Wenn die Anbindehaltung verboten wird, so wie es aktuell geplant ist, wird das negative Auswirkungen auf die heimischen Bauern haben. Kreisgeschäftsführer des BBV Michelbauer im Gespräch über die Zukunft.
Berchtesgadener Land/Traunstein - Sollte die Anbindehaltung verboten werden, wären die Konsequenzen für hunderte hiesige Landwirte enorm. „Wir werden den Verlust unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft erleben“, prognostiziert Matthäus Michlbauer, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands Traunstein. Ein Massensterben der verbliebenen Höfe wäre die Folge - und auch für den Tourismus wären die Folgen groß.
Herr Michlbauer, ein Verbot der Anbindehaltung hätte massive Auswirkungen auf die hiesigen, kleinstrukturierten Bauern. Was befürchten Sie in so einem Fall?
Matthäus Michlbauer: In dem uns bekannten Referentenentwurf ist zwar eine Übergangsfrist von bis zu fünf Jahren für die Anbindehaltung zu finden, zudem eine Übergangslösung für Kleinbetriebe. Als Bayerischer Bauernverband befürchten wir nach Ablauf dieser Frist aber das Aus für rund 10.000 Betriebe in Bayern.
Dass die reine Anbindehaltung keine Zukunft mehr hat, haben wir natürlich auch verstanden: Ich weiß aus den vergangenen 20 Jahren von keinem Stallneubau in Form eines Anbindestalles. Dieses Format wird langfristig auslaufen. Darum braucht es mehr Zeit. Auch, um noch mögliche bauliche Vorhaben umsetzen zu können.
Warum bauen die Landwirte nicht einfach einen Laufstall?
Michlbauer: Das liegt daran, dass sich Investitionen in der Landwirtschaft meist in einer Amortisationszeit von über 20 Jahren bewegen. Deshalb muss oft abgewogen werden mit Fragen wie: ‘Macht das die nächste Generation mit?’ oder ‘Kann ich mir das überhaupt leisten?’
Die durchschnittlichen Baukosten für den Neubau eines einzelnen Kuhplatzes werden vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aktuell mit rund 18.500 Euro beziffert. Es stellen sich zudem weitere Fragen, ob man den Bau überhaupt verwirklichen kann: Da kommt es etwa auf die Ortslage, auf den Geruchs- und Lärmschutz oder aber auf nahe liegende FFH-Gebiete an.
Der Bayerische Bauernverband hat vor einigen Jahren begonnen, sich dafür einzusetzen…
Michlbauer: Der BBV macht sich seit 2019/2020 zusammen mit den Molkereiverbänden dafür stark. Wir konnten mit dem Lebensmitteleinzelhandel den entscheidenden Unterschied zwischen der reinen Anbindehaltung und der Kombihaltung herausstellen. Sogar der Handel hat verstanden, dass Anbindung in Kombination mit Bewegung eine deutliche Verbesserung des Tierwohles darstellt.
Wir treten dafür ein, dass diese Kombinationshaltung auf Dauer weiter Bestand haben soll. Kombinationshaltung ist Anbindehaltung mit mindestens 120 Tagen Bewegung für das Tier im Jahr, in Form von Weidegang oder Strohbucht oder strukturiertem Auslauf am Hof. Viele unserer Betriebe in der Region praktizieren diese bereits erfolgreich.
Wie viele hiesige Landwirte wären vom Verbot der Anbindehaltung betroffen?
Michlbauer: Da es neben Milchviehbetrieben auch Rinderaufzucht- und Mastbetriebe gibt und gerade die kleineren Betriebe nicht beim Landeskuratorium der Erzeugerringe erfasst sind, lässt sich diese Zahl nicht absolut festhalten. Im Berchtesgadener Land sprechen wir von über 200 Anbindehaltern, davon rund 100 Kombihalter. In Traunstein sind es mehr als 300 Anbindehalter, davon etwa 120 Kombihalter. Alle weiteren Betriebe haben bereits einen Laufstall. In Bayern gibt es rund 13.000 Milchviehbetriebe, davon betreiben rund 3500 Kombihaltung.
Landwirte werden weniger. Nachfolger finden sich kaum. Beschleunigt das Verbot nicht nur das sowieso stattfindende Hofsterben?
Michlbauer: Ja, die Zahl der Anbindehalter lag 2001 in Bayern noch bei 37.000 Betrieben. Viele der Betriebe haben umgestellt auf Laufstallhaltung. 2019 waren es noch 19.500 Anbindehalter und aktuell sind es noch rund 13.500. Wir verlieren aus verschiedenen Gründen jedes Jahr eine Vielzahl von Betrieben. 2022 lagen 50 Prozent aller bundesweit aufgegebenen Milchviehhaltungen in Bayern.
Sollte dieses Gesetz tatsächlich so umgesetzt werden, kommt es zum Strukturbruch. Wir verlieren die eingangs erwähnten 10.000 Betriebe in einem Satz. Mit nur wenigen Ausnahmen, die noch den Umbau hinbekommen werden.
Ist die Entwicklung politikgewollt?
Michlbauer: Im Koalitionsvertrag der Ampel wurde das Aus der Anbindehaltung ohne jeglichen Blick auf die Lebensrealitäten festgeschrieben. Vermeintlich, um das Tierwohl zu verbessern. Erleben werden wir den Verlust unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft und die Verlagerung der Produktion ins Ausland.
Die Zukunft wäre also der Freilaufstall?
Michlbauer: Das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und auch die hiesigen Molkereien bringen sich sehr aktiv in die Beratung zu einem möglichen Umbau hin zu einem Freilaufstall ein. Ich möchte eine Lanze für die Landwirte brechen. Ich bin mir sicher, dass jeder Landwirt mit einem Anbindestall gern seinen Rindern einen modernen Freilaufstall anbieten möchte.
Zumindest hat sich das jeder bereits überlegt: Wenn er es denn nur umsetzen könnte. Da kann ich mich nur kritisch gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel äußern. Dieser ereifert sich mit Versprechungen zu Haltungsformen, aber ist nicht bereit, dafür etwas zu zahlen. Ganz nach dem Motto: Ein Luxusauto bestellen und für das Goggomobil bezahlen.
Ein Bauernsterben wäre für die Region der „Super-Gau“: Ohne Kühe keine Kulturflächen, ohne Kulturflächen kein Tourismus: Hat das Verbot der Anbindehaltung also indirekt auch Einfluss auf die Touristik?
Michlbauer: Selbst wenn wir uns regelmäßig erst hinterher fragen, warum es so gekommen ist: Sind es nicht die kleinen Strukturen, die unsere Kulturlandschaft zu dem gemacht haben, was sie ist? Die Entwicklung würde auch die regionale Wertschöpfung mit Produkten und Arbeitsplätzen betreffen. Tourismus lebt vom Landschaftsbild und einem vitalen ländlichen Raum.
Was erhoffen Sie sich von der Politik?
Michlbauer: Der Bayerische Bauernverband ist seit Juni dieses Jahres in Gesprächen mit führenden Vertretern der Ampelkoalition, um hier ein Umdenken zu erreichen. Da sich nichts getan hat, haben wir die Aktion ‘Berta’ ins Leben gerufen. Der BBV steht für Gespräche zur Verfügung - mit der Hoffnung auf das Eintreffen einer Vernunft.
kp