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Grande Dame der Alpen bekommt Frischzellenkur

Millioneninvestition an der ältesten Großkabinenseilbahn der Welt in Bad Reichenhaller Alpen

Die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall wurde saniert
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Die Repro zeigt Bauarbeiter während der Fertigstellung der Predigtstuhlbahn Ende der 1920er-Jahre. Bis zu 800 Personen waren daran beteiligt./Die Talstation der Predigtstuhlbahn im Dezember.

Nach knapp 100 Jahren wurden an der, unter Denkmalschutz stehenden Predigtstuhlbahn in den Reichenhaller Alpen, das erste Mal Laufwerke und auch die Kabinen getauscht. Dafür mussten Millionen gezahlt werden.

Bad Reichenhall - Sie steht unter Denkmalschutz und ist die älteste im Original erhaltene, ganzjährig verkehrende Großkabinenseilbahn der Welt: die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall, 1928 gebaut. Nach knapp 100 Jahren müssen nun die Laufwerke und die Kabinen das erste Mal ausgetauscht werden. Eins zu eins werden sie in Italien und Österreich nachgebaut - für eine Millionensumme. Rentabel ist Reichenhalls privat betriebenes Wahrzeichen lange nicht mehr. „Da müssten wir die Fahrpreise verdoppeln“, sagt Geschäftsführer Klaus Unterharnscheidt. 

Eigentümer wird bald 90 Jahre alt

Dass die Predigtstuhlbahn, die „Grande Dame der Alpen“, wie sie von manchem liebevoll genannt wird, überhaupt noch fährt, muss an dessen Gönner und Eigentümer Max Aicher liegen. Die Bahn und der Betrieb sind Teil seiner Stiftung. Der rührige Bau- und Stahl-Unternehmer, der im kommenden Jahr 90 Jahre alt wird, finanziert die Bahn aus den Einnahmen anderer Geschäftszweige. In den vergangenen vier Jahren sind die Fahrpreise deutlich gestiegen. „Personal, Technik, Energie: Alles ist teurer geworden“, weiß Klaus Unterharnscheidt.

„Wenn man kostendeckend arbeiten will, müssten wir den Preis verdoppeln. Das ist aber kaum möglich.“ In einer Bahn zu fahren, die es nirgends sonst auf der Welt gibt, habe seinen Preis. Die Ticketpreise haben in der Vergangenheit zu einigen Diskussionen geführt. Die Besucherzahlen sind, wie in vielen touristischen Bereichen, zurückgegangen. Klaus Unterharnscheidt sagt: „Gäste und Besucher geben generell weniger aus.“  

Vor knapp 100 Jahren - technische Meisterleistung

Seitdem Max Aicher die Bahn 2012 gekauft hat, sind mit Investitionen und Verlustausgleichen 20 Millionen Euro in die Großkabinenseilbahn geflossen, die Besuchern einen spektakulären Ausblick über die Salzstadt Bad Reichenhall bietet und gleichzeitig Aushängeschild der Region ist. Der Bahnbau vor 95 Jahren war eine technische Meisterleistung: „Wir sind keine Umlaufseilbahn, sondern arbeiten im Pendelbetrieb“, sagt Klaus Unterharnscheidt. Bis zu 800 Arbeiter waren beim lediglich 14 Monate dauernden Bau beteiligt. Seitdem ist die Bahn im Dauerbetrieb. 

Die Technik in der Talstation ist noch so gut wie original erhalten.

Rund 60.000 Besucher überwinden pro Jahr die 1100 Höhenmeter mit den beiden für je 21 Personen zugelassenen Kabinen. Diese sind noch im Original vorhanden. Seit 17 Jahren steht die Predigtstuhlbahn unter Denkmalschutz: das Gebäudeensemble, die Technik. Vieles ist noch im Ursprung anzutreffen, selbst das Tragseil. Als Museumsseilbahn wird sie schon mal bezeichnet, weil es eben nichts Vergleichbares gibt. Und tatsächlich plant der Geschäftsführer eine Art Mini-Museum auf dem Berg. „Der Gast soll das Technikdenkmal spürbar erfahren.“ Ein Gesamterlebnis möchte man schaffen, neben den vielen Hochzeiten, die dort oben sowieso schon stattfinden: Damit Besucher auch Einblicke in die Zeit von anno dazumal erhalten. Material fürs Mini-Museum gibt es zuhauf: Das Archiv ist voll mit Plänen, Bildern und Gegenständen, die die vergangenen 100 Jahre abbilden. 

Ohne Querfinanzierungen unmöglich

„Für unser Marketing ist der Denkmalschutz eine tolle Sache“, sagt Klaus Unterharnscheidt. Doch Denkmalschutz verpflichtet. Unterharnscheidt weiß das am besten. Denkmalpflege bindet finanzielle Mittel. Das Denkmalamt ist bei jeder Kleinigkeit involviert. Die Auflagen sind gewaltig, um das Stück gebaute Geschichte, das am Fuße des Predigtstuhls steht, am Leben zu erhalten. Bei Investitionen haben die Verantwortlichen zwar Anspruch auf einen „Zuschuss zum denkmalbedingten Mehraufwand“. Doch das deckt die Mehrkosten nicht.

Die Talstation der Predigtstuhlbahn im Dezember.

„Würden wir nicht querfinanziert, hätten wir schon längst schließen müssen“, sagt der gelernte Kaufmann, der weltweit für große Chemie- und Stahlkonzerne gearbeitet hat, ehe er vor drei Jahren zur Predigtstuhlbahn stieß, die er gemeinsam mit seinem Kollegen Wolfgang Rieder führt. Auf ewig so weitergehen wird das nicht. Zwar wirbt die Stadt mit der Bahn, weil sie in mehrfacher Hinsicht der Höhepunkt des Stadttourismus ist. Finanziell beteiligt sich allerdings niemand. „Wir werden Gespräche führen müssen“, sagt Klaus Unterharnscheidt in bestem Diplomatendeutsch. 

Sehr limitierte Kapazitäten

Während moderne Bahnen große Besucherkapazitäten transportieren können, ist die Predigtstuhlbahn sehr limitiert in ihren Möglichkeiten als Pendelbahn. „Sechs Fahrten pro Stunde sind möglich. Das macht maximal 120 Personen“, sagt der Geschäftsführer. Auch, wenn der Vergleich hinkt: Am benachbarten Jenner in Schönau am Königssee können - in der Theorie - 1600 Personen auf den Berg befördert werden: pro Stunde. 

Bereits im Jahr 2016 war definiert worden, welche Aufgaben an der Predigtstuhlbahn in Zukunft anstehen. Die drei großen, bis zu 32 Meter hohen Stützen wurden für eine Millionensumme saniert. Die ursprüngliche Struktur der Holzverschalung musste wieder freigelegt und eingearbeitet werden. Das Denkmalamt bestand darauf.

Rund eine Million Euro für zwei Laufwerke

„Bei den Laufwerken, die auf dem Tragseil liegen und die Kabine darunter halten, war eine Sanierung nicht mehr möglich“, sagt Klaus Unterharnscheidt. Der TÜV hatte das bestätigt. Für das Denkmalamt ging ein Nachbau in Ordnung. Die Laufwerke mussten allerdings von Grund auf geplant und individuell auf die Bedürfnisse der Predigtstuhlbahn hin abgestimmt werden. „Ein riesiger Aufwand mit vielen Genehmigungen“, weiß Klaus Unterharnscheidt. Rund eine Million Euro kosten die zwei Laufwerke, die nun eins zu eins beim italienischen Seilbahnhersteller Leitner nachgebaut wurden. „Die alten Laufwerke werden wir ausstellen. So etwas gibt es sonst nicht mehr zu sehen“, sagt er. 

Eines der nagelneuen Laufwerke, das angelehnt an das Original ist.

Im Frühsommer war bereits der die Bahn antreibende Gleichstrommotor, ebenfalls im Original vorhanden, von Grund auf überarbeitet worden. Fünf Monate dauerte die Überholung. „Wir mussten einen Ersatzmotor bauen lassen, weil am Ende das Original ja wieder rein muss“, sagt Klaus Unterharnscheidt. „Jetzt haben wir zum ersten Mal einen Ersatzmotor übrig.“  

Kabinensanierung sehr zeitaufwändig

Die knapp 100 Jahre alten Aufhängungen wurden geröntgt: ohne Befund. Die zwei im schlichten Rot gehaltenen Kabinen sind bei der österreichischen Firma Carvatech in Oberweis bei Gmunden in Auftrag gegeben worden. Das Unter­nehmen hat sich im Fahr­betriebs­mittelbau spezialisiert. Um die alten Kabinen in die monatelange Sanierung zu geben, musste eine Ersatzkabine geplant und gebaut werden. Sechs Monate dauert das. Rund um Ostern kommt das Original zurück. Dann wird die zweite Kabine überarbeitet. Siebenstellig sind auch hier die Investitionen. 

Jedoch: Die Arbeit geht nicht aus. In Zukunft kommt die Antriebstechnik der Bergewagen auf den Prüfstand. Auch über den Batterieraum am Berg, der bei einem Stromausfall Energie liefern soll, werden die Verantwortlichen mal genauer drüber schauen müssen, sagt Unterharnscheidt. 

Ein Stück fürs Museum: dieser Ticketautomat ist schon lange nicht mehr in Betrieb.

Die Predigtstuhlbahn sei nicht Retro, sondern eben ein Original. „Ein bisschen so wie Dampflok-Fahren.“ Austauschbar sei man daher nicht. Und in der Stadt wisse man, was man an der Bahn habe. „Mir geht es darum, die Bahn langfristig zu erhalten.“ Mitstreiter wird es brauchen. Dass das ein Kraftakt wird, daran hat der Geschäftsführer keinen Zweifel. 

kp

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