Schreibt uns Eure Meinung
Debatte um Mindestlohnerhöhung: Sind 15 Euro zu viel - oder noch viel zu wenig?
2025 soll die gesetzliche Lohnuntergrenze auf 12,82 Euro steigen - eigentlich. Erneut fordert Bundeskanzler Olaf Scholz einen stärkeren Aufschlag, nämlich eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Doch es gibt auch heftige Kritik an dieser Haltung.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich kürzlich für eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro in Deutschland ausgesprochen - und damit eine heftige Debatte ausgelöst.
Dem Fernsehsender Phoenix und dem Magazin Stern sagte der SPD-Politiker, der Mindestlohn sollte in einem ersten Schritt auf 14 Euro, und in einem zweiten auf 15 Euro steigen. „Natürlich müssen diejenigen, die hart arbeiten und wenig verdienen, bessere Löhne haben.“ Er finde, „dass jemand, der sich anstrengt, ordentlich behandelt werden muss - und ein ordentlicher Lohn gehört dazu“, sagte Scholz.
Mit Blick auf Kritiker sagte der Kanzler, er bitte darum, „dass manche mit ihren hohen Einkommen, die darüber sehr eigenwillige Kommentare schreiben, sich mal vorstellen, wie sie mit diesem Geld zurechtkommen müssten, wenn sie davon eine Familie unterhalten müssten“.
Zugleich übte er Kritik an der Mindestlohnkommission von Arbeitgebern und Gewerkschaften, die letztlich über Erhöhungen entscheidet: „Die Arbeitgeber haben nur auf einer Mini-Anpassung beharrt“. Aktuell ist geplant, den Mindestlohn im kommenden Jahr von derzeit 12,41 Euro auf 12,82 Euro anzuheben.
Kritik ertönt aus verschiedenen Ecken
Mit seinem Vorstoß löste der Kanzler teils heftige Kritik beim Koalitionspartner FDP, der oppositionellen Union und den Arbeitgebern aus.
Der Arbeitgeberverband BDA warf Scholz Einmischung in die Festlegung des Mindestlohns vor. Die Verbände forderten Scholz klar auf, sich aus der Arbeit der Mindestlohnkommission herauszuhalten. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warf der SPD konkret vor, den nächsten Vertrauensbruch vorzubereiten.
Zur Info
Der Mindestlohn wird normalerweise von der dafür zuständigen Kommission festgelegt, in der Sozialpartner vertreten sind. 2022 hatte die Regierung ihn einmalig per Gesetz auf 12 Euro angehoben - ein zentrales Wahlversprechen von Scholz.
Auch der Koalitionspartner FDP kritisierte den Kanzler scharf. Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, es sei zwar legitim, dass sich auch der Kanzler als Wahlkämpfer betätige, der Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode regle aber klar, dass die Lohnfindung keine Sache der Parteien ist.
„Mindestlöhne sollten kein Wahlkampfthema sein“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr vor Journalisten. „Wir sind in einer sozialen Marktwirtschaft und nicht in einer Planwirtschaft.“ Er sei sehr dafür, dass die Mindestlohnkommission bestimme, wie hoch das minimale Gehalt in Deutschland ausfalle.
Schärfer noch äußerte sich Dürrs Stellvertreter Christoph Meyer. „Bei der Autonomie der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter hat sich die Politik rauszuhalten. Solch staatlichen Übergriffen treten wir entschieden entgegen. Der Arbeitsmarkt braucht weniger, nicht noch mehr staatliche Regulierung.“
Auch CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn kritisierte Scholz scharf und warf ihm vor, Arbeitgeber und Gewerkschaften zu missachten.
Sogar SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach sich dagegen aus, den Mindestlohn politisch festzusetzen. „Die Mindestlohnkommission ist und bleibt der prädestinierte Ort, um über die Weiterentwicklung des Mindestlohns zu entscheiden“, sagte er dem Tagesspiegel.
Zustimmung von Gewerkschaften - und aus der Bevölkerung
Der Ruf nach einem höheren Mindestlohn in Deutschland werde lauter - und das sei richtig und wichtig, konstatiert der Deutsche Gewerkschaftsbund in einer entsprechenden Mitteilung. Seit seiner Einführung im Jahr 2015 habe er Millionen Beschäftigten spürbar höhere Einkommen verschafft. Und trotz Horrorszenarien, die manche Ökonomen an die Wand malten, sei der Mindestlohn auch kein Job-Killer geworden.
Auch die Gewerkschaft ver.di und die Grünen im Bundestag sprachen sich unter Verweis auf eine im Oktober 2022 verabschiedete EU-Richtlinie für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro aus. Dieser Richtlinie zufolge sollen die nationalen Mindestlöhne künftig mindestens 60 Prozent des jeweiligen mittleren Bruttolohns betragen - aktuell sind das etwas mehr als 14 Euro. „Da die durchschnittlichen Löhne weiter steigen werden, braucht es 2026 einen Mindestlohn von 15 Euro“, sagte Ver.di-Chef Frank Werneke den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Rückendeckung für eine kräftige Mindestlohnerhöhung kommt auch aus der Bevölkerung. Laut einer neuen Forsa-Umfrage im Auftrag des Stern befürwortet die Mehrheit eine Erhöhung der Lohnuntergrenze auf 15 Euro. Insgesamt 8,4 Millionen Menschen verdienen aktuell pro Stunde unter 14 Euro.
Eure Meinung ist gefragt: Soll Mindestlohn weiter steigen?
Was haltet Ihr von den Entwicklungen? Jede geleistete Arbeit sollte ausreichend entlohnt werden – das ist nur gerecht. Aber gibt es eine Grenze? Gibt es ein Zuviel an Mindestlohn? Kann er doch ein Job-Killer sein? Vielleicht habt Ihr ein Unternehmen und müsst mit dem Mindestlohn rechnen oder Ihr seid selbst Mindestlohn-Empfänger und müsst davon leben. Was sind Eure Erfahrungen, welche Chancen seht ihr oder welche Befürchtungen habt Ihr? Und sollte sich die Politik überhaupt in diese Diskussion einmischen oder sie den Arbeitgebern und Gewerkschaften überlassen?
Schickt uns Eure Meinung und Eure Erfahrungen an leserbriefe@ovb24.de (Kennwort Mindestlohn) mit Eurem Namen und Eurem Wohnort und am besten noch mit einem Foto von Euch. Die Redaktion veröffentlicht Eure Leserbriefe samt Namen und Wohnort anschließend in einem entsprechenden Artikel.
Anm. der Red.: Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften entsprechend zu kürzen oder die Veröffentlichung gegebenenfalls ohne Angabe von Gründen zu verweigern.
as