Autoland Deutschland?
VDA-Präsidentin: Investitionen der Autozulieferer „gehen ins europäische Ausland oder in die USA“
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie warnt, dass Deutschland den Stand als Autoland verlieren könnte. Grund dafür ist auch, dass die Zulieferer Investitionen zunehmend im Ausland tätigen.
Stuttgart - In Deutschland wurde bekanntermaßen das Auto erfunden und mit Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen haben einige der wichtigsten und größten Autohersteller der Welt ihren Sitz in der Bundesrepublik. Zudem kann sich auch die Zuliefererindustrie mit Großkonzernen wie Bosch, der ZF Friedrichshafen, Continental und vielen mittelständischen Unternehmen im internationalen Vergleich sehen lassen. Durch den Fokus auf Software und E-Autos droht die deutsche Autoindustrie jedoch zunehmend den Anschluss an China zu verlieren. Die großen Autozulieferer wenden sich deshalb bereits chinesischen Autoherstellern zu.
Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), glaubt jedoch nicht, dass die deutschen Hersteller den Wettlauf um die Mobilität der Zukunft verlieren werden, „der deutsche Standort ohne massive Reformen schon“, wie sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in einem gemeinsamen Interview mit Microsofts Deutschlandchefin Marianne Janik sagte. Grund dafür sei auch, dass die Zulieferer Zukunftsinvestitionen nicht mehr in der Bundesrepublik, sondern zunehmend im Ausland tätigen. Die Verlagerung von Produktionsschritten und Arbeitsplätzen ins Ausland wurde auch von der IG Metall deutlich kritisiert.
Autozulieferer leiden unter hohen Energiepreisen und siedeln Technologien zunehmend im Ausland an
Aufgrund der stark gestiegenen Preise von Energie, Rohstoffen und Personal – die im Umkehrschluss auch die Produktion als Ganzes kostspieliger machen – siedeln Unternehmen der deutschen Wirtschaft Zukunftstechnologien zunehmend im Ausland an. Die ZF hat beispielsweise mit der Produktion wichtiger Komponenten für E-Autos in Serbien begonnen und Autozulieferer Eberspächer baut eine neue Fabrik für E-Auto-Heizungen in Bulgarien. Laut Hildegard Müller sei dabei vor allem der aktuelle Energiepreis ausschlaggebend, der in Deutschland so hoch sei, wie nirgendwo sonst. Dadurch würden wichtige Produktionen wie die von Halbleiterkomponenten verlagert oder sich von vornherein nicht in Deutschland ansiedeln.
| Name | Verband der Automobilindustrie (VDA) |
| Gründung | 19. Januar 1901 |
| Gründungsort | Eisenach, Thüringen |
| Sitz | Berlin |
| Präsidentin | Hildegard Müller |
| Zweck | Interessenverband der deutschen Automobilhersteller und -zulieferer |
| Mitgliedsunternehmen | über 650 |
Befürchtet werde deshalb, „dass der Standort in Deutschland seine internationale Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der Kostenstruktur dramatisch verliert“, erklärte die VDA-Präsidentin gegenüber der dpa. Die Autobranche halte deshalb einen befristeten Industriestrompreis für notwendig, um zu verhindern, dass wichtige Industrien abwandern. Gerade von mittelständischen Zulieferern heiße es: „Das Thema Energiepreise wird gerade toxisch für uns.“ Investitionen würden deshalb nicht mehr in Deutschland getätigt, „sondern sie gehen ins europäische Ausland oder in die USA“. Weil die hohen Kosten die Autozulieferer in Bedrängnis bringen, sind die E-Autos aktuell auch deutlich teurer, als noch vor drei Jahren.
Microsoft Deutschland-Chefin glaubt, dass Rennen um Zukunftstechnologien erst begonnen hat
Die Präsidentin des VDA bezeichnet die hohen Kosten und die dadurch verstärkte Verlagerung von Produktionsschritten ins Ausland im Doppelinterview mit der dpa zwar als Hauptgrund, die fortschreitende Digitalisierung in der Autoindustrie spielt aber auch eine große Rolle. Wie weit die chinesischen Hersteller den westlichen in Sachen Software bereits voraus sind, zeigte sich erstmals auf der Tokio Autoshow und wird sich voraussichtlich auch auf der IAA in München erneut zeigen. Die Industrie müsse deshalb jetzt handeln und unter anderem auch in die Digitalisierung investieren, so Müller. „Wir können und werden nicht warten als Branche, weil wir sonst die Klimaziele nicht erreichen.“
Microsoft-Deutschlandchefin Marianne Janik, die zuvor unter anderem bei Daimler-Benz (heute Mercedes-Benz) tätig war, erklärte in dem Doppelinterview, dass das Rennen um die Zukunftstechnologien noch lange nicht entschieden sei. „Ich glaube, es geht erst richtig los.“ Dass die deutsche Autoindustrie in Sachen Software hinterherhinkt, ist auch nicht unbedingt richtig. Mercedes-Benz hat beispielsweise als erster Autohersteller die Freigabe für das autonome Fahren der Stufe 3 erhalten und damit Konkurrenten wie Tesla oder Ford deutlich überholt. Zudem setzen die Stuttgarter sowohl in der Produktion als auch beim Sprachassistent im Fahrzeug bereits auf den Chatbot ChatGPT.
