Mitsprache und Aufklärung
Alm-Bündnis Berchtesgaden sammelt rund 400 Unterschriften und bringt Maßnahmenkatalog ins Spiel
Das Alm-Bündnis Berchtesgaden setzt sich für den Erhalt der Almen im Landkreis Berchtesgadener Land ein, da diese auch für den Tourismus in der Region sorgen. Das Bündnis hofft auf eine Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen.
Berchtesgadener Land/Berchtesgaden - Knapp 400 Unterschriften von Landwirten haben Almbauer Franz Moderegger und der Initiator des Alm-Bündnisses Berchtesgaden, Toni Altkofer, bereits gesammelt - in kürzester Zeit. Ihr Ziel: Eine Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen für die Berchtesgadener Almwirtschaft. Sie plädieren gegen Ungerechtigkeiten und fordern eine gleichberechtigte Behandlung.
Die knapp 400 Unterschriften sind schnell zusammengekommen, seitdem Toni Altkofer das Alm-Bündnis ins Leben rief. Die Tendenz der rückläufigen Almkultur beschäftigt ihn seit langem. 250 Almen sind in den vergangenen 200 Jahren verschwunden. Der ehemalige Bürgermeister Bischofswiesens ist so etwas wie der Kopf einer Bewegung geworden, die sich für eine vergleichsweise kleine Gruppe an Personen einsetzt, deren Existenz aber große Auswirkungen hat - etwa auf den Tourismus in den Alpen. Ohne Almbauern, weiß Altkofer, kann die Region langfristig nicht mehr mit ihrer Landschaft werben.
Freie Gemeinschaft „Alm-Bündnis Berchtesgaden“
„Die Almbauern haben in der Vergangenheit viele Ungerechtigkeiten erfahren“, sagt Toni Altkofer. In den vergangenen Monaten hat er etliche Briefe geschrieben an die Gemeinden des Berchtesgadener Talkessels, hat politische Stellen und Ministerien abgeklappert. Er hat Schreiben ans Ministerium gerichtet, Forst und Nationalpark einbezogen. Altkofer war im Archiv und hat zu Zwangsenteignungen, -ablösungen und „zweifelhaften Almverlusten durch das Forstrechtegesetz“ recherchiert.
Mit Almbauer Franz Moderegger vom Hochbichllehen in Bischofswiesen hat er eine freie Gemeinschaft ins Leben gerufen, das Alm-Bündnis Berchtesgaden. Ihre Forderungen haben sie in einer Resolution fixiert, die auf Grundsätzen basiert, die die Berchtesgadener Almbauern vertreten. Und weil Toni Altkofer überzeugt davon ist, dass das Sprachrohr für die Almvertreter noch viel zu leise tönt, hat er sich auf die Suche nach Mitstreitern begeben. Viele haben sie bereits gefunden. Und je mehr es werden, desto eher soll die Politik reagieren, sagt Altkofer.
Almwirtschaft soll „mehr Selbstständigkeit erhalten“
Gestärkt von hunderten Unterzeichnern sieht sich Altkofer gut positioniert, dass ein politisches Nichthandeln der falsche Weg wäre. Kürzlich hat er sich wieder mal an den PC gesetzt und einen Brief an Staatsministerin Michaela Kaniber verfasst. Seine Worte klingen wie eine Kampfansage: Gestärkt durch die Resolutionsunterstützung, werde das Alm-Bündnis seine Ziele weiterverfolgen, das heißt: „eine ordentliche Aufarbeitung der historischen Missstände, ein Ende der Almerlöschungen und die Verhinderung einer Abstufung des Berchtesgadener Almbereichs als Koloniebereich der Münchner Ministerien“. Die Berchtesgadener Almwirtschaft müsse „mehr Selbstständigkeit erhalten“, fordert Altkofer.
Seine Mitstreiter und er haben ein Maßnahmenpaket geschnürt, mit dem man gegensteuern möchte. Dazu braucht es politische Aufklärungsarbeit, ein Begreifen des Status quo der Landwirte, wissen die Beteiligten. So fordert das Alm-Bündnis etwa eine Erklärung des Freistaates Bayern, wie Berchtesgadener Almeigentum aus der Fürstprobstzeit „vom Land Bayern vereinnahmt wurde“.
Zwangsenteignung und staatliche Wiederaufforstung
Weitere Punkte sind die Reaktivierung ehemaliger erschlossener Almgebiete für neue und ehemalige Almbauern, speziell im Kehlsteingebiet in Berchtesgaden, wo einst ein umfangreicher Almbereich existierte, „der durch Zwangsenteignung und staatliche Wiederaufforstung in ein fast reines Waldgebiet umgewandelt“ wurde. Das Anliegen der Almbauern-Gemeinschaft ist eine „ordentliche Erschließung mangelhaft erschlossener Almgebiete“, wie etwa jenes am Untersberg. „Die aktuelle Erschließungssituation ist unerträglich“, unterstreicht Altkofer. „Die Almbetreiber sind bei dem derzeitigen Wegezustand in einer Gefahrensituation, die unzumutbar ist.“
Dem Bündnis nach sollen Almbauern künftig als „Vertragspartner und Berechtigte“ behandelt werden. „Behörden dürfen nicht als Obrigkeits-Instanzen auftreten“, sagt Altkofer. Wegerechte und Wasserrechte sind Teil der Resolutionsgrundsätze: „Almwirtschaft muss als schützenswertes Kulturgut gesetzlich verankert sein und gefördert werden“, sagt er.
So sehen das etliche in der Landwirtschaft Tätige, die im Namen des Bündnisses unterzeichnet haben, damit etwa die Erlöschungsklausel bei zehnjähriger Nichtausübung von Almrechten gestrichen wird und Grundbuch-Eintragungen vereinfacht werden. Geht es nach Toni Altkofer und Mitstreiter Franz Moderegger soll die Almwirtschaft in die Nationalparkverordnung des Schutzparks in Berchtesgaden aufgenommen - und bei Betroffenheit beteiligt werden.
Zuständigkeit hat sich geändert
Auf Ministerienebene hat sich die Zuständigkeiten geändert. Im Hinblick auf Themen, die die Bayerischen Staatsforsten betreffen, ist nicht mehr Staatsministerin Michaela Kaniber (CSU) zuständig, sondern Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Seit Ende Oktober sitzt zudem ein waschechter Berchtesgadener im Bayerischen Landtag: Michael Koller, Freier Wähler und stellvertretender Landrat im Landkreis.
In seinem Wahlkampf hatte er versprochen, sich den Themen aus der Region zu widmen und sich dafür starkzumachen. Toni Altkofer nimmt ihn in die Verpflichtung. „Historisch und kulturell gesehen befindet sich unsere Almkultur in einem fatalen Niedergang.“ Und wenn nicht dagegen gewirkt wird, hören die Landwirte auf, sagt er. Altkofer prognostiziert dann „eine weitere Abwärtsbewegung der Almwirtschaft“.
kp
