Erster E-Sportwagen
Maserati GT Folgore: Elektrischer Italo-Kracher im ersten Fahrtest
Der erste elektrische Sportwagen von Maserati lässt sogar den stärksten E-Porsche Taycan Turbo S stehen. Schnell wie der Blitz, aber ganz ohne Donner - so fährt sich der Maserati Gran Turismo (GT) Folgore.
Zackig, spitz und eine Urgewalt. So sieht das Logo von Maserati aus. Der Dreizack des Meeresgottes Neptun. Das Vorbild steht unweit der Piazza Maggiore in Bologna. Der Riese mit dem Dreizack inspirierte einen der Maserati-Brüder, der eher musisch veranlagt war, zu dem weltweit bekannten Logo. Zackig, spitz und eine Urgewalt. Genauso fährt sich der ganz neue Gran Turismo GT der Italiener.
Ein Auto schnell wie der Blitz, allerdings ohne den dazugehörigen Donnerhall. Denn der GT, den wir auf den Hügeln hinter Modena testen, ist der erste elektrische Sportwagen von Maserati und schlägt sogar den eigenen Supersportwagen MC20 Cielo. Er heißt Folgore, das bedeutet Blitz auf Italienisch.
Masarati GT Folglore: Blitz ohne Donner
Den Donner haben sich die Entwickler gespart – im Gegensatz zu manch anderen Herstellern von Elektroautos. Zwar wurde viel getestet, mit künstlichen Sounds, am Ende hat sich jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass weniger mehr ist. Was man hört, das sind die Original-Geräusche der E-Motoren, die über einen Lautsprecher an der Hinterachse übertragen werden.
Eine ehrliche Lösung passt zum Auftritt eines Gran Turismo. Einer sportlichen Limousine, mit Raum für Vier und Platz für Urlaubsgepäck. Und mit einer langen Erfolgsgeschichte bei Maserati. Vom letzten GT, der 2019 wegen technischer Veralterung eingestellt wurde, wurden immerhin 40.000 Exemplare produziert.
Von dem neuen Modell erhoffen sich die Italiener ebenfalls einen guten Absatz. Die Verkaufszahlen des neuesten Maserati-Modells Grecale dürften jedoch außerhalb der Reichweite liegen. Das SUV ist die treibende Kraft bei der Geschäftsentwicklung. Im ersten Halbjahr hat Maserati, wie CEO Davide Grasso im Interview sagte, 15.300 Autos ausgeliefert und damit 50 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor. Dank Grecale. Das macht 121 Millionen Euro bereinigten Betriebsgewinn, die Marge stieg damit auf 9,2 Prozent. Damit ist Maserati immer noch ein kleiner Fisch. Ferrari hat 27 Prozent, Lamborghini sogar knapp 36 Prozent.
Mamma, mia! Ungewöhnlich, wo Maserati die Akkus versteckt
Doch zurück zum neuen GT steht. Wer vor dem Auto steht, der reibt sich verwundert die Augen. Sieht eigentlich fast genauso aus wie der alte. Man entdeckt eher kosmetische Korrekturen. Aber: „Das Auto ist komplett neu entwickelt, alles, einfach alles!“ Da funkeln die Augen von Chef-Entwickler Sandro Bernardini, der bei AMG den ersten GT mitentwickelt hat. So eine reizvolle Aufgabe bekommt man ja auch selten. „Wir saßen wirklich vor einem weißen Stück Papier, keine Kompromisse.“ Zudem musste der GT so konstruiert werden, dass er sowohl als Verbrenner als auch als Elektroauto funktioniert. Ohne große Umbauten. Und es sollte, wie es sich für eine Sportwagenmarke gehört, das flachste E-Fahrzeug auf dem Markt werden.
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Hört sich nach Quadratur des Kreises an. Mit einem Schachzug hat das Team um Bernardini das Problem gelöst. Die Batterie liegt nicht wie ein doppelter Boden unter der Karosserie. Sie hat eine-T-Form und passt sogar in den Kardantunnel, und verzweigt sich erst hinter den Rücksitzen. Die Passagiere sitzen auch weiterhin tief (sogar noch 24 mm weiter unten als im Vorgängermodell) – und zweitens macht es auch bei der Produktion fast keinen Unterschied, ob ein Verbrennerstrang (V6 bis 550 PS) eingebaut wird oder ein E-Antrieb.
Theoretisch hat der GT Folgore sogar 1.224 PS an Bord
Und es gibt sogar noch ein drittes Argument für diese unkonventionelle Art des Batterieeinbaus: die 400 Kilogramm Akku verteilen sich rund um die Fahrzeugachse. „Du hast nicht diesen Schwebeeffekt, wenn die Batterien komplett unten verbaut sind“, sagt Bernardini, der lange Zeit auch bei Mercedes-Benz gearbeitet hat. Der Mann hat recht. Selten so viel Spaß gehabt wie auf der Ausfahrt mit dem GT Folgore. Raus aus der Po-Ebene hinein in die Hügel der Abruzzen. Hier testen sie alle: Maserati, Lamborghini, Ferrari. Ist ja nur ein Katzensprung für das Trikolore-Trio, das in Maranello, Modena und St. Agata sitzt.
Der Folgore fährt sich wirklich wie der Blitz. Dreimal 300 kW und damit genau 1.224 PS könnten die drei Motoren leisten. Theoretisch – der limitierende Faktor sind die Akkus, die nicht mehr als 560 kW (761 PS) zur Verfügung stellen könnten. Noch. Irgendwann in der nahen Zukunft wird es leistungsfähigere Batterien geben. Und dann wird aus dem Supersportwagen ganz schnell ein Hypercar. Die Maschinen für Monsterleistungen jenseits der 1000-PS-Grenze sind ja schon an Bord.
Maserati mit Monsterdrehmoment von 1.350 Nm
Monster mäßig ist bereits jetzt das Drehmoment. In der Spitze leistet es 1.350 Nm. Dio mio! Das ist eine Urgewalt! Als ob der gute alte Neptun persönlich mit seinem Dreizack auf den Boden poltern würde. In 2,7 Sekunden von 0 auf 100 – das ist ein Zehntel weniger als der Porsche Taycan Turbo S. Beim Sprint von 0 auf 200 geht aber erst die Post ab: 8,8 Sekunden – und damit fast eine Sekunde schneller als der E-Porsche (9,6 s). Im Gegensatz zur Zuffenhausener Konkurrenz arbeitet Maserati mit drei E-Motoren.
Einer auf der Vorderachse, zwei hinten. Die Kraft setzt an allen vier Rädern an und wird je nach Bedarf zwischen den Achsen hin- und her verschoben, um optimale Traktion zu haben. Aber auch die Hinterräder können getrennt angesteuert werden. Die unterschiedliche Drehmomentverteilung sorgt für zusätzliche Dynamik. Das merkt man auch in den zahlreichen Haarnadelkurven. Mit einer Präzision und Perfektion, die wir selten erlebt haben, schrauben wir uns die Hänge der Abruzzen hoch. Das Heck schwingt Kehre für Kehre lässig um den Scheitelpunkt. Mensch und Macchina sind eins. Und das alles fühlt sich so leicht an. Ein Wunder, bei 2,25 Tonnen, die der GT Folgore auf die Waage bringt.
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Abgesehen von den schweren Akkus ist der Gran Turismo auch ein ziemliches Trumm von Auto. Mit fast fünf Metern Länge und einem Radstand von 2,93 m bietet Maserati Limousinen-Niveau. Auf Augenhöhe etwa mit einem Fünfer-BMW (2,97 m). Aber kann man damit wirklich zu viert unterwegs sein? Wir machten die Probe aufs Exempel und setzen den 1,86 Meter großen Exterieur-Designer Byungyoon Min, der mit dem obersten Maserati-Gestalter Klaus Busse zusammenarbeitet, einfach auf die Hinterbank. Und siehe da, es funktioniert – auch weil die Heckscheibe wie eine Glaskuppel gewölbt ist. Der Mann passt rein, er sitzt aber ein wenig wie im Glashaus. Wie im berühmten Papamobil des Vatikans. Lange Strecken möchten wir ihm trotzdem nicht zumuten, weil es zwischen Knie und Rücksitz dann doch eng wird. Platz gibt es auch im Kofferraum: Aber mit 270 Litern nicht unbedingt viel.
Unser Fazit zum Maserati GT Folgore
Mit dem GT zeigt Maserati, dass man auch im Elektro-Zeitalter einen emotionalen Sportwagen bauen kann. Ganz ohne Brabbeln, Blubbern und Spratzeln. Die Emotion kommt vom Design – und vom Handling, das nahe an der Perfektion ist. Ein sportlicher Gran Turismo, der so schnell heran rauscht wie ein Sommer-Gewitter. Mit vielen Blitzen, aber ganz ohne Donner. (Rudolf Bögel)
- Maserati Gran Turismo (GT) Folgore
- E-Motoren/Antrieb: 3 x 300 kW/Allrad
- Leistung an den Rädern: 560 kW (761 PS)
- Drehmoment: 1.350 Nm
- Batterie: 92,5 kWh (83 kWh netto)
- Ladeleistung: 270 kW (800 Volt), 50 kW (400 Volt)
- Ladezeiten: 18 min. (20 – 80 % / 270 kW)
- Reichweite: 450 km
- Verbrauch kombiniert: 19,5 kWh /100 km
- Beschleunigung: (0 – 100 km/h): 2,7 s / 0 – 200 km/h: 8,8 s
- Höchstgeschwindigkeit: 325 km/h
- Abmessungen (L/B/H): 4,96/1,96/1,35 m
- Gewicht / Gewichtsverteilung: 2.260 kg / 50:50
- Kofferraum: 270 l
- Grundpreis: ab 230.000 Euro
Rubriklistenbild: © LORENZO MARCINNO / Maserati


