Längen-Rekord
Der neue VW Passat Variant: Oberklasse schon in der Mittelklasse
Ein letztes Feuerwerk mit klassischen Verbrennern fackelt Volkswagen im kommenden Jahr ab. Den Anfang macht der neue Passat Variant. So lang und groß wie nie.
Es gab Zeiten, da war Volkswagen tatsächlich mal ein ziemlich windiger Autohersteller. Bora, Jetta, Santana, Scirocco und Passat – nach diesen Winden hießen immerhin fünf Modelle des Wolfsburger Autoherstellers. Überlebt hat nur einer. Der Longplayer (50 Jahre) und Bestseller (30 Millionen) – der VW Passat. Als Familienkutsche und Vertriebler-Auto in einem schob sich der vor allem als Kombi beliebte Mittelklassewagen in die Top 3 der Wolfsburger Verkaufscharts. Zwischen Tabellenführer Golf und dem Dritten im Bunde, dem Käfer. Durch neun Generationen weht der Passat nun – bald herrscht Windstille. Ende Verbrenner. Ende Gelände.
VW Passat Variant: So lang war noch keiner
Der letzte seiner Art, der im ersten Quartal 2024 auf den Markt kommen soll, hat es jedoch in sich. Der Passat wurde nämlich noch mal von Grund auf neu entwickelt. Und das sieht man ihm an. Jetzt weniger am eher immer noch konservativen Design, sondern an seiner Dimension, die einem ins Auge springt. 14,5 Zentimeter mehr und damit jetzt 4,92 Meter lang! So groß war noch kein Passat, der Meister der Mittelklasse. Mit zwei Zentimetern plus geht er jedoch kaum in die Breite, die Höhe bleibt in etwa gleich. Deutlich legt der Radstand zu: fünf Zentimeter mehr, das bedeutet moderat mehr Raumkomfort für die Passagiere im Fond. Aber: Der Längenzuwachs wirkt sich ganz beträchtlich auf die Kofferraum-Kapazität aus: 690 und damit 40 Liter mehr passen hinten rein. Und wenn die Sitzbank umgeklappt ist, schluckt der Laderaum 1920 Liter und damit 140 Liter mehr als sein Vorgänger.
Da schau her: Von der Seite betrachtet wirkt der Passat wie ein klassischer Shooting Brake. Vorne und hinten glänzt er mit einem neuen Licht-Konzept: Front- und Heckleuchten sind mit einem LED-Band verknüpft und leuchten in der Nacht. Ein strahlendes VW-Zeichen im Kühlergrill kommt demnächst auch dazu. Aber zunächst nur im Golf. Beim Passat ist zu wenig Platz für zusätzliche LEDs im Logo, weil da der Frontsensor eingebaut ist. Die markanten senkrechten Lufteinlässe unter den Scheinwerfern, sogenannte Air Curtains, wirken gierig. Sie wollen tief Luft holen, um Verwirbelungen im Frontbereich zu verhindern. Die Luft strömt über die Räder, kühlt die Bremsen und fließt am Unterboden entlang nach hinten. Das verringert den Luftwiderstand, spart Energie und bringt Reichweite auch bei den Plug-in-Hybriden.
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Rein elektrisch kommt die Plug-in-Hybrid-Version des Passat 100 km weit
Beim Motorenprogramm ist der „Wind of Change“ durch das Angebot gefegt. Grundlage bei den neuen Mild- und Plug-in-Benzinern ist ein 1,5 Liter großer Vierzylinder, der in der Einstiegsversion als Mild-Hybrid mit 150 PS und einem 48 Volt-Startergenerator werkelt. In stärkerer Gesellschaft befindet sich diese Basis-Maschine beim Plug-in-Hybrid, weil sie hier kombiniert wird mit einem 85 kW (115 PS) starken E-Aggregat. Je nach Geldbeutel kann man sich leistungsmäßig zwischen 204 und 265 PS Nm entscheiden. An Bord ist auch eine größere Batterie mit jetzt 19,7 kWh (netto). Damit ist der Passat bis zu 100 Kilometer rein elektrisch unterwegs. Auch beim Laden hat der Passat zugelegt. 11 kW sind es jetzt an AC-Säulen, an DC-Ladepunkten rauschen bis zu 50 kW in den Akku. An der heimischen Wallbox dauert es zwei Stunden, am Schnellader geht es von 10 auf 80 Prozent in 25 Minuten. Einen reinen E-Antrieb wird es beim Passat nicht geben, da muss man schon auf den Volkswagen ID.7 warten.
Selbstverständlich gehen auch Dieselmotoren an den Start – und da kann man nur sagen: Aha, daher weht der Wind. Beim Absatz erwartet man bei VW immer noch einen 50-prozentigen Selbstzünder-Anteil, weitere 30 Prozent entfallen auf die Hybride. Der Rest kauft Benziner. Die Diesel-Maschinen gibt es in drei Leistungsstufen: mit 122, 150 und 193 PS. Egal ob Hybrid, Diesel oder Benziner – alle Modelle kommen mit 6- oder 7-Gang-Automatik auf den Markt. Geschaltet wird sie – auch das ist ein Novum – mit einem Lenkstockhebel rechts am Steuerrad und nicht mehr auf der Mittelkonsole. Das dürfte für die meisten Kunden gewöhnungsbedürftig sein.
Neuer VW Passat: Gegen Aufpreis gibt es Sitze mit Massagefunktion
Ein frischer Wind weht auch in Sachen Komfort. Das Fahrwerk an bekommt den vom VW Golf, der im nächsten Jahr ebenfalls neu aufgelegt wird, schon bekannten Fahrdynamikmanager, der die adaptiven Dämpfer und die Differenzialsperre optimal steuert und über Bremseingriffe an den Rädern für ein präziseres Handling sorgen soll. Für die meisten Passat-Kunden fängt der Komfort jedoch beim Gestühl an. Hier langt VW auf Wunsch ins Luxusregal: Gegen Aufpreis gibt es Sitze mit Massagefunktion (3- oder 10-Kammern-System) und Sitzklimatisierung, die sich anhand von Temperatur- und Feuchtigkeitsmessungen, automatisch einstellt.
Assistenzsystem IDA: Das sprechende Helferlein
Zu den Assistenten gesellen sich ein paar neue Mitglieder. Zum Beispiel IDA, das sprechende Helferlein, taucht zum ersten Mal auf dem deutschen Markt auf. Praktisch und bei den ID-Modellen schon erprobt ist der Park-Assistent. In der Pro-Version parkt er auch ohne Fahrer und per App in enge Lücken ein. Hat man die Memory-Funktion an Bord, dann kann sich das System bis zu fünf komplizierte Manöver merken, die es dann auf Knopfdruck selbständig ausführt. Der Fahrer muss nur die letzten 50 Meter des Vorgangs aufzeichnen und speichern. Zum Beispiel, wenn man in eine enge Hofeinfahrt muss und neben der Hausmauer nur ein kleiner Stellplatz mit hohem Rangieraufwand ist. Beim nächsten Mal macht der Passat das alles von selbst.
Zurück in die Zukunft: Das Infotainmentsystem wird besser
Von Winde verweht ist Gott sei Dank das alte Infotainment-System. Jetzt aber bloß nicht zu früh jubeln. Die ungeliebten Slider für Temperatur und Lautsprecher sind noch da. Dafür ist der Infotainment-Touch-Screen jetzt leichter zu bedienen. Oben und unten eine zusätzliche immer sichtbare Leiste auf dem bis 15 Zoll (Serie 13 Zoll) großen Monitor – schon sind die meisten Probleme gelöst. Unten findet man alle wichtigen Einstellungen für die Klimaanlage, mittig platziert ist der Home Button. Die obere Leiste kann der Fahrer teilweise selbst belegen mit Funktionen, die er immer wieder braucht. Über den Button „Car Control Center“ kommt man darüber hinaus sofort zu den wichtigsten Fahrzeugfunktionen ohne Scrollen und Suchen. Der erste Eindruck: Volkswagen hat seinen Kunden zugehört und reagiert. Warum nicht gleich so? Man hätte sich viel Ärger gespart.
- Das Motorenprogramm im VW Passat Variant:
- Plug-In-Hybrid 150 kW (204 PS) / Front
- 200 kW (272 PS) / Front
- 1,5 TSI (Mild) 110 kW (150 PS) / Front
- 2,0 TSI 150 kW (204 PS) / Front
- 2,0 TSI 195 kW (265 PS) / Allrad
- 2,0 TDI 90 kW (122 PS) / Front
- 2,0 TDI 110 kW (150 PS) / Front
- 2,0 TDI 142 kW (193 PS) / Allrad
Unser Fazit: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Ob der neue Passat, der von Volkswagen ein letztes Mal ausgesät wird, zumindest mit Verbrenner, einen Sturm der Begeisterung auslösen wird, bleibt abzuwarten. Er hat jedenfalls alle Tugenden mit an Bord, die den Erfolg der Kombi-Limousine über 50 Jahre getragen haben. Er ist groß, praktisch, komfortabel, technisch up to date – und vielleicht auch noch preiswert. Wie man hört, soll die gut ausgestattete Basisversion knapp unter 40.000 Euro landen. Ein ordentlicher Preis für viel Auto, das vor allen Dingen eines nicht ist. Nämlich windig. Rudolf Bögel
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