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Studie aus dem Alpenraum zur Wohnraumnot

Regionaler Wohnungsmarkt vor dem Kollaps – „Die lokale Bevölkerung wird verdrängt“

Prof. Dr. Christian Steiner von der Universität Eichstätt-Ingolstadt forscht zu den Themen Tourismus und Wohnen.
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Prof. Dr. Christian Steiner von der Universität Eichstätt-Ingolstadt forscht zu den Themen Tourismus und Wohnen.

Wohnraum ist kaum noch bezahlbar und natürlich fehlt es auch allgemein an Wohnungen. Eine Studie der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt gibt Aufschluss über den Tourismus.

Berchtesgaden/Oberstdorf/Garmisch-Partenkirchen – Vier Forscher der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt haben im Alpenraum ein Forschungsprojekt zu den Themen Tourismus(-akzeptanz) und Wohnen abgeschlossen. Wohnraum ist zu teuer, der Druck aus dem Tourismus steigt. Die Entwicklung: dramatisch, sagt Dr. Christian Steiner, Tourismusforscher und Professor für Humangeografie bei der Ergebnisvorstellung: Berchtesgaden, Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen wurden beleuchtet. 

Selbes Problem bei vielen Orten an den Alpen

„Ohne Eingriffe seitens der großen Politik wird es nicht mehr funktionieren“, sagt Christian Steiner. Wodurch die Krise auf den Wohnungsmärkten entsteht, das erforscht er. Die Thematik: mehr als komplex. Er leitet eine Studie zum Thema „Tourismusentwicklung und Wohnen im Bayerischen Alpenraum“ und sagt: An den Alpen haben viele Regionen dasselbe Problem. Die Verknappung von Wohnraum durch touristische Nutzung. Bei der Studie sollen Ansätze für eine nachhaltige Regionalentwicklung entstehen. Gibt es zudem regulative Maßnahmen? 

Der politische Rahmen, die hohen Zinsen, das wenige Bauland, die explodierten Baukosten sowie immer mehr Tourismus und die enorme Zahl an finanziell gut Situierten lassen kaum Möglichkeiten zu. Seine Befürchtung: Setzt sich die Entwicklung in dieser Geschwindigkeit fort, ist Garmisch-Partenkirchen in zehn Jahren „ein Freizeitpark“ - für gut Betuchte, die die Einheimischen verdrängt haben.

Wohnen so teuer wie nie

Haben Oberstdorf und Berchtesgaden ein ähnliches Problem? Fakt ist: Wohnen ist so teuer wie nie. Der Bodenrichtwert ist in allen beleuchteten Tourismusorten explodiert – in Sphären, die von Normalverdienern nicht gestemmt werden können. Der Medianwert des Lohnniveaus in Garmisch und Berchtesgaden: etwas über 3000 Euro brutto. „Die lokale Bevölkerung wird verdrängt“, sagt Dr. Gerhard Rainer, aus der Arbeitsgruppe Humangeographie. Kostete ein Haus in Garmisch 2011 im Schnitt 625.000 Euro, sind es heute 1,5 Millionen, 145 Prozent mehr.

Gefragte Lagen gehen auch in Berchtesgaden in die Millionensumme. „Absolut unfinanzierbar für Normalverdiener“, sagt Gerhard Steiner. Oberstdorf steht dem in nichts nach. Seit 2010 sind dort auf dem Immobilienmarkt 650 Millionen Euro umgesetzt worden. Die Wissenschaftler haben herausgefunden: Der Kaufpreis pro Kaufvertrag ist von 200.000 auf heute 600.000 Euro gestiegen - im Durchschnitt.   

Trend für Zweitwohnungen zum Teil rückläufig

In den vergangenen zehn Jahren ist Wohnraum vom Gebrauchsgut zum Anlageobjekt geworden. Die Resultate sieht man heute. Zweitwohnungen sind allerorten ein Problem. Die zusätzliche Zweitwohnungssteuer? Interessiert keinen, der Geld hat. In Berchtesgaden sei der Trend zu Zweitwohnungen eher rückläufig, entgegnet Bürgermeister Franz Rasp. Tatsache ist: In den Nachbarorten gibt es Ortsteile, in denen heruntergezogene Rolos Standard sind. Würden diese Wohnungen frei, wäre ein Großteil der Wohnungsnot beseitigt, sagt Iris Edenhofer, Gemeinderätin in Berchtesgaden. Allerdings: Immer mehr Vermittlungsagenturen vermieten Ferienwohnungen, die touristische Nachfrage steigt. Gleichzeitig schwindet die Zustimmung am Tourismus bei Bürgern. 

Das Gebot der Stunde: „Die Politik muss handeln“, fordert selbst der Professor. Die Gemeinden haben nur wenig Handlungsspielräume. Ein Ansatz: Neue Wohnformen sollen in Berchtesgaden realisiert werden. Das begrüßt auch Franz Zirkl von der Arbeitsgruppe der Universität. „Das Wohnen wird sich wandeln.“ Einfamilienhäuser? Werden künftig nicht mehr gebaut werden. 

Neue Wohnformen, eventuell verknüpft mit touristischer Nutzung, begrüßt auch der Vorsitzende der Tourismusregion Berchtesgaden, Dr. Bartl Wimmer. Er kennt die Probleme, die derzeit alle plagen. Verstärkt wird der sowieso schon knappe Wohnraum durch den Bedarf an Arbeitskräften, die auf Unterkünfte angewiesen sind. „Zuzugsdruck“, sagt er dazu. Wimmer sagt: „Die Dramatik, die uns in den nächsten 20 Jahren bevorstehen könnte, wird brutal sein und scheint den wenigsten bewusst zu sein.“    

Neue Wohnform

Der durchschnittliche Quadratmeterpreis - über alle Baujahrsklassen gerechnet - liegt in Berchtesgaden noch vergleichsweise niedrig: bei knapp 4000 Euro. Oft 5000, manchmal 7000. Viel zu viel: Der größte Vermieter des Landkreises setzt auf eine neue Wohnform, ein Riesenprojekt. Sozialverträgliche Mieten soll man am Ende bezahlen. Ziehen die Kinder aus, soll auch die Familie hausintern umziehen - in eine kleinere Wohnung.

Der Uniprofessor aus Eichstätt, Christian Steiner, begrüßt solche innovativen Ansätze. „Man braucht Leute, die innovative Wege gehen. Gleichzeitig muss der politische Rahmen angepasst werden, die Anforderungen an das Bauen, die zu langen Planungsphasen.“   

„Vor ein paar Jahren hätte man dafür Luxus bekommen“

Für den Neubau in Berchtesgaden muss dennoch tief in die Tasche gegriffen werden - 4500 Euro kostet der Quadratmeter in der Herstellung. „Vor ein paar Jahren hätte man dafür Luxus bekommen“, sagt der Bürgermeister. Heute reicht es gerade mal für normalen Standard. Der enorme Nachfrageüberhang kann seit langem nicht befriedigt werden. Doch was kann die Gemeinde tun? Geld für eigene Projekte gibt es nicht.  

In Garmisch kann man von solchen Quadratmeterpreisen nur träumen: Der Bodenrichtwert hat sich in den vergangenen acht Jahren verdoppelt. „Garmisch hat alle Wohnungen versilbert. Das wirkt nicht mehr dämpfend auf den Mietmarkt“, sagt Steiner. Selbst fünfstellige Summen pro Quadratmeter sind dort Alltag. „Es herrscht eine extreme Wohnraumkrise“, weiß Professor Christian Steiner. Ohne Eingriff von außen werde man dem nicht mehr Herr. Alle Verantwortlichen erwarten ein böses Ende, sollte sich von politischer Seite nichts tun.    

„Die Baubranche steht vor einem echten Problem“, weiß auch Bürgermeister Franz Rasp. Gerhard Steiner sagt: „Alles über den Markt zu regeln, das wird nichts mehr. Höchstpreise kriegt jeder hin. Bezahlbaren Wohnraum aber nicht.“ 

kp

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