlaubern in Strandklamotten, die in Gummibooten oder auf Badetüchern lagen oder auf Stühlen versuchten, sich auszuruhen. Mehrere europäische Länder bieten am Flughafen konsularische Hilfe an, wenn Gestrandete keine Papiere mehr haben, oder kein Geld. Der Vorsitzende des Hotelierverbands von Rhodos, Manolis Markopoulos, verteidigte seine Insel gegen die Kritik schlechter Organisation : „Angesichts dieser gigantischen Evakuierungen haben wir die Situation so gut wie möglich gemeistert“, sagte er. „Alle sind gerettet und befinden sich nun an sicheren Orten. Niemand ist hungrig oder durstig“.
Auf Rhodos geht der Kampf gegen die Flammen unterdessen weiter. Feuerwehrleute und Löschflugzeuge versuchten gestern, das Übergreifen auf weitere Hotels und Ortschaften zu verhindern. Auch auf der Halbinsel Peleponnes, auf Korfu, Euböa und vielen anderen Inseln der Ägäis toben Waldbrände. Insgesamt sind 64 Regionen betroffen.
Am schlimmsten ist die Situation auf Rhodos. Seit einer Woche fressen sich die Flammen durch den südöstlichen Teil der Insel. Die Türkei, Frankreich, Kroatien, Jordanien und Ägypten haben Löschflugzeuge und Hubschrauber geschickt. Aber starke Winde fachen die Flammen immer wieder an.
Temperaturen bis zu 45 Grad
Weite Teile Griechenlands leiden seit rund zwei Wochen unter einer nie dagewesenen Hitzewelle. Die Temperaturen liegen bei bis zu 45 Grad – zehn Grad mehr als für die Jahreszeit üblich. Entspannung ist Meteorologen zufolge frühestens am Donnerstag in Sicht. Starke Nordwinde könnten die Temperatur senken – aber auch die Flammen weiter anfachen.
Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis macht den Klimawandel für die Extremlage verantwortlich. Man befinde sich „im Krieg“ gegen die Flammen, sagte er. Dass es bisher keine Opfer gebe, sei vor allem den Helfern zu verdanken.
Am Wochenende waren auf Rhodos rund 30.000 Menschen evakuiert worden, auf Korfu 2500, teils mit Schiffen. Beißender Rauch zog bis an die Strände. Berichten zufolge flüchteten viele Urlauber in nicht betroffene Teile der Insel, wo die Hotelpreise mitunter rapide gestiegen sein sollen. Einige große deutsche Veranstalter bieten derzeit keine Reisen nach Rhodos an, auch Reisen nach Korfu fallen teilweise aus. Die Airlines fliegen planmäßig weiter, auch, um die Rückführung der Touristen zu sichern.

