„Gesichter erzählen Geschichten“
51.000 Kilometer, 20 Länder und ein offenes Herz - Ein Fotograf auf Weltreise
Reisen bedeutet Freiheit für ihn. Und sich frei fühlen, wollte Davor von Winterfeld schon immer. Mit 20 Jahren ist er aus Bosnien-Herzegowina nach Deutschland geflohen, baute sich hier eine Existenz auf und ging immer wieder auf Reisen. Immer mit dabei: seine Kamera. Sein bevorzugtes Motiv: Menschen und ihre Geschichten.
Sein Haus wirkt wie eine Galerie, an den Wänden großformatige Fotografien, dazwischen zarte Modezeichnungen, die von seiner Mutter stammen, wie er erzählt. Während er erstklassigen Kaffee kocht, berichtet er über seine Familiengeschichte. Bereits sein Urgroßvater und sein Großvater waren Fotografen. Eine Kamera von ihnen hat er gerettet. Sie hat heute einen Ehrenplatz bei ihm in Prutting.
Du bist im ehemaligen Jugoslawien aufgewachsen und 1992 nach Deutschland gekommen. Was war der Grund?
Zu Hause war Krieg und ich wollte nicht gegen die kämpfen, mit denen ich bis vor kurzem friedlich in einem Land zusammengelebt habe, sondern die Welt entdecken. Da wir deutsche Vorfahren haben, bin ich nach Deutschland. 270 Mark hat mir meine Mutter mitgegeben, als ich in Berlin ankam, hatte ich noch 74 davon. Ein Zimmer im Hotel hat aber 80 Mark gekostet, sodass ich meine erste Nacht auf der Straße zugebracht habe. Aber glücklicherweise habe ich schnell Menschen gefunden, die mich unterstützt haben und wo ich arbeiten konnte.
Was waren deine ersten Eindrücke in Deutschland?
Meine ersten Eindrücke waren durchweg positiv, ich habe die Freiheit genossen und schnell Menschen kennengelernt und Freunde gefunden. Arbeit gab es für die, die arbeiten wollen, reichlich. Ich habe im Trockenbau und Innenausbau gearbeitet und mich dann mit einer kleinen Firma selbständig gemacht.
Wie kam es zum Umzug nach Rosenheim?
Meine Frau und ich wollten unsere Tochter in einer guten Umgebung groß werden lassen. Und da wir Natur, die Berge und Wasser lieben, haben wir uns in Bayern umgesehen und hier die optimalen Voraussetzungen für ein gutes Leben gefunden.
Bereits dein Großvater und Urgroßvater waren Fotografen, was haben sie dir mitgegeben, das dich fürs Fotografieren begeisterte?
Kreativität spielte in meiner Familie eine große Rolle. Meine Mutter war Modedesignerin, mein Großvater Ferdinand von Winterfeld Fotograf. Wir lebten in einem großen Haus, der vordere Teil war das Fotostudio. In einem Teil des Gartens, der so groß war wie ein Park, hat mein Großvater Hochzeiten und andere Events fotografiert. Ich war immer mit dabei, habe ihm zugesehen und war fasziniert von seiner Kunst und habe, seit ich sechs Jahre alt war, selbst fotografiert, da hat mir mein Opa meine erste Kamera geschenkt und mir die Grundlagen beigebracht.
Hast du das Fotografieren als Beruf gelernt?
Auch wenn ich leidenschaftlich gerne fotografierte, habe ich eine andere Berufswahl getroffen und Elektrotechniker gelernt. Nach meiner Flucht nach Deutschland hatte ich lange keine Zeit zum Fotografieren. Es geht erst einmal nicht darum, Träume auszuleben, sondern die Sprache zu lernen, zu arbeiten, eine Frau und Freunde zu finden. Dann habe ich mich als Trockenbauer selbständig gemacht und noch mehr gearbeitet, um für meine Frau und Tochter ein gutes Leben möglich zu machen. Und als ich all das erreicht habe, konnte ich mich immer mehr aufs Reisen und Fotografieren konzentrieren.
Was bedeutet Reisen für dich?
Reisen ist Freiheit. Bereits als Kind bin ich über Zäune geklettert. Ich wollte unbedingt wissen, was auf der anderen Seite ist. Dieses Verlangen ist geblieben, ich will Unbekanntes entdecken, viel sehen und meinen Horizont erweitern. Und das Schöne ist, jetzt kann ich mir die Zeit dafür nehmen. Ich muss nicht mehr das ganze Jahr über nonstop arbeiten, sondern habe den Luxus, lange Reisen unternehmen zu können. Ich fühle mich wie ein Millionär – ein Zeit-Millionär.
Du bist vor allem mit dem Motorrad unterwegs. Ist das mit den Kameras nicht unpraktisch?
Ganz und gar nicht. Auf dem Motorrad ist man flexibler und näher dran an den Menschen. Ich habe in der Regel zwei Kameras, drei bis vier Objektive und einen Laptop dabei: Das hat alles in einer Motorrad-Tasche Platz.
Davor von Winterfeld: 51.000 Kilometer, 20 Länder und ein offenes Herz - ein Fotograf auf Weltreise




„Menschen und ihre Geschichten“ bezeichnest du als dein Lieblingsmotiv.
Was ist das Faszinierende an Menschen?
Ihre Gesichter, denn man sieht das ganze Leben im Gesicht. Gesichter mit ihren Falten, ihrem Strahlen, dem Kummer, der sich eingegraben hat – all das erzählt vom Leben, das der Mensch führt.
Wie nimmst du Kontakt auf?
Ich kann ein paar Sprachen, aber das Wichtigste ist, dass ich ganz offen auf die Menschen zugehe und an ihrem Leben, ihrem Alltag interessiert bin. Ich glaube, dass man mit einem Lächeln und einem offenen Herzen überall Verbindungen schaffen kann. Dass ich fotografiere, sehen die Menschen auf den ersten Blick, da ich immer eine richtig große Kamera umgehängt habe. Bevor ich auf den Auslöser drücke, stelle ich Blickkontakt her und frage, manchmal – wenn die gemeinsame Sprache fehlt – auch mit den Augen. Und dann beobachte ich und fotografiere, was sich ergibt. Kein Bild von mir ist gestellt.
Wie findest du deine Motive?
Ich suche nicht nach dem oder jenem Motiv, denn dann würde ich nichts finden. Ich bin unterwegs, bin Teil des Lebens dort und ganz nah dran an den Menschen. Ich bin an den Orten, die das Leben ausmachen, übernachte im Zelt, bin am Markt ebenso wie auf dem Friedhof, um die Menschen zu verstehen, und dann begegnen mir die Motive. Und das sind wirklich viele. So habe ich in fünfeinhalb Monaten 51.000 Kilometer in 20 Ländern zurückgelegt: von Asien bis Wladiwostok und anschließend Südamerika bis Ushuaia. Allein aus Chile, Patagonien, Argentina, Uruguay, Bolivien und Peru habe ich 12.700 Bilder mitgebracht. Für meine Vorträge und Live-Reportagen habe ich daraus die 700 Besten ausgewählt.
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